Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.nächsten deutschen Postierungen gelangen zu lassen. Dicht vor Ensheim kam mir eine Ulanenpatrouille entgegen. "Halt! Wer sind Sie? Woher? Wohin? Haben Sie keine Franzosen gesehen?" Nein, aber ich habe Wichtiges von ihnen gehört. Nehmen Sie Ihre Brieftasche und schreiben Sie. Und nun diktierte ich ihm, dass General Frossard gestern Abend in Forbach eingetroffen sei mit einem ganzen Armeekorps, welches in und dicht bei Forbach stehe, gab die Nummern einzelner Regimenter an, dazu die Quelle meiner Nachrichten und meinen Namen. Ein Ulan musste die Meldung sofort nach Blieskastell bringen, ich eilte - nachdem ich die Patrouille über ihren ferneren Ritt instruiert hatte - nach St. Ingbert und übergab meine Notizen dem Dragonerrittmeister von Schulenburg, der sie als sehr wichtig sofort telegraphisch weiter meldete. Die Stimmung der kathol. Bevölkerung von St. Ingbert war entschieden antipreussisch und darum den Pranzosen freundlich. Frankreich hielt ja seinen Schild über Rom und der Papst war die morsche Stütze, welche die Kaiserin Eugenie für ihren unfehlbaren Halt hielt. Die einberufenen Reservisten aus St. Ingbert wurden antideutsch bearbeitet und ein solcher rief laut, beim Einrücken in die Kaserne zu Zweibrücken: "vive l'empereur!" Man erzählt sich, dass der die Männer erwartende Offizier nicht weiter als mit einem unfreiwilligen Bade in der Jauchegrube der Chevauxlegers-Stallungen gestraft und so die französischen Sympathien ersäuft habe. Was in St. Ingbert geschehen wäre, wenn die französischen Waffen gesiegt hätten, lässt sich nicht sagen, aber Drohungen gegen uns Protestanten wurden ausgestossen. Man meinte auch offenbar, dass wir uns fürchteten, denn als ich einmal neben einem hoch mit Kisten beladenen Wagen rasch dahin ging, rief mir ein katholischer Bürger zu: Nun, Herr Pfarrer, flüchten Sie Ihre Möbel? Ich erwiederte ihm laut: Bei uns bleibt der Hirt bei seiner Heerde und ausserdem braucht man vor deutschen Soldaten nichts zu flüchten! Indessen war unsere Lage doch sehr besorgniserregend. Die deutschen Heere standen am Rhein und die französischen rückten bereits an die Saar vor. Die schwache Besatzung von nächsten deutschen Postierungen gelangen zu lassen. Dicht vor Ensheim kam mir eine Ulanenpatrouille entgegen. "Halt! Wer sind Sie? Woher? Wohin? Haben Sie keine Franzosen gesehen?" Nein, aber ich habe Wichtiges von ihnen gehört. Nehmen Sie Ihre Brieftasche und schreiben Sie. Und nun diktierte ich ihm, dass General Frossard gestern Abend in Forbach eingetroffen sei mit einem ganzen Armeekorps, welches in und dicht bei Forbach stehe, gab die Nummern einzelner Regimenter an, dazu die Quelle meiner Nachrichten und meinen Namen. Ein Ulan musste die Meldung sofort nach Blieskastell bringen, ich eilte - nachdem ich die Patrouille über ihren ferneren Ritt instruiert hatte - nach St. Ingbert und übergab meine Notizen dem Dragonerrittmeister von Schulenburg, der sie als sehr wichtig sofort telegraphisch weiter meldete. Die Stimmung der kathol. Bevölkerung von St. Ingbert war entschieden antipreussisch und darum den Pranzosen freundlich. Frankreich hielt ja seinen Schild über Rom und der Papst war die morsche Stütze, welche die Kaiserin Eugenie für ihren unfehlbaren Halt hielt. Die einberufenen Reservisten aus