Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schicksal und ihre Hoffnung aus den Blicken der Offiziere zu lesen, die ernst besonnen, mit unerschrockenem Muthe in Blick und Haltung, wieder die Augen zweifelnd auf den Chef hefteten, welcher, der Ruhigste und Gelassenste von Allen, selten das Verdeck verließ, wo er auf und niederging, mit gedämpfter Stimme den Offizieren Verhaltungsbefehle ertheilte und mit anscheinender Ruhe und fast schelmischer Miene in den sich immer öffnenden und wieder schließenden Fugen der Seitenwände des kämpfenden Schiffes mit besonderer Behendigkeit Nüsse knackte und aufmachte, die er theils aß, theils an die Umstehenden vertheilte. Während dieser fürchterlichen Stunden hatten die jüngeren Offiziere die gefährlichsten Posten und mußten oft, um die Matrosen zurechtzuweisen oder zu ermuntern, selbst kräftige Hand an die Schiffsarbeit legen. Sie scheueten sich nicht, auch wenn die Gewalt des Sturmes die Spitzen der thurmhohen Maste des fast auf der Seite liegenden Schiffes bis in die Wellen hinunterbeugte, die schwankenden Raaen zu besteigen, deren Enden mitunter tief in das aufgerührte Meer hinuntertauchten. Es fiel Woldemarn, der mit einem besondern sehnsüchtigen Verlangen in den Schlund des Todes hineinzustarren schien, auf, daß Holger, wo es nur thunlich war, sich immer in seiner Nähe hielt und ihn fast zu bewachen schien, als fürchte er, daß der Freund in feiner offenbaren Todesverachtung die dem Leben Schicksal und ihre Hoffnung aus den Blicken der Offiziere zu lesen, die ernst besonnen, mit unerschrockenem Muthe in Blick und Haltung, wieder die Augen zweifelnd auf den Chef hefteten, welcher, der Ruhigste und Gelassenste von Allen, selten das Verdeck verließ, wo er auf und niederging, mit gedämpfter Stimme den Offizieren Verhaltungsbefehle ertheilte und mit anscheinender Ruhe und fast schelmischer Miene in den sich immer öffnenden und wieder schließenden Fugen der Seitenwände des kämpfenden Schiffes mit besonderer Behendigkeit Nüsse knackte und aufmachte, die er theils aß, theils an die Umstehenden vertheilte. Während dieser fürchterlichen Stunden hatten die jüngeren Offiziere die gefährlichsten Posten und mußten oft, um die Matrosen zurechtzuweisen oder zu ermuntern, selbst kräftige Hand an die Schiffsarbeit legen. Sie scheueten sich nicht, auch wenn die Gewalt des Sturmes die Spitzen der thurmhohen Maste des fast auf der Seite liegenden Schiffes bis in die Wellen hinunterbeugte, die schwankenden Raaen zu besteigen, deren Enden mitunter tief in das aufgerührte Meer hinuntertauchten. Es fiel Woldemarn, der mit einem besondern sehnsüchtigen Verlangen in den Schlund des Todes hineinzustarren schien, auf, daß Holger, wo es nur thunlich war, sich immer in seiner Nähe hielt und ihn fast zu bewachen schien, als fürchte er, daß der Freund in feiner offenbaren Todesverachtung die dem Leben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049"/> Schicksal und ihre Hoffnung aus den Blicken der Offiziere zu lesen, die ernst besonnen, mit unerschrockenem Muthe in Blick und Haltung, wieder die Augen zweifelnd auf den Chef hefteten, welcher, der Ruhigste und Gelassenste von Allen, selten das Verdeck verließ, wo er auf und niederging, mit gedämpfter Stimme den Offizieren Verhaltungsbefehle ertheilte und mit anscheinender Ruhe und fast schelmischer Miene in den sich immer öffnenden und wieder schließenden Fugen der Seitenwände des kämpfenden Schiffes mit besonderer Behendigkeit Nüsse knackte und aufmachte, die er theils aß, theils an die Umstehenden vertheilte.</p><lb/> <p>Während dieser fürchterlichen Stunden hatten die jüngeren Offiziere die gefährlichsten Posten und mußten oft, um die Matrosen zurechtzuweisen oder zu ermuntern, selbst kräftige Hand an die Schiffsarbeit legen. Sie scheueten sich nicht, auch wenn die Gewalt des Sturmes die Spitzen der thurmhohen Maste des fast auf der Seite liegenden Schiffes bis in die Wellen hinunterbeugte, die schwankenden Raaen zu besteigen, deren Enden mitunter tief in das aufgerührte Meer hinuntertauchten.</p><lb/> <p>Es fiel Woldemarn, der mit einem besondern sehnsüchtigen Verlangen in den Schlund des Todes hineinzustarren schien, auf, daß Holger, wo es nur thunlich war, sich immer in seiner Nähe hielt und ihn fast zu bewachen schien, als fürchte er, daß der Freund in feiner offenbaren Todesverachtung die dem Leben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Schicksal und ihre Hoffnung aus den Blicken der Offiziere zu lesen, die ernst besonnen, mit unerschrockenem Muthe in Blick und Haltung, wieder die Augen zweifelnd auf den Chef hefteten, welcher, der Ruhigste und Gelassenste von Allen, selten das Verdeck verließ, wo er auf und niederging, mit gedämpfter Stimme den Offizieren Verhaltungsbefehle ertheilte und mit anscheinender Ruhe und fast schelmischer Miene in den sich immer öffnenden und wieder schließenden Fugen der Seitenwände des kämpfenden Schiffes mit besonderer Behendigkeit Nüsse knackte und aufmachte, die er theils aß, theils an die Umstehenden vertheilte.
Während dieser fürchterlichen Stunden hatten die jüngeren Offiziere die gefährlichsten Posten und mußten oft, um die Matrosen zurechtzuweisen oder zu ermuntern, selbst kräftige Hand an die Schiffsarbeit legen. Sie scheueten sich nicht, auch wenn die Gewalt des Sturmes die Spitzen der thurmhohen Maste des fast auf der Seite liegenden Schiffes bis in die Wellen hinunterbeugte, die schwankenden Raaen zu besteigen, deren Enden mitunter tief in das aufgerührte Meer hinuntertauchten.
Es fiel Woldemarn, der mit einem besondern sehnsüchtigen Verlangen in den Schlund des Todes hineinzustarren schien, auf, daß Holger, wo es nur thunlich war, sich immer in seiner Nähe hielt und ihn fast zu bewachen schien, als fürchte er, daß der Freund in feiner offenbaren Todesverachtung die dem Leben
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/49>, abgerufen am 16.02.2025. |