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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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sozialpolitische Gegenstände erörtern, worunter mehrfach auch
Verbesserung der Arbeitsverhältnisse verstanden wird. Solche
Vereine dürfen nicht mit Vereinen gleicher Art zu gemein-
samen Zwecken in Verbindung treten und Frauensper-
sonen, Schüler und Lehrlinge
dürfen den Versamm-
lungen solcher Vereine nicht beiwohnen (§ 8). Den Berufs-
genossenschaften gebildeter Frauen gegenüber - ich denke da
z. B. an die Lehrerinnen - ist freilich dieser Paragraph, der
streng genommen sämtliche für soziale Reformen tätigen Frauen-
bewegungsvereine zur Unmöglichkeit machen würde, nie an-
gewandt worden. Aber verzichten will die Regierung trotz-
dem nicht auf ihn und handhabt ihn, sobald er ihr gut dünkt.
Dieser Gesetzesparagraph erklärt es z. B., daß Frauen, ob-
wohl seit Jahren in hervorragendem Maße sozialreformatorisch
tätig, der deutschen Gesellschaft für Soziale Reform nicht bei-
treten durften, weil sie zufällig ihren Sitz in Berlin hat, also unter
preuß. Vereinsgesetz steht. Der internationalen Vereinigung
derselben Gesellschaft aber dürfen sie beitreten, ein Beweis der
geringen Achtung, die Deutschland seinen Frauen entgegen-
bringt. Der Teilnahme von Frauen an von Einzelnen
(nicht von einem Verein) berufenen Versammlungen steht auch
in Preußen nichts im Wege, so daß für einigermaßen Orientierte
der ominöse § des preuß. Vereinsgesetzes leicht zu umgehen ist
und daher um so törichter wirkt. Er stammt - ein halbes
Jahrhundert alt - aus Zeiten, die von unseren sozialen Nöten
keine Ahnung hatten und die die Frau als Mitarbeiterin des
Mannes auch außer dem Hause noch nicht kannten. Jetzt wirkt
er als überlebt und als kränkende Willkür. Als auf der Cölner
Versammlung für soziale Reform eine von der Kongreßleitung
dazu aufgeforderte Frau - Frl. Helene Simon - von Po-
lizeiwegen verhindert wurde, das von ihr seitens der Vereins-

sozialpolitische Gegenstände erörtern, worunter mehrfach auch
Verbesserung der Arbeitsverhältnisse verstanden wird. Solche
Vereine dürfen nicht mit Vereinen gleicher Art zu gemein-
samen Zwecken in Verbindung treten und Frauensper-
sonen, Schüler und Lehrlinge
dürfen den Versamm-
lungen solcher Vereine nicht beiwohnen (§ 8). Den Berufs-
genossenschaften gebildeter Frauen gegenüber – ich denke da
z. B. an die Lehrerinnen – ist freilich dieser Paragraph, der
streng genommen sämtliche für soziale Reformen tätigen Frauen-
bewegungsvereine zur Unmöglichkeit machen würde, nie an-
gewandt worden. Aber verzichten will die Regierung trotz-
dem nicht auf ihn und handhabt ihn, sobald er ihr gut dünkt.
Dieser Gesetzesparagraph erklärt es z. B., daß Frauen, ob-
wohl seit Jahren in hervorragendem Maße sozialreformatorisch
tätig, der deutschen Gesellschaft für Soziale Reform nicht bei-
treten durften, weil sie zufällig ihren Sitz in Berlin hat, also unter
preuß. Vereinsgesetz steht. Der internationalen Vereinigung
derselben Gesellschaft aber dürfen sie beitreten, ein Beweis der
geringen Achtung, die Deutschland seinen Frauen entgegen-
bringt. Der Teilnahme von Frauen an von Einzelnen
(nicht von einem Verein) berufenen Versammlungen steht auch
in Preußen nichts im Wege, so daß für einigermaßen Orientierte
der ominöse § des preuß. Vereinsgesetzes leicht zu umgehen ist
und daher um so törichter wirkt. Er stammt – ein halbes
Jahrhundert alt – aus Zeiten, die von unseren sozialen Nöten
keine Ahnung hatten und die die Frau als Mitarbeiterin des
Mannes auch außer dem Hause noch nicht kannten. Jetzt wirkt
er als überlebt und als kränkende Willkür. Als auf der Cölner
Versammlung für soziale Reform eine von der Kongreßleitung
dazu aufgeforderte Frau – Frl. Helene Simon – von Po-
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[262/0272] sozialpolitische Gegenstände erörtern, worunter mehrfach auch Verbesserung der Arbeitsverhältnisse verstanden wird. Solche Vereine dürfen nicht mit Vereinen gleicher Art zu gemein- samen Zwecken in Verbindung treten und Frauensper- sonen, Schüler und Lehrlinge dürfen den Versamm- lungen solcher Vereine nicht beiwohnen (§ 8). Den Berufs- genossenschaften gebildeter Frauen gegenüber – ich denke da z. B. an die Lehrerinnen – ist freilich dieser Paragraph, der streng genommen sämtliche für soziale Reformen tätigen Frauen- bewegungsvereine zur Unmöglichkeit machen würde, nie an- gewandt worden. Aber verzichten will die Regierung trotz- dem nicht auf ihn und handhabt ihn, sobald er ihr gut dünkt. Dieser Gesetzesparagraph erklärt es z. B., daß Frauen, ob- wohl seit Jahren in hervorragendem Maße sozialreformatorisch tätig, der deutschen Gesellschaft für Soziale Reform nicht bei- treten durften, weil sie zufällig ihren Sitz in Berlin hat, also unter preuß. Vereinsgesetz steht. Der internationalen Vereinigung derselben Gesellschaft aber dürfen sie beitreten, ein Beweis der geringen Achtung, die Deutschland seinen Frauen entgegen- bringt. Der Teilnahme von Frauen an von Einzelnen (nicht von einem Verein) berufenen Versammlungen steht auch in Preußen nichts im Wege, so daß für einigermaßen Orientierte der ominöse § des preuß. Vereinsgesetzes leicht zu umgehen ist und daher um so törichter wirkt. Er stammt – ein halbes Jahrhundert alt – aus Zeiten, die von unseren sozialen Nöten keine Ahnung hatten und die die Frau als Mitarbeiterin des Mannes auch außer dem Hause noch nicht kannten. Jetzt wirkt er als überlebt und als kränkende Willkür. Als auf der Cölner Versammlung für soziale Reform eine von der Kongreßleitung dazu aufgeforderte Frau – Frl. Helene Simon – von Po- lizeiwegen verhindert wurde, das von ihr seitens der Vereins-

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/272>, abgerufen am 24.11.2024.