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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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die Gründe aufzudecken versuchen, die immer mehr Mädchen,
auch wenn sie zu Hause nutzbringende Tätigkeit finden könnten,
aus dem Hause in Berufe hineindrängen.

Jede Arbeit scheint sonst eines Lohnes wert. Wenn aber
ein junges Mädchen auf eigenen Beruf, damit auf eigenen
Gelderwerb verzichtet, um bei den Eltern zu bleiben, ihnen
ihr Heim freundlich zu gestalten, der Mutter zu helfen, sie
wohl auch ganz zu vertreten, für Vater, Brüder, jüngere Ge-
schwister Sorge zu tragen, so wird an Bewertung ihrer Ar-
beit selten gedacht. Jhr Tun erscheint allen als ganz selbstver-
ständliche Pflicht und Schuldigkeit. Niemand denkt daran, ihr,
obwohl sie doch aufs Treuste sorgt und arbeitet, die Mög-
lichkeit zu geben, für spätere Zeiten etwas zurückzulegen,
wie ihre berufstätigen Geschwister das tun können. Nie-
mand gibt ihr die Möglichkeit, einmal aus eigenen, selbst er-
worbenen Mitteln anderen eine Freude zu bereiten, sich eine
Reise zu ersparen oder auch aus eigenen Mitteln Jnteressen zu
verfolgen, für die sie, wenn sie nicht so pflichttreu Eltern
und Geschwistern gegenüber wäre, gern ganz gelebt hätte.
Man nimmt ihr Opfer an Selbständigkeit, ihre Arbeit im
Hause als selbstverständlich hin, nicht einmal an Dank denkt
man in vielen Familien. Wenn die Zahl der Haustöchter im-
mer mehr abnimmt, so liegt das zum Teil daran, daß die
jungen Mädchen auch pekuniär unabhängig zu werden wün-
schen, daß sie ihre Arbeit anerkannt sehen möchten. Entschlöße
man sich, ihre Arbeit im Hause zu bewerten, das Opfer, das
sie bringen, offen anzuerkennen, so würden sie ganz andere
Befriedigung finden, würden den berufstätigen Geschwistern
gegenüber eine ganz andere Stellung einnehmen als jetzt.
Nicht die häusliche Arbeit - ich wiederhole das - ist es,
die die Mädchen fliehen. Sondern die Abhängig-

die Gründe aufzudecken versuchen, die immer mehr Mädchen,
auch wenn sie zu Hause nutzbringende Tätigkeit finden könnten,
aus dem Hause in Berufe hineindrängen.

Jede Arbeit scheint sonst eines Lohnes wert. Wenn aber
ein junges Mädchen auf eigenen Beruf, damit auf eigenen
Gelderwerb verzichtet, um bei den Eltern zu bleiben, ihnen
ihr Heim freundlich zu gestalten, der Mutter zu helfen, sie
wohl auch ganz zu vertreten, für Vater, Brüder, jüngere Ge-
schwister Sorge zu tragen, so wird an Bewertung ihrer Ar-
beit selten gedacht. Jhr Tun erscheint allen als ganz selbstver-
ständliche Pflicht und Schuldigkeit. Niemand denkt daran, ihr,
obwohl sie doch aufs Treuste sorgt und arbeitet, die Mög-
lichkeit zu geben, für spätere Zeiten etwas zurückzulegen,
wie ihre berufstätigen Geschwister das tun können. Nie-
mand gibt ihr die Möglichkeit, einmal aus eigenen, selbst er-
worbenen Mitteln anderen eine Freude zu bereiten, sich eine
Reise zu ersparen oder auch aus eigenen Mitteln Jnteressen zu
verfolgen, für die sie, wenn sie nicht so pflichttreu Eltern
und Geschwistern gegenüber wäre, gern ganz gelebt hätte.
Man nimmt ihr Opfer an Selbständigkeit, ihre Arbeit im
Hause als selbstverständlich hin, nicht einmal an Dank denkt
man in vielen Familien. Wenn die Zahl der Haustöchter im-
mer mehr abnimmt, so liegt das zum Teil daran, daß die
jungen Mädchen auch pekuniär unabhängig zu werden wün-
schen, daß sie ihre Arbeit anerkannt sehen möchten. Entschlöße
man sich, ihre Arbeit im Hause zu bewerten, das Opfer, das
sie bringen, offen anzuerkennen, so würden sie ganz andere
Befriedigung finden, würden den berufstätigen Geschwistern
gegenüber eine ganz andere Stellung einnehmen als jetzt.
Nicht die häusliche Arbeit – ich wiederhole das – ist es,
die die Mädchen fliehen. Sondern die Abhängig-

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[222/0232] die Gründe aufzudecken versuchen, die immer mehr Mädchen, auch wenn sie zu Hause nutzbringende Tätigkeit finden könnten, aus dem Hause in Berufe hineindrängen. Jede Arbeit scheint sonst eines Lohnes wert. Wenn aber ein junges Mädchen auf eigenen Beruf, damit auf eigenen Gelderwerb verzichtet, um bei den Eltern zu bleiben, ihnen ihr Heim freundlich zu gestalten, der Mutter zu helfen, sie wohl auch ganz zu vertreten, für Vater, Brüder, jüngere Ge- schwister Sorge zu tragen, so wird an Bewertung ihrer Ar- beit selten gedacht. Jhr Tun erscheint allen als ganz selbstver- ständliche Pflicht und Schuldigkeit. Niemand denkt daran, ihr, obwohl sie doch aufs Treuste sorgt und arbeitet, die Mög- lichkeit zu geben, für spätere Zeiten etwas zurückzulegen, wie ihre berufstätigen Geschwister das tun können. Nie- mand gibt ihr die Möglichkeit, einmal aus eigenen, selbst er- worbenen Mitteln anderen eine Freude zu bereiten, sich eine Reise zu ersparen oder auch aus eigenen Mitteln Jnteressen zu verfolgen, für die sie, wenn sie nicht so pflichttreu Eltern und Geschwistern gegenüber wäre, gern ganz gelebt hätte. Man nimmt ihr Opfer an Selbständigkeit, ihre Arbeit im Hause als selbstverständlich hin, nicht einmal an Dank denkt man in vielen Familien. Wenn die Zahl der Haustöchter im- mer mehr abnimmt, so liegt das zum Teil daran, daß die jungen Mädchen auch pekuniär unabhängig zu werden wün- schen, daß sie ihre Arbeit anerkannt sehen möchten. Entschlöße man sich, ihre Arbeit im Hause zu bewerten, das Opfer, das sie bringen, offen anzuerkennen, so würden sie ganz andere Befriedigung finden, würden den berufstätigen Geschwistern gegenüber eine ganz andere Stellung einnehmen als jetzt. Nicht die häusliche Arbeit – ich wiederhole das – ist es, die die Mädchen fliehen. Sondern die Abhängig-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/232>, abgerufen am 28.04.2024.