Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sie beide, ohne zu wissen wie, in einer festen brüderlichen Umarmung umschlungen. Kannst du mir verzeihen? schluchzte Holger fast hervor, ich habe dich sehr verkannt. Ich auch dich, rief Woldemar mit schwankender Stimme. Aber nun verkennen wir uns nicht mehr. Nein, beim höchsten Gott! nie mehr, wiederholte Holger. Aber nun mußt du auch meine ganze Schuld kennen; Gott weiß, wie es zugegangen ist, Woldemar, ich glaube, ich war nahe daran dich zu hassen; allein als du aus dem Fenster sprangst, sprang meine Seele dir nach, und all mein Unmuth, mein kindischer Neid -- ja Neid, lag zerschmettert neben dir. Von dem Augenblick fühlte ich einen inneren heftigen Drang, mich an deinem verkannten Busen auszuweinen. Lächle nicht über meine stolze Thorheit, allein es war mir, als sähe ich mich verherrlichet in dir; indeß die dumme Zunge vermochte noch immer nicht das Wort Verzeihung auszusprechen; doch jetzt, jetzt -- kannst du mir vergeben? Habe ich denn nicht eine eben so große Schuld gegen dich? -- Komm! wir wollen mit treuer Freundschaft die Vergangenheit ausgleichen. Ja das wollen wir, das Sacrament der Freundschaft wollen wir in diesem Wein mit einander theilen. Was habe ich denn Heiliges genug, um dich von meiner Reue zu überzeugen? Ich möchte dir einen Antheil an mir selbst geben, aber ich weiß nicht wie. -- sie beide, ohne zu wissen wie, in einer festen brüderlichen Umarmung umschlungen. Kannst du mir verzeihen? schluchzte Holger fast hervor, ich habe dich sehr verkannt. Ich auch dich, rief Woldemar mit schwankender Stimme. Aber nun verkennen wir uns nicht mehr. Nein, beim höchsten Gott! nie mehr, wiederholte Holger. Aber nun mußt du auch meine ganze Schuld kennen; Gott weiß, wie es zugegangen ist, Woldemar, ich glaube, ich war nahe daran dich zu hassen; allein als du aus dem Fenster sprangst, sprang meine Seele dir nach, und all mein Unmuth, mein kindischer Neid — ja Neid, lag zerschmettert neben dir. Von dem Augenblick fühlte ich einen inneren heftigen Drang, mich an deinem verkannten Busen auszuweinen. Lächle nicht über meine stolze Thorheit, allein es war mir, als sähe ich mich verherrlichet in dir; indeß die dumme Zunge vermochte noch immer nicht das Wort Verzeihung auszusprechen; doch jetzt, jetzt — kannst du mir vergeben? Habe ich denn nicht eine eben so große Schuld gegen dich? — Komm! wir wollen mit treuer Freundschaft die Vergangenheit ausgleichen. Ja das wollen wir, das Sacrament der Freundschaft wollen wir in diesem Wein mit einander theilen. Was habe ich denn Heiliges genug, um dich von meiner Reue zu überzeugen? Ich möchte dir einen Antheil an mir selbst geben, aber ich weiß nicht wie. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030"/> sie beide, ohne zu wissen wie, in einer festen brüderlichen Umarmung umschlungen.</p><lb/> <p>Kannst du mir verzeihen? schluchzte Holger fast hervor, ich habe dich sehr verkannt.</p><lb/> <p>Ich auch dich, rief Woldemar mit schwankender Stimme. Aber nun verkennen wir uns nicht mehr.</p><lb/> <p>Nein, beim höchsten Gott! nie mehr, wiederholte Holger. Aber nun mußt du auch meine ganze Schuld kennen; Gott weiß, wie es zugegangen ist, Woldemar, ich glaube, ich war nahe daran dich zu hassen; allein als du aus dem Fenster sprangst, sprang meine Seele dir nach, und all mein Unmuth, mein kindischer Neid — ja Neid, lag zerschmettert neben dir. Von dem Augenblick fühlte ich einen inneren heftigen Drang, mich an deinem verkannten Busen auszuweinen. Lächle nicht über meine stolze Thorheit, allein es war mir, als sähe ich mich verherrlichet in dir; indeß die dumme Zunge vermochte noch immer nicht das Wort Verzeihung auszusprechen; doch jetzt, jetzt — kannst du mir vergeben?</p><lb/> <p>Habe ich denn nicht eine eben so große Schuld gegen dich? — Komm! wir wollen mit treuer Freundschaft die Vergangenheit ausgleichen.</p><lb/> <p>Ja das wollen wir, das Sacrament der Freundschaft wollen wir in diesem Wein mit einander theilen. Was habe ich denn Heiliges genug, um dich von meiner Reue zu überzeugen? Ich möchte dir einen Antheil an mir selbst geben, aber ich weiß nicht wie. —<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
sie beide, ohne zu wissen wie, in einer festen brüderlichen Umarmung umschlungen.
Kannst du mir verzeihen? schluchzte Holger fast hervor, ich habe dich sehr verkannt.
Ich auch dich, rief Woldemar mit schwankender Stimme. Aber nun verkennen wir uns nicht mehr.
Nein, beim höchsten Gott! nie mehr, wiederholte Holger. Aber nun mußt du auch meine ganze Schuld kennen; Gott weiß, wie es zugegangen ist, Woldemar, ich glaube, ich war nahe daran dich zu hassen; allein als du aus dem Fenster sprangst, sprang meine Seele dir nach, und all mein Unmuth, mein kindischer Neid — ja Neid, lag zerschmettert neben dir. Von dem Augenblick fühlte ich einen inneren heftigen Drang, mich an deinem verkannten Busen auszuweinen. Lächle nicht über meine stolze Thorheit, allein es war mir, als sähe ich mich verherrlichet in dir; indeß die dumme Zunge vermochte noch immer nicht das Wort Verzeihung auszusprechen; doch jetzt, jetzt — kannst du mir vergeben?
Habe ich denn nicht eine eben so große Schuld gegen dich? — Komm! wir wollen mit treuer Freundschaft die Vergangenheit ausgleichen.
Ja das wollen wir, das Sacrament der Freundschaft wollen wir in diesem Wein mit einander theilen. Was habe ich denn Heiliges genug, um dich von meiner Reue zu überzeugen? Ich möchte dir einen Antheil an mir selbst geben, aber ich weiß nicht wie. —
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/30>, abgerufen am 16.07.2024. |