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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufinden. Denn das Sehnen
der Geschlechter zu einander, die Liebe zwischen Mann und
Weib, ist der ursprünglichste, urgewaltigste Trieb, der unsere
Welt - von den Tagen barbarischer Urzeit her bis in unsere
alles Naturgewollte nivellierende Neuzeit hinein - beherrscht
hat. Von der Stärke und Feinfühligkeit, der Gesundheit, der
Reinheit im Liebesempfinden hängt das Glück jedes Einzelnen,
hängt aber auch Kraft und Gedeihen des ganzen Volkes, ins-
besondere der neu heranwachsenden Generation ab.

So ist die Frage nach der Sittlichkeit eines Volkes nicht
nur private Angelegenheit der einzelnen Volksangehörigen,
sondern in höchstem Maße eine Sache der ganzen Gesellschaft.

Wenn wir Frauen uns berufen fühlen, auch hier klärend
und helfend mitzuwirken, so geschieht das, weil wir als Ein-
zelne wie als Gesamtheit, bei jedem Hinaustreten aus dem
Hause wie in unserm stillsten verborgendsten Familienleben
aufs Schwerste betroffen sind von den unhaltbaren Zuständen,
die auf sittlichem Gebiete - unsere Volkskraft erschütternd -
mehr und mehr um sich greifen.

Wir Frauen können nicht länger, wie wir es früher wohl
taten, die Augen schließen, wähnend, daß das, was außerhalb
unseres Hauses vorgeht, uns nichts anginge. Wir wissen es nun,
wie Glück und Gesundheit der Kinder von der Gesundheit und der
Kraft beeinflußt werden, die der Mann mit in die Ehe bringt,
wissen, daß der Frauen Ansehen und Stellung, daß ihr Ein-
fluß in und außer dem Hause, ganz besonders aber ihr Ein-
fluß auf ihre heranwachsenden Söhne, abhängig ist von der
Achtung oder Mißachtung, mit der der Mann dem weiblichen
Geschlecht, nicht nur in der Familie, sondern auch im öffent-
lichen Leben und im Berufsleben, begegnet. Wir wissen, daß
es unmöglich ist, wie das früher geschah, einen Teil der

zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufinden. Denn das Sehnen
der Geschlechter zu einander, die Liebe zwischen Mann und
Weib, ist der ursprünglichste, urgewaltigste Trieb, der unsere
Welt – von den Tagen barbarischer Urzeit her bis in unsere
alles Naturgewollte nivellierende Neuzeit hinein – beherrscht
hat. Von der Stärke und Feinfühligkeit, der Gesundheit, der
Reinheit im Liebesempfinden hängt das Glück jedes Einzelnen,
hängt aber auch Kraft und Gedeihen des ganzen Volkes, ins-
besondere der neu heranwachsenden Generation ab.

So ist die Frage nach der Sittlichkeit eines Volkes nicht
nur private Angelegenheit der einzelnen Volksangehörigen,
sondern in höchstem Maße eine Sache der ganzen Gesellschaft.

Wenn wir Frauen uns berufen fühlen, auch hier klärend
und helfend mitzuwirken, so geschieht das, weil wir als Ein-
zelne wie als Gesamtheit, bei jedem Hinaustreten aus dem
Hause wie in unserm stillsten verborgendsten Familienleben
aufs Schwerste betroffen sind von den unhaltbaren Zuständen,
die auf sittlichem Gebiete – unsere Volkskraft erschütternd –
mehr und mehr um sich greifen.

Wir Frauen können nicht länger, wie wir es früher wohl
taten, die Augen schließen, wähnend, daß das, was außerhalb
unseres Hauses vorgeht, uns nichts anginge. Wir wissen es nun,
wie Glück und Gesundheit der Kinder von der Gesundheit und der
Kraft beeinflußt werden, die der Mann mit in die Ehe bringt,
wissen, daß der Frauen Ansehen und Stellung, daß ihr Ein-
fluß in und außer dem Hause, ganz besonders aber ihr Ein-
fluß auf ihre heranwachsenden Söhne, abhängig ist von der
Achtung oder Mißachtung, mit der der Mann dem weiblichen
Geschlecht, nicht nur in der Familie, sondern auch im öffent-
lichen Leben und im Berufsleben, begegnet. Wir wissen, daß
es unmöglich ist, wie das früher geschah, einen Teil der

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[141/0151] zu gemeinsamer Arbeit zusammenzufinden. Denn das Sehnen der Geschlechter zu einander, die Liebe zwischen Mann und Weib, ist der ursprünglichste, urgewaltigste Trieb, der unsere Welt – von den Tagen barbarischer Urzeit her bis in unsere alles Naturgewollte nivellierende Neuzeit hinein – beherrscht hat. Von der Stärke und Feinfühligkeit, der Gesundheit, der Reinheit im Liebesempfinden hängt das Glück jedes Einzelnen, hängt aber auch Kraft und Gedeihen des ganzen Volkes, ins- besondere der neu heranwachsenden Generation ab. So ist die Frage nach der Sittlichkeit eines Volkes nicht nur private Angelegenheit der einzelnen Volksangehörigen, sondern in höchstem Maße eine Sache der ganzen Gesellschaft. Wenn wir Frauen uns berufen fühlen, auch hier klärend und helfend mitzuwirken, so geschieht das, weil wir als Ein- zelne wie als Gesamtheit, bei jedem Hinaustreten aus dem Hause wie in unserm stillsten verborgendsten Familienleben aufs Schwerste betroffen sind von den unhaltbaren Zuständen, die auf sittlichem Gebiete – unsere Volkskraft erschütternd – mehr und mehr um sich greifen. Wir Frauen können nicht länger, wie wir es früher wohl taten, die Augen schließen, wähnend, daß das, was außerhalb unseres Hauses vorgeht, uns nichts anginge. Wir wissen es nun, wie Glück und Gesundheit der Kinder von der Gesundheit und der Kraft beeinflußt werden, die der Mann mit in die Ehe bringt, wissen, daß der Frauen Ansehen und Stellung, daß ihr Ein- fluß in und außer dem Hause, ganz besonders aber ihr Ein- fluß auf ihre heranwachsenden Söhne, abhängig ist von der Achtung oder Mißachtung, mit der der Mann dem weiblichen Geschlecht, nicht nur in der Familie, sondern auch im öffent- lichen Leben und im Berufsleben, begegnet. Wir wissen, daß es unmöglich ist, wie das früher geschah, einen Teil der

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/151>, abgerufen am 02.05.2024.