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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Bemerkenswert scheint mir, um die Lösung dieser Doppelauf-
gabe zu erleichtern, ein Vorschlag des über die Frauenbewegung
sonst nicht gerade orientiert und treffend urteilenden Mädchen-
schuldirektors Harry Schmidt, dem auch der Augsburger Schul-
rat Löveneck auf dem bayrischen Frauentage zustimmte und den
auch der Berliner Verein für Volkserziehung befürwortet. Die-
ser Vorschlag zielt dahin, in den Lehrplan der dann aller-
dings auf längere Zeit auszudehnenden höheren Mädchenschule
ein Jahr als sogenannte Mutterschule einzufügen (der Name
dürfte wohl besser geändert werden, vielleicht in "praktisches
Jahr"), um den Mädchen in Krippe, Kindergarten und haus-
wirtschaftlichem Kursus Ausbildung zu geben. Das praktische
Jahr würde auch für solche obligatorisch sein, die für später-
hin gewillt sind, Berufsausbildung auf anderem als häusli-
chem Gebiete zu erwerben. Beachtenswert ist dabei auch der
Vorschlag, Material für den Kindergarten aus solchen Kindern
zu gewinnen, die im schulpflichtigen Alter körperlich oder geistig
noch nicht gekräftigt genug erscheinen, um in die Schule auf-
genommen zu werden. Diese alle will Harry Schmidt, da er
mit Recht mutmaßt, daß es solchen Kindern häufig an rich-
tiger häuslicher Ueberwachung fehle, dem Kindergarten zu-
weisen, um sie für den Eintritt in die Schule systematisch vor-
zubereiten.

Völlig abzuweisen scheint mir dagegen der Vorschlag, in
der Säuglings- und Kleinkinderabteilung nur je ein ver-
zeltes
Versuchskind aufzunehmen. Ein so intensives Be-
schäftigen immer neuer junger Mädchen mit einem einzigen
Versuchsbaby dürfte weder der Entwicklung dieses Kindes noch
den auszubildenden jungen Mädchen zum Vorteil gereichen.

Eine vorwiegend die erzieherische, die ideale Seite des
Mutterberufs ins Auge fassende Ausbildungsanstalt, das 1878

Bemerkenswert scheint mir, um die Lösung dieser Doppelauf-
gabe zu erleichtern, ein Vorschlag des über die Frauenbewegung
sonst nicht gerade orientiert und treffend urteilenden Mädchen-
schuldirektors Harry Schmidt, dem auch der Augsburger Schul-
rat Löveneck auf dem bayrischen Frauentage zustimmte und den
auch der Berliner Verein für Volkserziehung befürwortet. Die-
ser Vorschlag zielt dahin, in den Lehrplan der dann aller-
dings auf längere Zeit auszudehnenden höheren Mädchenschule
ein Jahr als sogenannte Mutterschule einzufügen (der Name
dürfte wohl besser geändert werden, vielleicht in „praktisches
Jahr“), um den Mädchen in Krippe, Kindergarten und haus-
wirtschaftlichem Kursus Ausbildung zu geben. Das praktische
Jahr würde auch für solche obligatorisch sein, die für später-
hin gewillt sind, Berufsausbildung auf anderem als häusli-
chem Gebiete zu erwerben. Beachtenswert ist dabei auch der
Vorschlag, Material für den Kindergarten aus solchen Kindern
zu gewinnen, die im schulpflichtigen Alter körperlich oder geistig
noch nicht gekräftigt genug erscheinen, um in die Schule auf-
genommen zu werden. Diese alle will Harry Schmidt, da er
mit Recht mutmaßt, daß es solchen Kindern häufig an rich-
tiger häuslicher Ueberwachung fehle, dem Kindergarten zu-
weisen, um sie für den Eintritt in die Schule systematisch vor-
zubereiten.

Völlig abzuweisen scheint mir dagegen der Vorschlag, in
der Säuglings- und Kleinkinderabteilung nur je ein ver-
zeltes
Versuchskind aufzunehmen. Ein so intensives Be-
schäftigen immer neuer junger Mädchen mit einem einzigen
Versuchsbaby dürfte weder der Entwicklung dieses Kindes noch
den auszubildenden jungen Mädchen zum Vorteil gereichen.

Eine vorwiegend die erzieherische, die ideale Seite des
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[38/0048] Bemerkenswert scheint mir, um die Lösung dieser Doppelauf- gabe zu erleichtern, ein Vorschlag des über die Frauenbewegung sonst nicht gerade orientiert und treffend urteilenden Mädchen- schuldirektors Harry Schmidt, dem auch der Augsburger Schul- rat Löveneck auf dem bayrischen Frauentage zustimmte und den auch der Berliner Verein für Volkserziehung befürwortet. Die- ser Vorschlag zielt dahin, in den Lehrplan der dann aller- dings auf längere Zeit auszudehnenden höheren Mädchenschule ein Jahr als sogenannte Mutterschule einzufügen (der Name dürfte wohl besser geändert werden, vielleicht in „praktisches Jahr“), um den Mädchen in Krippe, Kindergarten und haus- wirtschaftlichem Kursus Ausbildung zu geben. Das praktische Jahr würde auch für solche obligatorisch sein, die für später- hin gewillt sind, Berufsausbildung auf anderem als häusli- chem Gebiete zu erwerben. Beachtenswert ist dabei auch der Vorschlag, Material für den Kindergarten aus solchen Kindern zu gewinnen, die im schulpflichtigen Alter körperlich oder geistig noch nicht gekräftigt genug erscheinen, um in die Schule auf- genommen zu werden. Diese alle will Harry Schmidt, da er mit Recht mutmaßt, daß es solchen Kindern häufig an rich- tiger häuslicher Ueberwachung fehle, dem Kindergarten zu- weisen, um sie für den Eintritt in die Schule systematisch vor- zubereiten. Völlig abzuweisen scheint mir dagegen der Vorschlag, in der Säuglings- und Kleinkinderabteilung nur je ein ver- zeltes Versuchskind aufzunehmen. Ein so intensives Be- schäftigen immer neuer junger Mädchen mit einem einzigen Versuchsbaby dürfte weder der Entwicklung dieses Kindes noch den auszubildenden jungen Mädchen zum Vorteil gereichen. Eine vorwiegend die erzieherische, die ideale Seite des Mutterberufs ins Auge fassende Ausbildungsanstalt, das 1878

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/48>, abgerufen am 20.04.2024.