Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.pflegen zu dürfen, benutzend, mit dem er durch einen vom Chef gestatteten Tausch Stubengefährte geworden war; die übrigen zwei Mitbewohner waren des Kranken wegen noch immer entfernt; und so nahete sich ihnen nun, die zum ersten Mal wieder gesund und wohlauf sich gegenüber saßen, eine schöne vertrauliche Stunde, doch noch immer konnte Holger keine Worte finden, er sah stumm und fast düster vor sich hin. Woldemar bemerkte seine sonderbare Unruhe. Bist du unwohl? fragte er besorgt. Du hast den ganzen Abend nur sehr wenig gesprochen und fast keinen Wein getrunken. Es war, erwiderte Holger ohne aufzusehen, es war mir unmöglich in der Gegenwart der Anderen, ich muß erst mit dir allein trinken. -- Er sprang rasch auf und holte ein Paar zur Seite gesetzte Bouteillen hervor; -- aber willst du auch mit mir trinken? Welche Frage! sagte Woldemar mit Wärme; mit wem lieber? Ist es dein Ernst? fuhr Holger fort und brach gewaltsam in Thränen aus. Ich verdiene es nicht. Nein! nein! ich fühle es tief, du mußt mich hassen. Dich? rief der Gefährte und sprang so heftig auf, daß ein stechender Schmerz das noch sehr schwache Bein durchfuhr; er erbleichte plötzlich und schwankte. Holger eilte erschrocken hinzu, um ihn zu ergreifen. Woldemar umfaßte ihn rasch mit beiden Armen; und so standen pflegen zu dürfen, benutzend, mit dem er durch einen vom Chef gestatteten Tausch Stubengefährte geworden war; die übrigen zwei Mitbewohner waren des Kranken wegen noch immer entfernt; und so nahete sich ihnen nun, die zum ersten Mal wieder gesund und wohlauf sich gegenüber saßen, eine schöne vertrauliche Stunde, doch noch immer konnte Holger keine Worte finden, er sah stumm und fast düster vor sich hin. Woldemar bemerkte seine sonderbare Unruhe. Bist du unwohl? fragte er besorgt. Du hast den ganzen Abend nur sehr wenig gesprochen und fast keinen Wein getrunken. Es war, erwiderte Holger ohne aufzusehen, es war mir unmöglich in der Gegenwart der Anderen, ich muß erst mit dir allein trinken. — Er sprang rasch auf und holte ein Paar zur Seite gesetzte Bouteillen hervor; — aber willst du auch mit mir trinken? Welche Frage! sagte Woldemar mit Wärme; mit wem lieber? Ist es dein Ernst? fuhr Holger fort und brach gewaltsam in Thränen aus. Ich verdiene es nicht. Nein! nein! ich fühle es tief, du mußt mich hassen. Dich? rief der Gefährte und sprang so heftig auf, daß ein stechender Schmerz das noch sehr schwache Bein durchfuhr; er erbleichte plötzlich und schwankte. Holger eilte erschrocken hinzu, um ihn zu ergreifen. Woldemar umfaßte ihn rasch mit beiden Armen; und so standen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029"/> pflegen zu dürfen, benutzend, mit dem er durch einen vom Chef gestatteten Tausch Stubengefährte geworden war; die übrigen zwei Mitbewohner waren des Kranken wegen noch immer entfernt; und so nahete sich ihnen nun, die zum ersten Mal wieder gesund und wohlauf sich gegenüber saßen, eine schöne vertrauliche Stunde, doch noch immer konnte Holger keine Worte finden, er sah stumm und fast düster vor sich hin. Woldemar bemerkte seine sonderbare Unruhe.</p><lb/> <p>Bist du unwohl? fragte er besorgt. Du hast den ganzen Abend nur sehr wenig gesprochen und fast keinen Wein getrunken.</p><lb/> <p>Es war, erwiderte Holger ohne aufzusehen, es war mir unmöglich in der Gegenwart der Anderen, ich muß erst mit dir allein trinken. — Er sprang rasch auf und holte ein Paar zur Seite gesetzte Bouteillen hervor; — aber willst du auch mit mir trinken?</p><lb/> <p>Welche Frage! sagte Woldemar mit Wärme; mit wem lieber?</p><lb/> <p>Ist es dein Ernst? fuhr Holger fort und brach gewaltsam in Thränen aus. Ich verdiene es nicht. Nein! nein! ich fühle es tief, du mußt mich hassen.</p><lb/> <p>Dich? rief der Gefährte und sprang so heftig auf, daß ein stechender Schmerz das noch sehr schwache Bein durchfuhr; er erbleichte plötzlich und schwankte. Holger eilte erschrocken hinzu, um ihn zu ergreifen. Woldemar umfaßte ihn rasch mit beiden Armen; und so standen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
pflegen zu dürfen, benutzend, mit dem er durch einen vom Chef gestatteten Tausch Stubengefährte geworden war; die übrigen zwei Mitbewohner waren des Kranken wegen noch immer entfernt; und so nahete sich ihnen nun, die zum ersten Mal wieder gesund und wohlauf sich gegenüber saßen, eine schöne vertrauliche Stunde, doch noch immer konnte Holger keine Worte finden, er sah stumm und fast düster vor sich hin. Woldemar bemerkte seine sonderbare Unruhe.
Bist du unwohl? fragte er besorgt. Du hast den ganzen Abend nur sehr wenig gesprochen und fast keinen Wein getrunken.
Es war, erwiderte Holger ohne aufzusehen, es war mir unmöglich in der Gegenwart der Anderen, ich muß erst mit dir allein trinken. — Er sprang rasch auf und holte ein Paar zur Seite gesetzte Bouteillen hervor; — aber willst du auch mit mir trinken?
Welche Frage! sagte Woldemar mit Wärme; mit wem lieber?
Ist es dein Ernst? fuhr Holger fort und brach gewaltsam in Thränen aus. Ich verdiene es nicht. Nein! nein! ich fühle es tief, du mußt mich hassen.
Dich? rief der Gefährte und sprang so heftig auf, daß ein stechender Schmerz das noch sehr schwache Bein durchfuhr; er erbleichte plötzlich und schwankte. Holger eilte erschrocken hinzu, um ihn zu ergreifen. Woldemar umfaßte ihn rasch mit beiden Armen; und so standen
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/29>, abgerufen am 16.07.2024. |