Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Woldemar empfing ihn mit stürmischer, ungeheuchelter Freude, durch welche jedoch eine leise Wehmuth hervorschimmerte. Holger mußte ihm das Gefecht auf das Umständlichste mittheilen. Als endlich dieser Gegenstand durch und durch besprochen war, sagte Holger auf einmal beklommen: Und John, was weiß man von ihm? Ohne zu erwidern, zog Woldemar ein Zeitungsblatt unter andern Papieren hervor und reichte es ihm hin. Holger las: "Am Morgen nach Absegelung des Schooners, welcher der Ordre gemäß zur bestimmten Stunde abging, wurde dessen Chef todtgeschossen an der Küste gefunden. Ob er meuchelmörderisch getödtet oder das Opfer eines augenblicklichen Wahnsinns geworden, auf welchen letzteren Mehreres hindeutet, ist nicht leicht herauszufinden." Meuchelmörderisch! rief Holger erschüttert. Nein! das gewiß nicht, sagte Woldemar ernst und wehmüthig, denn ich zweifle nicht, daß er durch deine Hand gefallen ist. Wäre es möglich? Du weißt schon? rief Holger höchst überrascht. Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt; dein letztes Wort, als du dich von mir trenntest, und noch mehr der goldne Klumpen, der in seinem Herzen gefunden und noch Merkmale trägt, die mir ein helles Licht geben, haben mir es zugeflüstert. Starre mich nicht so an, fuhr Woldemar begütigend fort: ich habe Woldemar empfing ihn mit stürmischer, ungeheuchelter Freude, durch welche jedoch eine leise Wehmuth hervorschimmerte. Holger mußte ihm das Gefecht auf das Umständlichste mittheilen. Als endlich dieser Gegenstand durch und durch besprochen war, sagte Holger auf einmal beklommen: Und John, was weiß man von ihm? Ohne zu erwidern, zog Woldemar ein Zeitungsblatt unter andern Papieren hervor und reichte es ihm hin. Holger las: „Am Morgen nach Absegelung des Schooners, welcher der Ordre gemäß zur bestimmten Stunde abging, wurde dessen Chef todtgeschossen an der Küste gefunden. Ob er meuchelmörderisch getödtet oder das Opfer eines augenblicklichen Wahnsinns geworden, auf welchen letzteren Mehreres hindeutet, ist nicht leicht herauszufinden.“ Meuchelmörderisch! rief Holger erschüttert. Nein! das gewiß nicht, sagte Woldemar ernst und wehmüthig, denn ich zweifle nicht, daß er durch deine Hand gefallen ist. Wäre es möglich? Du weißt schon? rief Holger höchst überrascht. Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt; dein letztes Wort, als du dich von mir trenntest, und noch mehr der goldne Klumpen, der in seinem Herzen gefunden und noch Merkmale trägt, die mir ein helles Licht geben, haben mir es zugeflüstert. Starre mich nicht so an, fuhr Woldemar begütigend fort: ich habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088"/> <p>Woldemar empfing ihn mit stürmischer, ungeheuchelter Freude, durch welche jedoch eine leise Wehmuth hervorschimmerte. Holger mußte ihm das Gefecht auf das Umständlichste mittheilen. Als endlich dieser Gegenstand durch und durch besprochen war, sagte Holger auf einmal beklommen: Und John, was weiß man von ihm?</p><lb/> <p>Ohne zu erwidern, zog Woldemar ein Zeitungsblatt unter andern Papieren hervor und reichte es ihm hin. Holger las:</p><lb/> <p>„Am Morgen nach Absegelung des Schooners, welcher der Ordre gemäß zur bestimmten Stunde abging, wurde dessen Chef todtgeschossen an der Küste gefunden. Ob er meuchelmörderisch getödtet oder das Opfer eines augenblicklichen Wahnsinns geworden, auf welchen letzteren Mehreres hindeutet, ist nicht leicht herauszufinden.“</p><lb/> <p>Meuchelmörderisch! rief Holger erschüttert.</p><lb/> <p>Nein! das gewiß nicht, sagte Woldemar ernst und wehmüthig, denn ich zweifle nicht, daß er durch deine Hand gefallen ist.</p><lb/> <p>Wäre es möglich? Du weißt schon? rief Holger höchst überrascht.</p><lb/> <p>Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt; dein letztes Wort, als du dich von mir trenntest, und noch mehr der goldne Klumpen, der in seinem Herzen gefunden und noch Merkmale trägt, die mir ein helles Licht geben, haben mir es zugeflüstert. Starre mich nicht so an, fuhr Woldemar begütigend fort: ich habe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Woldemar empfing ihn mit stürmischer, ungeheuchelter Freude, durch welche jedoch eine leise Wehmuth hervorschimmerte. Holger mußte ihm das Gefecht auf das Umständlichste mittheilen. Als endlich dieser Gegenstand durch und durch besprochen war, sagte Holger auf einmal beklommen: Und John, was weiß man von ihm?
Ohne zu erwidern, zog Woldemar ein Zeitungsblatt unter andern Papieren hervor und reichte es ihm hin. Holger las:
„Am Morgen nach Absegelung des Schooners, welcher der Ordre gemäß zur bestimmten Stunde abging, wurde dessen Chef todtgeschossen an der Küste gefunden. Ob er meuchelmörderisch getödtet oder das Opfer eines augenblicklichen Wahnsinns geworden, auf welchen letzteren Mehreres hindeutet, ist nicht leicht herauszufinden.“
Meuchelmörderisch! rief Holger erschüttert.
Nein! das gewiß nicht, sagte Woldemar ernst und wehmüthig, denn ich zweifle nicht, daß er durch deine Hand gefallen ist.
Wäre es möglich? Du weißt schon? rief Holger höchst überrascht.
Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt; dein letztes Wort, als du dich von mir trenntest, und noch mehr der goldne Klumpen, der in seinem Herzen gefunden und noch Merkmale trägt, die mir ein helles Licht geben, haben mir es zugeflüstert. Starre mich nicht so an, fuhr Woldemar begütigend fort: ich habe
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/88>, abgerufen am 17.07.2024. |