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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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zügellosen Liebesgewohnheiten ist sicherlich nicht Jdeal. Aber
einiges hat er, der an Berufsarbeit gewöhnt, für Berufsar-
beit erzogen ist, doch vor fast allen Frauen voraus:
Er versteht, sich zu konzentrieren, sich nicht durch kleine,
oft kleinliche Rücksichten hin und herziehen zu lassen, versteht,
wenns not tut, Störungen aus seinem Leben fern zu halten.

Und er versteht zu ruhen, Erholungszeit, richtig faule
Stunden zwischen die Arbeitszeit einzuschieben.

Beides gibt ihm Uebergewicht über die Frau.

Die Durchschnittsfrau arbeitet immer, wird nie fertig mit
ihrer Arbeit. Sie kennt es garnicht anders, als daß sie immer
beschäftigt ist, immer bei ihrem Tun gestört wird.

Wie wichtig wird in den meisten Familien die Arbeit des
Knaben schon in jüngeren Jahren genommen. Er muß Ruhe
haben, er darf sich nicht zerstreuen. Er muß oft zu seiner
Qual sein ganzes Denken auf die Schule konzentrieren.

Beim Mädchen kommts nicht so sehr darauf an. Sie
darf eher einmal die Schule versäumen. Entschuldigungszettel
sind für sie leichter zur Hand. Sie muß oft genug bevor
die Ferien begonnen haben die Mutter auf ihrer Sommer-
reise begleiten, sich Urlaub dafür erbitten, der in Privatschulen,
die des Besuchs wegen Rücksichten nehmen müssen, meist un-
schwierig gewährt wird. Und ganz unnatürlich erscheint es
allen, daß ein Mädchen auch nach beendeter Schulzeit bei ern-
stem Arbeiten zu bleiben wünscht. Ein Jeder stellt Ansprüche
an sie. Hier soll sie der Mutter beim Besuchemachen, bei Ein-
käufen Gesellschaft leisten, dort soll sie mit dem Vater spazieren
gehen. Hier ein wenig - nebenher - auf jüngere Geschwister
achten. Als sehr unhöflich gilt es dann weiterhin, auch
für die ältere Frau trifft das noch zu, wenn eine Frau nicht
immer Zeit hat, Besuchende zu empfangen, Geselligkeit zu pflegen,

zügellosen Liebesgewohnheiten ist sicherlich nicht Jdeal. Aber
einiges hat er, der an Berufsarbeit gewöhnt, für Berufsar-
beit erzogen ist, doch vor fast allen Frauen voraus:
Er versteht, sich zu konzentrieren, sich nicht durch kleine,
oft kleinliche Rücksichten hin und herziehen zu lassen, versteht,
wenns not tut, Störungen aus seinem Leben fern zu halten.

Und er versteht zu ruhen, Erholungszeit, richtig faule
Stunden zwischen die Arbeitszeit einzuschieben.

Beides gibt ihm Uebergewicht über die Frau.

Die Durchschnittsfrau arbeitet immer, wird nie fertig mit
ihrer Arbeit. Sie kennt es garnicht anders, als daß sie immer
beschäftigt ist, immer bei ihrem Tun gestört wird.

Wie wichtig wird in den meisten Familien die Arbeit des
Knaben schon in jüngeren Jahren genommen. Er muß Ruhe
haben, er darf sich nicht zerstreuen. Er muß oft zu seiner
Qual sein ganzes Denken auf die Schule konzentrieren.

Beim Mädchen kommts nicht so sehr darauf an. Sie
darf eher einmal die Schule versäumen. Entschuldigungszettel
sind für sie leichter zur Hand. Sie muß oft genug bevor
die Ferien begonnen haben die Mutter auf ihrer Sommer-
reise begleiten, sich Urlaub dafür erbitten, der in Privatschulen,
die des Besuchs wegen Rücksichten nehmen müssen, meist un-
schwierig gewährt wird. Und ganz unnatürlich erscheint es
allen, daß ein Mädchen auch nach beendeter Schulzeit bei ern-
stem Arbeiten zu bleiben wünscht. Ein Jeder stellt Ansprüche
an sie. Hier soll sie der Mutter beim Besuchemachen, bei Ein-
käufen Gesellschaft leisten, dort soll sie mit dem Vater spazieren
gehen. Hier ein wenig – nebenher – auf jüngere Geschwister
achten. Als sehr unhöflich gilt es dann weiterhin, auch
für die ältere Frau trifft das noch zu, wenn eine Frau nicht
immer Zeit hat, Besuchende zu empfangen, Geselligkeit zu pflegen,

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[232/0242] zügellosen Liebesgewohnheiten ist sicherlich nicht Jdeal. Aber einiges hat er, der an Berufsarbeit gewöhnt, für Berufsar- beit erzogen ist, doch vor fast allen Frauen voraus: Er versteht, sich zu konzentrieren, sich nicht durch kleine, oft kleinliche Rücksichten hin und herziehen zu lassen, versteht, wenns not tut, Störungen aus seinem Leben fern zu halten. Und er versteht zu ruhen, Erholungszeit, richtig faule Stunden zwischen die Arbeitszeit einzuschieben. Beides gibt ihm Uebergewicht über die Frau. Die Durchschnittsfrau arbeitet immer, wird nie fertig mit ihrer Arbeit. Sie kennt es garnicht anders, als daß sie immer beschäftigt ist, immer bei ihrem Tun gestört wird. Wie wichtig wird in den meisten Familien die Arbeit des Knaben schon in jüngeren Jahren genommen. Er muß Ruhe haben, er darf sich nicht zerstreuen. Er muß oft zu seiner Qual sein ganzes Denken auf die Schule konzentrieren. Beim Mädchen kommts nicht so sehr darauf an. Sie darf eher einmal die Schule versäumen. Entschuldigungszettel sind für sie leichter zur Hand. Sie muß oft genug bevor die Ferien begonnen haben die Mutter auf ihrer Sommer- reise begleiten, sich Urlaub dafür erbitten, der in Privatschulen, die des Besuchs wegen Rücksichten nehmen müssen, meist un- schwierig gewährt wird. Und ganz unnatürlich erscheint es allen, daß ein Mädchen auch nach beendeter Schulzeit bei ern- stem Arbeiten zu bleiben wünscht. Ein Jeder stellt Ansprüche an sie. Hier soll sie der Mutter beim Besuchemachen, bei Ein- käufen Gesellschaft leisten, dort soll sie mit dem Vater spazieren gehen. Hier ein wenig – nebenher – auf jüngere Geschwister achten. Als sehr unhöflich gilt es dann weiterhin, auch für die ältere Frau trifft das noch zu, wenn eine Frau nicht immer Zeit hat, Besuchende zu empfangen, Geselligkeit zu pflegen,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/242>, abgerufen am 25.11.2024.