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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Stelle der Ehe zu setzen, oder auch Mutterschaft ohne Ehe zu
predigen, verbietet - so lange wir nicht sozialistische Massen-
erziehung als Jdeal ansehen - schon die Rücksicht auf die
Kinder, denen man das Beste im Leben rauben würde, wenn
sie nicht vom eigenen Vater, von der eigenen Mutter ge-
meinsam
erzogen werden dürften. Aber auch dem Manne
und noch viel mehr der Frau böten wechselnde, ständig zu
lösende Verhältnisse kein Glück. Unsern germanischen Volks-
stämmen ist nicht umsonst der Begriff Treue allzeit der höchste,
heiligste Begriff gewesen. Treue freilich nur auf einem
Grunde aufgebaut: nur dein selbstgewählten Herrn, dem selbst-
gewählten Freunde, dem selbsterrungenen Glauben, der selbst-
übernommenen Pflicht haben wir Deutsche stets Treue erwiesen.
Aufzwingen lassen wir uns keinen Herrn und keinen Glauben,
keine Pflicht und keine Lebensanschauung. Darin liegt Frei-
heit, bevor wir uns binden.

So sollte es auch in der Ehe sein, haben Mann und Weib
aus freier Wahl, aus lauterem Willen sich die Treue versprochen,
dann gilt es - wenn nicht ganz unglückliche Verhältnisse zer-
rüttend einwirken - die Treue zu halten, unbedingt, bis daß
der Tod sie scheidet. Dafür tauschen wir eins ein, was gerade
in unserer immer mehr hastenden, immer schneller lebenden
Zeit etwas überaus Köstliches ist: das Gefühl, in dem Herzen
eines Menschen fest verankert zu sein, an einem Orte
sicher Wurzel geschlagen zu haben, das Gefühl, eine Heimat zu
haben und einem anderen eine Heimat zu bieten, auch wenn
uns das Leben noch so viel hin und her wirft. Jch weiß, daß
manche Menschen Regellosigkeit, Abwechslung lieben, daß es
ihnen ein unerträglicher Gedanke ist, für ihr ganzes Leben fest
an einen anderen Menschen gebunden zu sein. Aber solch festem
Glück, solch tiefem, vollen Genügen wie eine echte Ehe, dieses

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Stelle der Ehe zu setzen, oder auch Mutterschaft ohne Ehe zu
predigen, verbietet – so lange wir nicht sozialistische Massen-
erziehung als Jdeal ansehen – schon die Rücksicht auf die
Kinder, denen man das Beste im Leben rauben würde, wenn
sie nicht vom eigenen Vater, von der eigenen Mutter ge-
meinsam
erzogen werden dürften. Aber auch dem Manne
und noch viel mehr der Frau böten wechselnde, ständig zu
lösende Verhältnisse kein Glück. Unsern germanischen Volks-
stämmen ist nicht umsonst der Begriff Treue allzeit der höchste,
heiligste Begriff gewesen. Treue freilich nur auf einem
Grunde aufgebaut: nur dein selbstgewählten Herrn, dem selbst-
gewählten Freunde, dem selbsterrungenen Glauben, der selbst-
übernommenen Pflicht haben wir Deutsche stets Treue erwiesen.
Aufzwingen lassen wir uns keinen Herrn und keinen Glauben,
keine Pflicht und keine Lebensanschauung. Darin liegt Frei-
heit, bevor wir uns binden.

So sollte es auch in der Ehe sein, haben Mann und Weib
aus freier Wahl, aus lauterem Willen sich die Treue versprochen,
dann gilt es – wenn nicht ganz unglückliche Verhältnisse zer-
rüttend einwirken – die Treue zu halten, unbedingt, bis daß
der Tod sie scheidet. Dafür tauschen wir eins ein, was gerade
in unserer immer mehr hastenden, immer schneller lebenden
Zeit etwas überaus Köstliches ist: das Gefühl, in dem Herzen
eines Menschen fest verankert zu sein, an einem Orte
sicher Wurzel geschlagen zu haben, das Gefühl, eine Heimat zu
haben und einem anderen eine Heimat zu bieten, auch wenn
uns das Leben noch so viel hin und her wirft. Jch weiß, daß
manche Menschen Regellosigkeit, Abwechslung lieben, daß es
ihnen ein unerträglicher Gedanke ist, für ihr ganzes Leben fest
an einen anderen Menschen gebunden zu sein. Aber solch festem
Glück, solch tiefem, vollen Genügen wie eine echte Ehe, dieses

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[195/0205] Stelle der Ehe zu setzen, oder auch Mutterschaft ohne Ehe zu predigen, verbietet – so lange wir nicht sozialistische Massen- erziehung als Jdeal ansehen – schon die Rücksicht auf die Kinder, denen man das Beste im Leben rauben würde, wenn sie nicht vom eigenen Vater, von der eigenen Mutter ge- meinsam erzogen werden dürften. Aber auch dem Manne und noch viel mehr der Frau böten wechselnde, ständig zu lösende Verhältnisse kein Glück. Unsern germanischen Volks- stämmen ist nicht umsonst der Begriff Treue allzeit der höchste, heiligste Begriff gewesen. Treue freilich nur auf einem Grunde aufgebaut: nur dein selbstgewählten Herrn, dem selbst- gewählten Freunde, dem selbsterrungenen Glauben, der selbst- übernommenen Pflicht haben wir Deutsche stets Treue erwiesen. Aufzwingen lassen wir uns keinen Herrn und keinen Glauben, keine Pflicht und keine Lebensanschauung. Darin liegt Frei- heit, bevor wir uns binden. So sollte es auch in der Ehe sein, haben Mann und Weib aus freier Wahl, aus lauterem Willen sich die Treue versprochen, dann gilt es – wenn nicht ganz unglückliche Verhältnisse zer- rüttend einwirken – die Treue zu halten, unbedingt, bis daß der Tod sie scheidet. Dafür tauschen wir eins ein, was gerade in unserer immer mehr hastenden, immer schneller lebenden Zeit etwas überaus Köstliches ist: das Gefühl, in dem Herzen eines Menschen fest verankert zu sein, an einem Orte sicher Wurzel geschlagen zu haben, das Gefühl, eine Heimat zu haben und einem anderen eine Heimat zu bieten, auch wenn uns das Leben noch so viel hin und her wirft. Jch weiß, daß manche Menschen Regellosigkeit, Abwechslung lieben, daß es ihnen ein unerträglicher Gedanke ist, für ihr ganzes Leben fest an einen anderen Menschen gebunden zu sein. Aber solch festem Glück, solch tiefem, vollen Genügen wie eine echte Ehe, dieses 13*

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/205>, abgerufen am 28.04.2024.