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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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in Gefahr, als Hilfskräfte der Mutter durch frühzeitige Ueber-
anstrengung schon in der Kindheit zu welken, lernen aber
ihre Mutter überhaupt kaum kennen, und bei der täglichen,
durchschnittlich 11stündigen Abwesenheit beider Eltern ist von
Familie und von Erziehung nur noch wenig zu finden.

Je nach der Höhe des Fabrikverdienstes verschieden, wirkt
die Fabrikarbeit der Mutter auf die Ernährung der Familie
in folgendem gleichmäßig: die Zerrüttung der Hauswirtschaft,
das Kostgeld für die Kinder und das oft nötige Gasthaus-
essen lassen vom Erwerb der Mutter wenig oder nichts übrig;
bis zu der in der Großstadt häufig auf den Abend verlegten
Hauptmahlzeit sind Mutter und Kinder (oft ohne Frühstück)
meist schlecht genährt; Mittags ist in der bestenfalls halben
Stunde, die der Hausfrau "zur Besorgung des Hauswesens"
freisteht, nur kaltes oder schnell aufgewärmtes, schwer ver-
dauliches Essen herstellbar, oft halbrohe Kartoffeln und Kaffee,
eine Lebensweise, die Alkoholismus und eine Menge von
Magen- und Darmleiden der Arbeiter bewirkt, den Mann aus
dem Heim ins Wirtshaus treibt.

Die außerordentlich große Aufgabe, die eine Arbeiters-
frau auch bei nur mäßiger Kinderzahl im Haushalt zu er-
füllen hat, dazu noch 10stündige Fabrikarbeit: ihre Arbeits-
zeit ist im besten Fall 16stündig, unter weniger günstigen
Verhältnissen aber 18-, ja nahezu 20stündig." Nach den Ge-
burten vor Rückbildung der Organe mit gebrochener Kraft
solche Arbeit wieder aufnehmend, verfallen diese Frauen un-
ausbleiblichem Siechtum und Frauenleiden aller Art. Viele über-
lassen aus Erschöpfung die Hausarbeit dem Mann und
den Kindern."

Das möge als Grundlage für meine weiteren Ausfüh-
rungen genügen.

in Gefahr, als Hilfskräfte der Mutter durch frühzeitige Ueber-
anstrengung schon in der Kindheit zu welken, lernen aber
ihre Mutter überhaupt kaum kennen, und bei der täglichen,
durchschnittlich 11stündigen Abwesenheit beider Eltern ist von
Familie und von Erziehung nur noch wenig zu finden.

Je nach der Höhe des Fabrikverdienstes verschieden, wirkt
die Fabrikarbeit der Mutter auf die Ernährung der Familie
in folgendem gleichmäßig: die Zerrüttung der Hauswirtschaft,
das Kostgeld für die Kinder und das oft nötige Gasthaus-
essen lassen vom Erwerb der Mutter wenig oder nichts übrig;
bis zu der in der Großstadt häufig auf den Abend verlegten
Hauptmahlzeit sind Mutter und Kinder (oft ohne Frühstück)
meist schlecht genährt; Mittags ist in der bestenfalls halben
Stunde, die der Hausfrau „zur Besorgung des Hauswesens“
freisteht, nur kaltes oder schnell aufgewärmtes, schwer ver-
dauliches Essen herstellbar, oft halbrohe Kartoffeln und Kaffee,
eine Lebensweise, die Alkoholismus und eine Menge von
Magen- und Darmleiden der Arbeiter bewirkt, den Mann aus
dem Heim ins Wirtshaus treibt.

Die außerordentlich große Aufgabe, die eine Arbeiters-
frau auch bei nur mäßiger Kinderzahl im Haushalt zu er-
füllen hat, dazu noch 10stündige Fabrikarbeit: ihre Arbeits-
zeit ist im besten Fall 16stündig, unter weniger günstigen
Verhältnissen aber 18-, ja nahezu 20stündig.“ Nach den Ge-
burten vor Rückbildung der Organe mit gebrochener Kraft
solche Arbeit wieder aufnehmend, verfallen diese Frauen un-
ausbleiblichem Siechtum und Frauenleiden aller Art. Viele über-
lassen aus Erschöpfung die Hausarbeit dem Mann und
den Kindern.“

Das möge als Grundlage für meine weiteren Ausfüh-
rungen genügen.

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[218/0228] in Gefahr, als Hilfskräfte der Mutter durch frühzeitige Ueber- anstrengung schon in der Kindheit zu welken, lernen aber ihre Mutter überhaupt kaum kennen, und bei der täglichen, durchschnittlich 11stündigen Abwesenheit beider Eltern ist von Familie und von Erziehung nur noch wenig zu finden. Je nach der Höhe des Fabrikverdienstes verschieden, wirkt die Fabrikarbeit der Mutter auf die Ernährung der Familie in folgendem gleichmäßig: die Zerrüttung der Hauswirtschaft, das Kostgeld für die Kinder und das oft nötige Gasthaus- essen lassen vom Erwerb der Mutter wenig oder nichts übrig; bis zu der in der Großstadt häufig auf den Abend verlegten Hauptmahlzeit sind Mutter und Kinder (oft ohne Frühstück) meist schlecht genährt; Mittags ist in der bestenfalls halben Stunde, die der Hausfrau „zur Besorgung des Hauswesens“ freisteht, nur kaltes oder schnell aufgewärmtes, schwer ver- dauliches Essen herstellbar, oft halbrohe Kartoffeln und Kaffee, eine Lebensweise, die Alkoholismus und eine Menge von Magen- und Darmleiden der Arbeiter bewirkt, den Mann aus dem Heim ins Wirtshaus treibt. Die außerordentlich große Aufgabe, die eine Arbeiters- frau auch bei nur mäßiger Kinderzahl im Haushalt zu er- füllen hat, dazu noch 10stündige Fabrikarbeit: ihre Arbeits- zeit ist im besten Fall 16stündig, unter weniger günstigen Verhältnissen aber 18-, ja nahezu 20stündig.“ Nach den Ge- burten vor Rückbildung der Organe mit gebrochener Kraft solche Arbeit wieder aufnehmend, verfallen diese Frauen un- ausbleiblichem Siechtum und Frauenleiden aller Art. Viele über- lassen aus Erschöpfung die Hausarbeit dem Mann und den Kindern.“ Das möge als Grundlage für meine weiteren Ausfüh- rungen genügen.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/228>, abgerufen am 28.04.2024.