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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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schwer es ist, den Trinkunsitten, die nicht nur das Wirts-
hausleben, sondern auch das Gesellschafts- und Familienleben
vergiften, Widerstand zu leisten, sich selbst, die Kinder und
das Hauspersonal frei davon zu halten. Es gibt nur noch
wenige Familien besonders in den wohlhabenden Kreisen,
in denen nicht auch Frauen und Kinder gewohnheitsmäßig
alkoholische Getränke genießen.

Die Alkoholfrage kann um so weniger nur als Sache des
Mannes bezeichnet werden, wenn man bedenkt, wer am schwer-
sten unter den Folgen des Alkoholmißbrauchs leidet. Der
Mann selbst, gesundheitlich und auch finanziell. Aber, so
kann man in den meisten Fällen wohl sagen, leidet er, so trägt
er selbst die Schuld daran. Die Frau aber treffen die Folgen
unserer Trinkunsitten, auch wenn sie selbst nicht daran teil-
nimmt. Als Hausfrau und Gattin hat sie zu leiden, als
Mutter eines infolge des Alkoholmißbrauches des Vaters
degenerierenden Geschlechtes1). Daß das früher fast durch-
gehend zu findende Abstinententum der Mütter - weit größere
Mäßigkeit zum mindesten - auch in Frauenkreisen gewohn-
heitsmäßigem Trinken Platz gemacht hat, macht solche Degene-
rationserscheinungen doppelt bedrohlich. Das Erbe einer ent-
haltsamen Mutter paralysiert nicht mehr das verhängnisvolle
Erbe des gewohnheitsmäßig trinkenden Vaters. Die erbliche
Belastung muß doppelt wirken, wenn Vater und Mutter
Alkohol-Konsumenten sind.

1) Wurde doch beispielsweise konstatiert, daß unter 300 blöd-
sinnigen Kindern, deren Eltern inbezug auf ihren Gesundheitszu-
stand und ihre Lebensweise genau untersucht wurden, 145 sich be
fanden, deren Eltern Gewohnheitstrinker waren. Vergl. Bunge,
Die Alkoholfrage. - Auch die zunehmende Unfähigkeit der Frauen
ihre Kinder selbst zu stillen, führt Bunge - an der Hand statistischer
Nachweise - auf Alkoholgenuß ihrer Väter zurück.

schwer es ist, den Trinkunsitten, die nicht nur das Wirts-
hausleben, sondern auch das Gesellschafts- und Familienleben
vergiften, Widerstand zu leisten, sich selbst, die Kinder und
das Hauspersonal frei davon zu halten. Es gibt nur noch
wenige Familien besonders in den wohlhabenden Kreisen,
in denen nicht auch Frauen und Kinder gewohnheitsmäßig
alkoholische Getränke genießen.

Die Alkoholfrage kann um so weniger nur als Sache des
Mannes bezeichnet werden, wenn man bedenkt, wer am schwer-
sten unter den Folgen des Alkoholmißbrauchs leidet. Der
Mann selbst, gesundheitlich und auch finanziell. Aber, so
kann man in den meisten Fällen wohl sagen, leidet er, so trägt
er selbst die Schuld daran. Die Frau aber treffen die Folgen
unserer Trinkunsitten, auch wenn sie selbst nicht daran teil-
nimmt. Als Hausfrau und Gattin hat sie zu leiden, als
Mutter eines infolge des Alkoholmißbrauches des Vaters
degenerierenden Geschlechtes1). Daß das früher fast durch-
gehend zu findende Abstinententum der Mütter – weit größere
Mäßigkeit zum mindesten – auch in Frauenkreisen gewohn-
heitsmäßigem Trinken Platz gemacht hat, macht solche Degene-
rationserscheinungen doppelt bedrohlich. Das Erbe einer ent-
haltsamen Mutter paralysiert nicht mehr das verhängnisvolle
Erbe des gewohnheitsmäßig trinkenden Vaters. Die erbliche
Belastung muß doppelt wirken, wenn Vater und Mutter
Alkohol-Konsumenten sind.

1) Wurde doch beispielsweise konstatiert, daß unter 300 blöd-
sinnigen Kindern, deren Eltern inbezug auf ihren Gesundheitszu-
stand und ihre Lebensweise genau untersucht wurden, 145 sich be
fanden, deren Eltern Gewohnheitstrinker waren. Vergl. Bunge,
Die Alkoholfrage. – Auch die zunehmende Unfähigkeit der Frauen
ihre Kinder selbst zu stillen, führt Bunge – an der Hand statistischer
Nachweise – auf Alkoholgenuß ihrer Väter zurück.
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[166/0176] schwer es ist, den Trinkunsitten, die nicht nur das Wirts- hausleben, sondern auch das Gesellschafts- und Familienleben vergiften, Widerstand zu leisten, sich selbst, die Kinder und das Hauspersonal frei davon zu halten. Es gibt nur noch wenige Familien besonders in den wohlhabenden Kreisen, in denen nicht auch Frauen und Kinder gewohnheitsmäßig alkoholische Getränke genießen. Die Alkoholfrage kann um so weniger nur als Sache des Mannes bezeichnet werden, wenn man bedenkt, wer am schwer- sten unter den Folgen des Alkoholmißbrauchs leidet. Der Mann selbst, gesundheitlich und auch finanziell. Aber, so kann man in den meisten Fällen wohl sagen, leidet er, so trägt er selbst die Schuld daran. Die Frau aber treffen die Folgen unserer Trinkunsitten, auch wenn sie selbst nicht daran teil- nimmt. Als Hausfrau und Gattin hat sie zu leiden, als Mutter eines infolge des Alkoholmißbrauches des Vaters degenerierenden Geschlechtes 1). Daß das früher fast durch- gehend zu findende Abstinententum der Mütter – weit größere Mäßigkeit zum mindesten – auch in Frauenkreisen gewohn- heitsmäßigem Trinken Platz gemacht hat, macht solche Degene- rationserscheinungen doppelt bedrohlich. Das Erbe einer ent- haltsamen Mutter paralysiert nicht mehr das verhängnisvolle Erbe des gewohnheitsmäßig trinkenden Vaters. Die erbliche Belastung muß doppelt wirken, wenn Vater und Mutter Alkohol-Konsumenten sind. 1) Wurde doch beispielsweise konstatiert, daß unter 300 blöd- sinnigen Kindern, deren Eltern inbezug auf ihren Gesundheitszu- stand und ihre Lebensweise genau untersucht wurden, 145 sich be fanden, deren Eltern Gewohnheitstrinker waren. Vergl. Bunge, Die Alkoholfrage. – Auch die zunehmende Unfähigkeit der Frauen ihre Kinder selbst zu stillen, führt Bunge – an der Hand statistischer Nachweise – auf Alkoholgenuß ihrer Väter zurück.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/176>, abgerufen am 03.05.2024.