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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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der Frauennatur Gewalt antat, indem man sie in Ausbildung
und Berufswahl beschränkte und einengte, ihr die Arbeit selbst
auf Gebieten verwehrte, die ihrer ganzen Art durchaus ent-
sprachen - jetzt in das Gegenteil umschlagen wollte. Ver-
kehrt wäre es, wenn man das Eindringen von Frauen in
alle bisher nur von Männern geübte Berufe als Heldentat preisen
und den Erfolg der Frauenbewegung geradezu danach be-
messen wollte, ob es recht vielen Frauen gelungen sei, Männer
aus den von ihnen bisher allein innegehabten Plätzen zu ver-
drängen 1).

Daß solch eine Gefahr nahe liegt, ist leicht erklärlich.
Nahm der Mann sich bisher alle Rechte, wies er die Frau
- auch die schutzlose, hungernde Frau - trotz all ihres Flehens
hartnäckig zurück in ein Heim, das z. T. nur in seinen Phantasie-
gebilden existierte, verweigerte er ihr die Möglichkeit freier
Berufsausbildung, so ist es menschlich verständlich, daß solch
hartes, engherziges Gebahren auch Härte und Engherzigkeit
auf der anderen Seite hervorrief. Hatte der Mann niemals der
Hunderttausende von alleinstehenden Frauen gedacht, hatte er
gedanken- und gewissenlos seine Macht als Gesetzgeber an
erster Stelle zu seinem eigenen Besten gebraucht, warum sollen
die Frauen nun, da die Schranken, in die man sie einengte, end-
lich gefallen, auf den Mann Rücksicht nehmen oder vielleicht
auch auf ihre vom Manne sicher ernährten verheirateten

1) Als Jllustration solcher Richtung diene folgende aus England
stammende Mitteilung: Ein großer Teil der Frauen ist bereits in
Gebiete eingedrungen, die bisher den Männern ausschließlich vor-
behalten zu sein schienen. Es gibt 86 Auktionatorinnen, 6 Archi-
tektinnen, 39 Gerichtsdienerinnen, 316 weibliche Schmiede, 3071
Ziegelstreicherinnen, 3850 Schlächterinnen, 54 Schornsteinfegerinnen,
eine Deckarbeiterin, 5170 weibliche Goldschmiede, 9693 Druckerinnen,
u. s. w., u. s. w.

der Frauennatur Gewalt antat, indem man sie in Ausbildung
und Berufswahl beschränkte und einengte, ihr die Arbeit selbst
auf Gebieten verwehrte, die ihrer ganzen Art durchaus ent-
sprachen – jetzt in das Gegenteil umschlagen wollte. Ver-
kehrt wäre es, wenn man das Eindringen von Frauen in
alle bisher nur von Männern geübte Berufe als Heldentat preisen
und den Erfolg der Frauenbewegung geradezu danach be-
messen wollte, ob es recht vielen Frauen gelungen sei, Männer
aus den von ihnen bisher allein innegehabten Plätzen zu ver-
drängen 1).

Daß solch eine Gefahr nahe liegt, ist leicht erklärlich.
Nahm der Mann sich bisher alle Rechte, wies er die Frau
– auch die schutzlose, hungernde Frau – trotz all ihres Flehens
hartnäckig zurück in ein Heim, das z. T. nur in seinen Phantasie-
gebilden existierte, verweigerte er ihr die Möglichkeit freier
Berufsausbildung, so ist es menschlich verständlich, daß solch
hartes, engherziges Gebahren auch Härte und Engherzigkeit
auf der anderen Seite hervorrief. Hatte der Mann niemals der
Hunderttausende von alleinstehenden Frauen gedacht, hatte er
gedanken- und gewissenlos seine Macht als Gesetzgeber an
erster Stelle zu seinem eigenen Besten gebraucht, warum sollen
die Frauen nun, da die Schranken, in die man sie einengte, end-
lich gefallen, auf den Mann Rücksicht nehmen oder vielleicht
auch auf ihre vom Manne sicher ernährten verheirateten

1) Als Jllustration solcher Richtung diene folgende aus England
stammende Mitteilung: Ein großer Teil der Frauen ist bereits in
Gebiete eingedrungen, die bisher den Männern ausschließlich vor-
behalten zu sein schienen. Es gibt 86 Auktionatorinnen, 6 Archi-
tektinnen, 39 Gerichtsdienerinnen, 316 weibliche Schmiede, 3071
Ziegelstreicherinnen, 3850 Schlächterinnen, 54 Schornsteinfegerinnen,
eine Deckarbeiterin, 5170 weibliche Goldschmiede, 9693 Druckerinnen,
u. s. w., u. s. w.
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[92/0102] der Frauennatur Gewalt antat, indem man sie in Ausbildung und Berufswahl beschränkte und einengte, ihr die Arbeit selbst auf Gebieten verwehrte, die ihrer ganzen Art durchaus ent- sprachen – jetzt in das Gegenteil umschlagen wollte. Ver- kehrt wäre es, wenn man das Eindringen von Frauen in alle bisher nur von Männern geübte Berufe als Heldentat preisen und den Erfolg der Frauenbewegung geradezu danach be- messen wollte, ob es recht vielen Frauen gelungen sei, Männer aus den von ihnen bisher allein innegehabten Plätzen zu ver- drängen 1). Daß solch eine Gefahr nahe liegt, ist leicht erklärlich. Nahm der Mann sich bisher alle Rechte, wies er die Frau – auch die schutzlose, hungernde Frau – trotz all ihres Flehens hartnäckig zurück in ein Heim, das z. T. nur in seinen Phantasie- gebilden existierte, verweigerte er ihr die Möglichkeit freier Berufsausbildung, so ist es menschlich verständlich, daß solch hartes, engherziges Gebahren auch Härte und Engherzigkeit auf der anderen Seite hervorrief. Hatte der Mann niemals der Hunderttausende von alleinstehenden Frauen gedacht, hatte er gedanken- und gewissenlos seine Macht als Gesetzgeber an erster Stelle zu seinem eigenen Besten gebraucht, warum sollen die Frauen nun, da die Schranken, in die man sie einengte, end- lich gefallen, auf den Mann Rücksicht nehmen oder vielleicht auch auf ihre vom Manne sicher ernährten verheirateten 1) Als Jllustration solcher Richtung diene folgende aus England stammende Mitteilung: Ein großer Teil der Frauen ist bereits in Gebiete eingedrungen, die bisher den Männern ausschließlich vor- behalten zu sein schienen. Es gibt 86 Auktionatorinnen, 6 Archi- tektinnen, 39 Gerichtsdienerinnen, 316 weibliche Schmiede, 3071 Ziegelstreicherinnen, 3850 Schlächterinnen, 54 Schornsteinfegerinnen, eine Deckarbeiterin, 5170 weibliche Goldschmiede, 9693 Druckerinnen, u. s. w., u. s. w.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/102>, abgerufen am 23.11.2024.