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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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folgt, den Mädchen durch Fach- und Fortbildungsschulen ver-
schiedenster Art, durch Umgestaltung des Mädchenschulwesens,
Schaffung gymnasialer Anstalten, Eröffnung der Universitäten
Ausbildungsmöglichkeiten zu geben. Wir haben betont, daß
Freiheit der Berufs-Wahl, so weit die Verhältnisse sie gestatten,
Voraussetzung für eine befriedigende, der Eigenart der in Be-
tracht kommenden Frau entsprechende Berufsübung sei. Allein
die Möglichkeit auch unverheiratet ein selbständiges, wohlaus-
gefülltes Leben zu führen, gibt ferner der Frau sichere Ge-
währ bei einer Heirat nur nach Neigung, nach innerem
Triebe wählen zu können, nicht aus rein äußerlichen Neben-
motiven, Rücksicht auf Stellung und Versorgung. Dadurch
allein kann die Ehe, soweit die Frau in Betracht kommt, wie-
der zu dem werden, was allein sie heilig und rein macht: zu
einer Vereinigung zweier sich in aufrichtiger Liebe zugetanen
Menschen.

Von Jnteresse ist es nun vielleicht, zu prüfen und zu er-
wägen, welche Berufe für Frauen wohl beson-
ders geeignet erscheinen
. Daß ihr alle möglichst
ausnahmslos offen stehen sollten, betonte ich schon. Dafür
möchte ich nochmals mit besonderem Nachdruck eintreten. Weil
so allein die Geeignetheit oder Ungeeignetheit der Frau für
diesen oder jenen Beruf praktisch erprobt werden kann, so daß
nicht länger Vorurteil, Voreingenommenheit, menschliche Will-
kür, sondern tatsächlich die Naturanlage der Frau entscheidet.
Ausnahmenaturen sollen auch die Möglichkeit haben, Aus-
nahmewege zu gehen, Ausnahmeberufe zu üben. Größtmög-
liche Freiheit bei der Wahl eines Berufs verbürgt am sichersten
ungehinderte Entfaltung und Verwertung aller vorhandenen
Kräfte.

Verkehrt aber wäre es, wenn man - wie man bisher

folgt, den Mädchen durch Fach- und Fortbildungsschulen ver-
schiedenster Art, durch Umgestaltung des Mädchenschulwesens,
Schaffung gymnasialer Anstalten, Eröffnung der Universitäten
Ausbildungsmöglichkeiten zu geben. Wir haben betont, daß
Freiheit der Berufs-Wahl, so weit die Verhältnisse sie gestatten,
Voraussetzung für eine befriedigende, der Eigenart der in Be-
tracht kommenden Frau entsprechende Berufsübung sei. Allein
die Möglichkeit auch unverheiratet ein selbständiges, wohlaus-
gefülltes Leben zu führen, gibt ferner der Frau sichere Ge-
währ bei einer Heirat nur nach Neigung, nach innerem
Triebe wählen zu können, nicht aus rein äußerlichen Neben-
motiven, Rücksicht auf Stellung und Versorgung. Dadurch
allein kann die Ehe, soweit die Frau in Betracht kommt, wie-
der zu dem werden, was allein sie heilig und rein macht: zu
einer Vereinigung zweier sich in aufrichtiger Liebe zugetanen
Menschen.

Von Jnteresse ist es nun vielleicht, zu prüfen und zu er-
wägen, welche Berufe für Frauen wohl beson-
ders geeignet erscheinen
. Daß ihr alle möglichst
ausnahmslos offen stehen sollten, betonte ich schon. Dafür
möchte ich nochmals mit besonderem Nachdruck eintreten. Weil
so allein die Geeignetheit oder Ungeeignetheit der Frau für
diesen oder jenen Beruf praktisch erprobt werden kann, so daß
nicht länger Vorurteil, Voreingenommenheit, menschliche Will-
kür, sondern tatsächlich die Naturanlage der Frau entscheidet.
Ausnahmenaturen sollen auch die Möglichkeit haben, Aus-
nahmewege zu gehen, Ausnahmeberufe zu üben. Größtmög-
liche Freiheit bei der Wahl eines Berufs verbürgt am sichersten
ungehinderte Entfaltung und Verwertung aller vorhandenen
Kräfte.

Verkehrt aber wäre es, wenn man – wie man bisher

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[91/0101] folgt, den Mädchen durch Fach- und Fortbildungsschulen ver- schiedenster Art, durch Umgestaltung des Mädchenschulwesens, Schaffung gymnasialer Anstalten, Eröffnung der Universitäten Ausbildungsmöglichkeiten zu geben. Wir haben betont, daß Freiheit der Berufs-Wahl, so weit die Verhältnisse sie gestatten, Voraussetzung für eine befriedigende, der Eigenart der in Be- tracht kommenden Frau entsprechende Berufsübung sei. Allein die Möglichkeit auch unverheiratet ein selbständiges, wohlaus- gefülltes Leben zu führen, gibt ferner der Frau sichere Ge- währ bei einer Heirat nur nach Neigung, nach innerem Triebe wählen zu können, nicht aus rein äußerlichen Neben- motiven, Rücksicht auf Stellung und Versorgung. Dadurch allein kann die Ehe, soweit die Frau in Betracht kommt, wie- der zu dem werden, was allein sie heilig und rein macht: zu einer Vereinigung zweier sich in aufrichtiger Liebe zugetanen Menschen. Von Jnteresse ist es nun vielleicht, zu prüfen und zu er- wägen, welche Berufe für Frauen wohl beson- ders geeignet erscheinen. Daß ihr alle möglichst ausnahmslos offen stehen sollten, betonte ich schon. Dafür möchte ich nochmals mit besonderem Nachdruck eintreten. Weil so allein die Geeignetheit oder Ungeeignetheit der Frau für diesen oder jenen Beruf praktisch erprobt werden kann, so daß nicht länger Vorurteil, Voreingenommenheit, menschliche Will- kür, sondern tatsächlich die Naturanlage der Frau entscheidet. Ausnahmenaturen sollen auch die Möglichkeit haben, Aus- nahmewege zu gehen, Ausnahmeberufe zu üben. Größtmög- liche Freiheit bei der Wahl eines Berufs verbürgt am sichersten ungehinderte Entfaltung und Verwertung aller vorhandenen Kräfte. Verkehrt aber wäre es, wenn man – wie man bisher

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/101>, abgerufen am 09.05.2024.