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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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gann, lagen die Verhältnisse, besonders an den höheren Mäd-
chenschulen, für die Frauen noch weit ungünstiger. Der Unter-
richt in allen wesentlichen Fächern - in Deutsch, Geschichte,
Religion u. a. m. - wurde in den Oberklassen vorwiegend, oft
ausschließlich von Männern erteilt. Daß die Leitung, die noch
jetzt (mit wenigen Ausnahmen) an öffentlichen Schulen von
Direktoren geübt wird, niemals Frauen anvertraut wurde,
verstärkte noch den männlichen Einfluß. Auch die Privat-
schulen, an denen sonst, schon aus pekuniären Gründen,
weibliche Lehrkräfte überwogen, trachteten, der Mode Rechnung
tragend, danach, für die Oberklassen möglichst Herren als
Lehrer zu gewinnen. Der jüngste Privatdozent galt für ge-
eigneter, fast erwachsenen Mädchen Unterricht zu erteilen, als
eine erfahrene, auch auf die Charakterbildung, die Erziehung
der Kinder einwirkende Lehrerin. Ohne Zusammenhang mit
dem, was sie später im Leben erwartete, wurde den Mädchen
in Fächern, die besonders geeignet gewesen wären, veredelte
Auffassung von den Aufgaben und Pflichten der Frau in den
jungen Gemütern zu wecken, die Begeisterung für solche Auf-
gaben zu einer das Leben beherrschenden Grundstimmung zu
machen, häufig genug ein Unterricht zuteil, der die vorhan-
denen Bildungsmöglichkeiten vollständig außer Acht ließ, zum
reinen Dozieren ausartete. Der in den Mädchen die Vorstel-
lung weckte, als wenn das, was der Herr Doktor ihnen in so
schönen, schwungvollen Worten zu sagen wußte, mit dem, was
das Leben von ihnen verlangte, keinerlei Zusammenhang habe.
Sicherlich gab es Ausnahmen, gab es besonders unter den
älteren Lehrern Männer, die auch ihre Schülerinnen in rechter
Art zu nehmen wußten. Aber so wenig eine Frau immer
und überall männlicher Eigenart gerecht werden kann, so wenig
vermag der Lehrer, der Mann - als Durchschnitt genommen

Krukenberg, Frauenbewegung. 4

gann, lagen die Verhältnisse, besonders an den höheren Mäd-
chenschulen, für die Frauen noch weit ungünstiger. Der Unter-
richt in allen wesentlichen Fächern – in Deutsch, Geschichte,
Religion u. a. m. – wurde in den Oberklassen vorwiegend, oft
ausschließlich von Männern erteilt. Daß die Leitung, die noch
jetzt (mit wenigen Ausnahmen) an öffentlichen Schulen von
Direktoren geübt wird, niemals Frauen anvertraut wurde,
verstärkte noch den männlichen Einfluß. Auch die Privat-
schulen, an denen sonst, schon aus pekuniären Gründen,
weibliche Lehrkräfte überwogen, trachteten, der Mode Rechnung
tragend, danach, für die Oberklassen möglichst Herren als
Lehrer zu gewinnen. Der jüngste Privatdozent galt für ge-
eigneter, fast erwachsenen Mädchen Unterricht zu erteilen, als
eine erfahrene, auch auf die Charakterbildung, die Erziehung
der Kinder einwirkende Lehrerin. Ohne Zusammenhang mit
dem, was sie später im Leben erwartete, wurde den Mädchen
in Fächern, die besonders geeignet gewesen wären, veredelte
Auffassung von den Aufgaben und Pflichten der Frau in den
jungen Gemütern zu wecken, die Begeisterung für solche Auf-
gaben zu einer das Leben beherrschenden Grundstimmung zu
machen, häufig genug ein Unterricht zuteil, der die vorhan-
denen Bildungsmöglichkeiten vollständig außer Acht ließ, zum
reinen Dozieren ausartete. Der in den Mädchen die Vorstel-
lung weckte, als wenn das, was der Herr Doktor ihnen in so
schönen, schwungvollen Worten zu sagen wußte, mit dem, was
das Leben von ihnen verlangte, keinerlei Zusammenhang habe.
Sicherlich gab es Ausnahmen, gab es besonders unter den
älteren Lehrern Männer, die auch ihre Schülerinnen in rechter
Art zu nehmen wußten. Aber so wenig eine Frau immer
und überall männlicher Eigenart gerecht werden kann, so wenig
vermag der Lehrer, der Mann – als Durchschnitt genommen

Krukenberg, Frauenbewegung. 4
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[49/0059] gann, lagen die Verhältnisse, besonders an den höheren Mäd- chenschulen, für die Frauen noch weit ungünstiger. Der Unter- richt in allen wesentlichen Fächern – in Deutsch, Geschichte, Religion u. a. m. – wurde in den Oberklassen vorwiegend, oft ausschließlich von Männern erteilt. Daß die Leitung, die noch jetzt (mit wenigen Ausnahmen) an öffentlichen Schulen von Direktoren geübt wird, niemals Frauen anvertraut wurde, verstärkte noch den männlichen Einfluß. Auch die Privat- schulen, an denen sonst, schon aus pekuniären Gründen, weibliche Lehrkräfte überwogen, trachteten, der Mode Rechnung tragend, danach, für die Oberklassen möglichst Herren als Lehrer zu gewinnen. Der jüngste Privatdozent galt für ge- eigneter, fast erwachsenen Mädchen Unterricht zu erteilen, als eine erfahrene, auch auf die Charakterbildung, die Erziehung der Kinder einwirkende Lehrerin. Ohne Zusammenhang mit dem, was sie später im Leben erwartete, wurde den Mädchen in Fächern, die besonders geeignet gewesen wären, veredelte Auffassung von den Aufgaben und Pflichten der Frau in den jungen Gemütern zu wecken, die Begeisterung für solche Auf- gaben zu einer das Leben beherrschenden Grundstimmung zu machen, häufig genug ein Unterricht zuteil, der die vorhan- denen Bildungsmöglichkeiten vollständig außer Acht ließ, zum reinen Dozieren ausartete. Der in den Mädchen die Vorstel- lung weckte, als wenn das, was der Herr Doktor ihnen in so schönen, schwungvollen Worten zu sagen wußte, mit dem, was das Leben von ihnen verlangte, keinerlei Zusammenhang habe. Sicherlich gab es Ausnahmen, gab es besonders unter den älteren Lehrern Männer, die auch ihre Schülerinnen in rechter Art zu nehmen wußten. Aber so wenig eine Frau immer und überall männlicher Eigenart gerecht werden kann, so wenig vermag der Lehrer, der Mann – als Durchschnitt genommen Krukenberg, Frauenbewegung. 4

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/59>, abgerufen am 24.11.2024.