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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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sächlich geschieht das schon oft - von Gerichtswegen zum Vor-
mund auch fremder Kinder bestellt werden kann.

Sonst aber, wie gesagt, blieb vieles beim Alten. Und
wie verletzend mußte auf die Frauen, die man von jeder Ein-
wirkung auf die Gestaltung des so tief in ihr Leben eingrei-
fenden Gesetzes ausschloß, die Art und Weise wirken, mit der
die Volksvertreter das Familienrecht z. T. unter Heiterkeit der
Versammlung im Sturmschritte durchpeitschten!

Was die Frauen wünschten war im wesentlichen folgendes:
I. Aufhebung des ausschließlichen Nutzungs- und Verwal-
tungsrechtes des Mannes am Vermögen der Ehefrau [in § 1363
und den folgenden §§] und Einführung der Gütertren-
nung als gesetzliches Güterrecht
.
II. Erteilung der elterlichen Gewalt an die Mutter in
Gemeinschaft und in gleichem Umfange mit dem Vater. (Sie
hat wohl eine Nebengewalt, bei Meinungsverschiedenheiten
entscheidet jedoch immer der Vater. Jst der Vater rechtlich
behindert
- durch Entmündigung wegen Geisteskrankheit,
Geistesschwäche, Verschwendungssucht, Trunksucht - so verbleibt
ihm trotzdem die Sorge für die Person des Kindes. Die Mutter
erhält - neben einem gesetzlich zu bestellenden Pfleger oder
Vormund - nur die Nebengewalt.)
III. Gewährung der elterlichen Gewalt auch für die un-
eheliche Mutter [event. unter Zuordnung eines Beistandes] und
gerechtere Normierung der Unterhaltspflicht des unehelichen
Vaters seinem Kinde gegenüber1).

Freiherr von Stumm-Halberg - ein Mann also,
dem sicher niemand allzu fortschrittliche Gesinnung zuschreiben
wird - war es, der für die unter I formulierten Wünsche nach

1) Vergl. hierzu Marie Stritt, Rechtskämpfe, im Handbuch der
Frauenbewegung. Teil II. S. 146.

sächlich geschieht das schon oft – von Gerichtswegen zum Vor-
mund auch fremder Kinder bestellt werden kann.

Sonst aber, wie gesagt, blieb vieles beim Alten. Und
wie verletzend mußte auf die Frauen, die man von jeder Ein-
wirkung auf die Gestaltung des so tief in ihr Leben eingrei-
fenden Gesetzes ausschloß, die Art und Weise wirken, mit der
die Volksvertreter das Familienrecht z. T. unter Heiterkeit der
Versammlung im Sturmschritte durchpeitschten!

Was die Frauen wünschten war im wesentlichen folgendes:
I. Aufhebung des ausschließlichen Nutzungs- und Verwal-
tungsrechtes des Mannes am Vermögen der Ehefrau [in § 1363
und den folgenden §§] und Einführung der Gütertren-
nung als gesetzliches Güterrecht
.
II. Erteilung der elterlichen Gewalt an die Mutter in
Gemeinschaft und in gleichem Umfange mit dem Vater. (Sie
hat wohl eine Nebengewalt, bei Meinungsverschiedenheiten
entscheidet jedoch immer der Vater. Jst der Vater rechtlich
behindert
– durch Entmündigung wegen Geisteskrankheit,
Geistesschwäche, Verschwendungssucht, Trunksucht – so verbleibt
ihm trotzdem die Sorge für die Person des Kindes. Die Mutter
erhält – neben einem gesetzlich zu bestellenden Pfleger oder
Vormund – nur die Nebengewalt.)
III. Gewährung der elterlichen Gewalt auch für die un-
eheliche Mutter [event. unter Zuordnung eines Beistandes] und
gerechtere Normierung der Unterhaltspflicht des unehelichen
Vaters seinem Kinde gegenüber1).

Freiherr von Stumm-Halberg – ein Mann also,
dem sicher niemand allzu fortschrittliche Gesinnung zuschreiben
wird – war es, der für die unter I formulierten Wünsche nach

1) Vergl. hierzu Marie Stritt, Rechtskämpfe, im Handbuch der
Frauenbewegung. Teil II. S. 146.
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[201/0211] sächlich geschieht das schon oft – von Gerichtswegen zum Vor- mund auch fremder Kinder bestellt werden kann. Sonst aber, wie gesagt, blieb vieles beim Alten. Und wie verletzend mußte auf die Frauen, die man von jeder Ein- wirkung auf die Gestaltung des so tief in ihr Leben eingrei- fenden Gesetzes ausschloß, die Art und Weise wirken, mit der die Volksvertreter das Familienrecht z. T. unter Heiterkeit der Versammlung im Sturmschritte durchpeitschten! Was die Frauen wünschten war im wesentlichen folgendes: I. Aufhebung des ausschließlichen Nutzungs- und Verwal- tungsrechtes des Mannes am Vermögen der Ehefrau [in § 1363 und den folgenden §§] und Einführung der Gütertren- nung als gesetzliches Güterrecht. II. Erteilung der elterlichen Gewalt an die Mutter in Gemeinschaft und in gleichem Umfange mit dem Vater. (Sie hat wohl eine Nebengewalt, bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet jedoch immer der Vater. Jst der Vater rechtlich behindert – durch Entmündigung wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Verschwendungssucht, Trunksucht – so verbleibt ihm trotzdem die Sorge für die Person des Kindes. Die Mutter erhält – neben einem gesetzlich zu bestellenden Pfleger oder Vormund – nur die Nebengewalt.) III. Gewährung der elterlichen Gewalt auch für die un- eheliche Mutter [event. unter Zuordnung eines Beistandes] und gerechtere Normierung der Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters seinem Kinde gegenüber 1). Freiherr von Stumm-Halberg – ein Mann also, dem sicher niemand allzu fortschrittliche Gesinnung zuschreiben wird – war es, der für die unter I formulierten Wünsche nach 1) Vergl. hierzu Marie Stritt, Rechtskämpfe, im Handbuch der Frauenbewegung. Teil II. S. 146.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/211>, abgerufen am 28.04.2024.