Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Herr v. R. Warum hat aber ihre Fräulein- Tochter den Nebel nicht so gut, ja nicht noch besser, als der Herr Muffel, sehen können? Fr. v. B. Sie ist ja noch lange nicht so erleuch- tet als er. Sie werden doch den Geistli- chen schärfere Augen des Verstandes zu- trauen als andern Leuten. Herr v. R. Ja sie können besser hören und se- hen, als wir, sie haben freylich recht, Frau Schwester. Kein Sonntagskind wird die Gespenster so gut sehen können, als die Geistlichen, wann es nur zu ihren Absichten was beyträgt, dieselben gesehen zu haben. Sie sehen in Cometen, und an- dern ausserordentlichen Erscheinungen, Pest, Hunger, und Blutvergiessen vorher, denn sie erhalten dadurch ihre Gemeine desto besser im Aberglauben, welches ihnen nicht wenig einträgt. Sie sehen und hören in der Welt mehr Böses, als drinnen ist, weil sie zwar gern selbst lasterhaft seyn wollen, aber andere Leute doch noch laster- hafter als sich wünschen, damit sie Mate- rie zu den Predigten behalten - - - Aber, was wird da für ein Lerm? ha! ha! die beyden frommen Herren zanken sich; ist das auch eine Tugend an den Geistlichen, Frau Schwester? Fr. v. B. Sie zanken sich nicht, sie eyfern nur für die Ehre des Himmels. Zehen-
Herr v. R. Warum hat aber ihre Fraͤulein- Tochter den Nebel nicht ſo gut, ja nicht noch beſſer, als der Herr Muffel, ſehen koͤnnen? Fr. v. B. Sie iſt ja noch lange nicht ſo erleuch- tet als er. Sie werden doch den Geiſtli- chen ſchaͤrfere Augen des Verſtandes zu- trauen als andern Leuten. Herr v. R. Ja ſie koͤnnen beſſer hoͤren und ſe- hen, als wir, ſie haben freylich recht, Frau Schweſter. Kein Sonntagskind wird die Geſpenſter ſo gut ſehen koͤnnen, als die Geiſtlichen, wann es nur zu ihren Abſichten was beytraͤgt, dieſelben geſehen zu haben. Sie ſehen in Cometen, und an- dern auſſerordentlichen Erſcheinungen, Peſt, Hunger, und Blutvergieſſen vorher, denn ſie erhalten dadurch ihre Gemeine deſto beſſer im Aberglauben, welches ihnen nicht wenig eintraͤgt. Sie ſehen und hoͤren in der Welt mehr Boͤſes, als drinnen iſt, weil ſie zwar gern ſelbſt laſterhaft ſeyn wollen, aber andere Leute doch noch laſter- hafter als ſich wuͤnſchen, damit ſie Mate- rie zu den Predigten behalten ‒ ‒ ‒ Aber, was wird da fuͤr ein Lerm? ha! ha! die beyden frommen Herren zanken ſich; iſt das auch eine Tugend an den Geiſtlichen, Frau Schweſter? Fr. v. B. Sie zanken ſich nicht, ſie eyfern nur fuͤr die Ehre des Himmels. Zehen-
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Herr v. R. Warum hat aber ihre Fraͤulein-
Tochter den Nebel nicht ſo gut, ja nicht
noch beſſer, als der Herr Muffel, ſehen
koͤnnen?
Fr. v. B. Sie iſt ja noch lange nicht ſo erleuch-
tet als er. Sie werden doch den Geiſtli-
chen ſchaͤrfere Augen des Verſtandes zu-
trauen als andern Leuten.
Herr v. R. Ja ſie koͤnnen beſſer hoͤren und ſe-
hen, als wir, ſie haben freylich recht,
Frau Schweſter. Kein Sonntagskind
wird die Geſpenſter ſo gut ſehen koͤnnen,
als die Geiſtlichen, wann es nur zu ihren
Abſichten was beytraͤgt, dieſelben geſehen
zu haben. Sie ſehen in Cometen, und an-
dern auſſerordentlichen Erſcheinungen, Peſt,
Hunger, und Blutvergieſſen vorher, denn
ſie erhalten dadurch ihre Gemeine deſto
beſſer im Aberglauben, welches ihnen nicht
wenig eintraͤgt. Sie ſehen und hoͤren in
der Welt mehr Boͤſes, als drinnen iſt,
weil ſie zwar gern ſelbſt laſterhaft ſeyn
wollen, aber andere Leute doch noch laſter-
hafter als ſich wuͤnſchen, damit ſie Mate-
rie zu den Predigten behalten ‒ ‒ ‒ Aber,
was wird da fuͤr ein Lerm? ha! ha! die
beyden frommen Herren zanken ſich; iſt
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