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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Kinder mit untergraben, das Leben, das der Mann vor der
Ehe geführt hat, prägt doch seinen Stempel auf. Wohl wissen
wir, daß manche tapfer und ungefährdet hindurch gehen, daß
andere wiederum nur vorübergehend straucheln und fallen,
daß sie sich wieder aufraffen, um wieder starke, frohe, reine
Menschen zu werden. Allzuvielen aber merkt man es ihr
Leben lang an, selbst noch in Amt und Würden, wie gern
sie sich und ihre Gedanken durch den Schmutz ziehen. Wie
aber soll ein Staat gedeihen, was nützen ihm die bestgemein-
testen Gesetze, was hilft ihm wohlmeinendes Schützen und
Erziehen und Sorgen, wenn unreine Hände die Macht, die
er verleiht, mit handhaben dürfen? Der Tiefstand auf sitt-
lichem Gebiet ist gerade in den Kreisen, die die führenden
sein sollten - so viel man es auch ableugnet und zu ver-
heimlichen sucht - ein großer. Der Prozentsatz der geschlecht-
lich Erkrankten redet allein eine erschreckende Sprache. Auf
8 % Arbeiter, die in Berlin geschlechtlich erkrankt waren,
kamen 25 % Studenten. Aehnlich an anderen Universitäten.
Nur die von Aerzten behandelten Kranken, nicht die in
Kurpfuscherhänden befindlichen, sind dabei berechnet. Und
nicht alle Aerzte haben Auskunft gegeben. Die Zahl der
Kranken wird in Wirklichkeit also noch eine bedeutend größere
sein. Der Absatz der radikale Heilung verschwiegener Krank-
heiten versprechenden Schriften und Bücher spricht eine er-
schreckende Sprache. Und doch rekrutiert sich aus studentischen
Kreisen die Beamtenschaft unseres Landes und doch hängt von
der Höhe der sittlichen Anschauungen in Parlament und Re-
gierung auch die Stellung der Frau ab, die dem
Gesetz unterworfen wird, wie der Mann es
ihr formt
.

Eigeninteresse also, aber ebensosehr Mutterinstinkte, Mut-

Krukenberg, Frauenbewegung. 10

Kinder mit untergraben, das Leben, das der Mann vor der
Ehe geführt hat, prägt doch seinen Stempel auf. Wohl wissen
wir, daß manche tapfer und ungefährdet hindurch gehen, daß
andere wiederum nur vorübergehend straucheln und fallen,
daß sie sich wieder aufraffen, um wieder starke, frohe, reine
Menschen zu werden. Allzuvielen aber merkt man es ihr
Leben lang an, selbst noch in Amt und Würden, wie gern
sie sich und ihre Gedanken durch den Schmutz ziehen. Wie
aber soll ein Staat gedeihen, was nützen ihm die bestgemein-
testen Gesetze, was hilft ihm wohlmeinendes Schützen und
Erziehen und Sorgen, wenn unreine Hände die Macht, die
er verleiht, mit handhaben dürfen? Der Tiefstand auf sitt-
lichem Gebiet ist gerade in den Kreisen, die die führenden
sein sollten – so viel man es auch ableugnet und zu ver-
heimlichen sucht – ein großer. Der Prozentsatz der geschlecht-
lich Erkrankten redet allein eine erschreckende Sprache. Auf
8 % Arbeiter, die in Berlin geschlechtlich erkrankt waren,
kamen 25 % Studenten. Aehnlich an anderen Universitäten.
Nur die von Aerzten behandelten Kranken, nicht die in
Kurpfuscherhänden befindlichen, sind dabei berechnet. Und
nicht alle Aerzte haben Auskunft gegeben. Die Zahl der
Kranken wird in Wirklichkeit also noch eine bedeutend größere
sein. Der Absatz der radikale Heilung verschwiegener Krank-
heiten versprechenden Schriften und Bücher spricht eine er-
schreckende Sprache. Und doch rekrutiert sich aus studentischen
Kreisen die Beamtenschaft unseres Landes und doch hängt von
der Höhe der sittlichen Anschauungen in Parlament und Re-
gierung auch die Stellung der Frau ab, die dem
Gesetz unterworfen wird, wie der Mann es
ihr formt
.

Eigeninteresse also, aber ebensosehr Mutterinstinkte, Mut-

Krukenberg, Frauenbewegung. 10
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[145/0155] Kinder mit untergraben, das Leben, das der Mann vor der Ehe geführt hat, prägt doch seinen Stempel auf. Wohl wissen wir, daß manche tapfer und ungefährdet hindurch gehen, daß andere wiederum nur vorübergehend straucheln und fallen, daß sie sich wieder aufraffen, um wieder starke, frohe, reine Menschen zu werden. Allzuvielen aber merkt man es ihr Leben lang an, selbst noch in Amt und Würden, wie gern sie sich und ihre Gedanken durch den Schmutz ziehen. Wie aber soll ein Staat gedeihen, was nützen ihm die bestgemein- testen Gesetze, was hilft ihm wohlmeinendes Schützen und Erziehen und Sorgen, wenn unreine Hände die Macht, die er verleiht, mit handhaben dürfen? Der Tiefstand auf sitt- lichem Gebiet ist gerade in den Kreisen, die die führenden sein sollten – so viel man es auch ableugnet und zu ver- heimlichen sucht – ein großer. Der Prozentsatz der geschlecht- lich Erkrankten redet allein eine erschreckende Sprache. Auf 8 % Arbeiter, die in Berlin geschlechtlich erkrankt waren, kamen 25 % Studenten. Aehnlich an anderen Universitäten. Nur die von Aerzten behandelten Kranken, nicht die in Kurpfuscherhänden befindlichen, sind dabei berechnet. Und nicht alle Aerzte haben Auskunft gegeben. Die Zahl der Kranken wird in Wirklichkeit also noch eine bedeutend größere sein. Der Absatz der radikale Heilung verschwiegener Krank- heiten versprechenden Schriften und Bücher spricht eine er- schreckende Sprache. Und doch rekrutiert sich aus studentischen Kreisen die Beamtenschaft unseres Landes und doch hängt von der Höhe der sittlichen Anschauungen in Parlament und Re- gierung auch die Stellung der Frau ab, die dem Gesetz unterworfen wird, wie der Mann es ihr formt. Eigeninteresse also, aber ebensosehr Mutterinstinkte, Mut- Krukenberg, Frauenbewegung. 10

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/155>, abgerufen am 24.11.2024.