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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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eine Periode gefolgt, in der sie ihre Zuflucht zu radikalen und
utopischen Reformplänen nahmen. Jhre Gedankenwelt war
beherrscht von dem Wort: "was dich ärgert, das reiße aus".
Sie waren geneigt, die soziale Hilfsarbeit zu verwerfen, weil
es damit zu langsam vorwärts ging für den, der die beste-
henden Zustände als unerträglich erkannt hatte.

Jn dieser Sturm- und Drangperiode war es das Beispiel
und der Einfluß der stetigen harmonischen Arbeit und die ge-
klärte ethische Anschauung der älteren Leiter und Führer, die
den Zweifelnden und Ungestümen die Hand reichten und sie
allmählich zu einer ruhigeren und richtigen Auffassung sozialer
Probleme, zu einer Würdigung des historisch gewordenen Tat-
sachenbestandes hinüberleiteten. Sie halfen uns für die neue
Welt, die wir betraten, auch eine neue, eine eigene Welt-
anschauung zu finden, die uns nunmehr Ziel und
Richtung für unser Tun weist
.

Das wollen wir ihnen nie vergessen!

Das alles gaben uns die Gruppen, und schließlich gaben
sie uns rein äußerlich - die Arbeit. Ein vollgerüttelt Maß,
jedem, der es suchte, der sich davon erfassen lassen wollte. So
gab man uns ein volles, reiches Leben; nicht nur
denen, die dauernd in den Gruppen blieben, sondern auch vielen,
die nur einige Jahre mit uns arbeiteten; denn man lehrte uns
neben der vollen Erfüllung der eigenen persönlichen Lebens-
aufgaben - die viele bald wieder aus unseren Reihen ent-
fernten - einen hilfreichen Einfluß auf den Kreis derer zu
üben, mit denen Schicksal und Leben uns in Berührung bringt.

Wenn es nun einer immer wachsenden Zahl unserer Mit-
glieder gelingt, einen solchen hilfreichen Einfluß zu gewinnen,
und wenn einzelne unserer Mitarbeiterinnen von einem gün-
stigen Stern geleitet werden, der ihnen manchmal bei der

eine Periode gefolgt, in der sie ihre Zuflucht zu radikalen und
utopischen Reformplänen nahmen. Jhre Gedankenwelt war
beherrscht von dem Wort: „was dich ärgert, das reiße aus“.
Sie waren geneigt, die soziale Hilfsarbeit zu verwerfen, weil
es damit zu langsam vorwärts ging für den, der die beste-
henden Zustände als unerträglich erkannt hatte.

Jn dieser Sturm- und Drangperiode war es das Beispiel
und der Einfluß der stetigen harmonischen Arbeit und die ge-
klärte ethische Anschauung der älteren Leiter und Führer, die
den Zweifelnden und Ungestümen die Hand reichten und sie
allmählich zu einer ruhigeren und richtigen Auffassung sozialer
Probleme, zu einer Würdigung des historisch gewordenen Tat-
sachenbestandes hinüberleiteten. Sie halfen uns für die neue
Welt, die wir betraten, auch eine neue, eine eigene Welt-
anschauung zu finden, die uns nunmehr Ziel und
Richtung für unser Tun weist
.

Das wollen wir ihnen nie vergessen!

Das alles gaben uns die Gruppen, und schließlich gaben
sie uns rein äußerlich – die Arbeit. Ein vollgerüttelt Maß,
jedem, der es suchte, der sich davon erfassen lassen wollte. So
gab man uns ein volles, reiches Leben; nicht nur
denen, die dauernd in den Gruppen blieben, sondern auch vielen,
die nur einige Jahre mit uns arbeiteten; denn man lehrte uns
neben der vollen Erfüllung der eigenen persönlichen Lebens-
aufgaben – die viele bald wieder aus unseren Reihen ent-
fernten – einen hilfreichen Einfluß auf den Kreis derer zu
üben, mit denen Schicksal und Leben uns in Berührung bringt.

Wenn es nun einer immer wachsenden Zahl unserer Mit-
glieder gelingt, einen solchen hilfreichen Einfluß zu gewinnen,
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[139/0149] eine Periode gefolgt, in der sie ihre Zuflucht zu radikalen und utopischen Reformplänen nahmen. Jhre Gedankenwelt war beherrscht von dem Wort: „was dich ärgert, das reiße aus“. Sie waren geneigt, die soziale Hilfsarbeit zu verwerfen, weil es damit zu langsam vorwärts ging für den, der die beste- henden Zustände als unerträglich erkannt hatte. Jn dieser Sturm- und Drangperiode war es das Beispiel und der Einfluß der stetigen harmonischen Arbeit und die ge- klärte ethische Anschauung der älteren Leiter und Führer, die den Zweifelnden und Ungestümen die Hand reichten und sie allmählich zu einer ruhigeren und richtigen Auffassung sozialer Probleme, zu einer Würdigung des historisch gewordenen Tat- sachenbestandes hinüberleiteten. Sie halfen uns für die neue Welt, die wir betraten, auch eine neue, eine eigene Welt- anschauung zu finden, die uns nunmehr Ziel und Richtung für unser Tun weist. Das wollen wir ihnen nie vergessen! Das alles gaben uns die Gruppen, und schließlich gaben sie uns rein äußerlich – die Arbeit. Ein vollgerüttelt Maß, jedem, der es suchte, der sich davon erfassen lassen wollte. So gab man uns ein volles, reiches Leben; nicht nur denen, die dauernd in den Gruppen blieben, sondern auch vielen, die nur einige Jahre mit uns arbeiteten; denn man lehrte uns neben der vollen Erfüllung der eigenen persönlichen Lebens- aufgaben – die viele bald wieder aus unseren Reihen ent- fernten – einen hilfreichen Einfluß auf den Kreis derer zu üben, mit denen Schicksal und Leben uns in Berührung bringt. Wenn es nun einer immer wachsenden Zahl unserer Mit- glieder gelingt, einen solchen hilfreichen Einfluß zu gewinnen, und wenn einzelne unserer Mitarbeiterinnen von einem gün- stigen Stern geleitet werden, der ihnen manchmal bei der

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/149>, abgerufen am 08.05.2024.