St. Ingbert wurden antideutsch bearbeitet und ein solcher rief laut, beim Einrücken in die Kaserne zu Zweibrücken: "vive l'empereur!" Man erzählt sich, dass der die Männer erwartende Offizier nicht weiter als mit einem unfreiwilligen Bade in der Jauchegrube der Chevauxlegers-Stallungen gestraft und so die französischen Sympathien ersäuft habe. Was in St. Ingbert geschehen wäre, wenn die französischen Waffen gesiegt hätten, lässt sich nicht sagen, aber Drohungen gegen uns Protestanten wurden ausgestossen. Man meinte auch offenbar, dass wir uns fürchteten, denn als ich einmal neben einem hoch mit Kisten beladenen Wagen rasch dahin ging, rief mir ein katholischer Bürger zu: Nun, Herr Pfarrer, flüchten Sie Ihre Möbel? Ich erwiederte ihm laut: Bei uns bleibt der Hirt bei seiner Heerde und ausserdem braucht man vor deutschen Soldaten nichts zu flüchten! Indessen war unsere Lage doch sehr besorgniserregend. Die deutschen Heere standen am Rhein und die französischen rückten bereits an die Saar vor. Die schwache Besatzung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0091" n="91"/> nächsten deutschen Postierungen gelangen zu lassen. Dicht vor Ensheim kam mir eine Ulanenpatrouille entgegen. "Halt! Wer sind Sie? Woher? Wohin? Haben Sie keine Franzosen gesehen?" Nein, aber ich habe Wichtiges von ihnen gehört. Nehmen Sie Ihre Brieftasche und schreiben Sie. Und nun diktierte ich ihm, dass General Frossard gestern Abend in Forbach eingetroffen sei mit einem ganzen Armeekorps, welches in und dicht bei Forbach stehe, gab die Nummern einzelner Regimenter an, dazu die Quelle meiner Nachrichten und meinen Namen. Ein Ulan musste die Meldung sofort nach Blieskastell bringen, ich eilte - nachdem ich die Patrouille über ihren ferneren Ritt instruiert hatte - nach St. Ingbert und übergab meine Notizen dem Dragonerrittmeister von Schulenburg, der sie als sehr wichtig sofort telegraphisch weiter meldete.</p> <p>Die Stimmung der kathol. Bevölkerung von St. Ingbert war entschieden antipreussisch und darum den Pranzosen freundlich. Frankreich hielt ja seinen Schild über Rom und der Papst war die morsche Stütze, welche die Kaiserin Eugenie für ihren unfehlbaren Halt hielt. Die einberufenen Reservisten aus St. Ingbert wurden antideutsch bearbeitet und ein solcher rief laut, beim Einrücken in die Kaserne zu Zweibrücken: "vive l'empereur!" Man erzählt sich, dass der die Männer erwartende Offizier nicht weiter als mit einem unfreiwilligen Bade in der Jauchegrube der Chevauxlegers-Stallungen gestraft und so die französischen Sympathien ersäuft habe.</p> <p>Was in St. Ingbert geschehen wäre, wenn die französischen Waffen gesiegt hätten, lässt sich nicht sagen, aber Drohungen gegen uns Protestanten wurden ausgestossen. Man meinte auch offenbar, dass wir uns fürchteten, denn als ich einmal neben einem hoch mit Kisten beladenen Wagen rasch dahin ging, rief mir ein katholischer Bürger zu: Nun, Herr Pfarrer, flüchten Sie Ihre Möbel? Ich erwiederte ihm laut: Bei uns bleibt der Hirt bei seiner Heerde und ausserdem braucht man vor deutschen Soldaten nichts zu flüchten!</p> <p>Indessen war unsere Lage doch sehr besorgniserregend. 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nächsten deutschen Postierungen gelangen zu lassen. Dicht vor Ensheim kam mir eine Ulanenpatrouille entgegen. "Halt! Wer sind Sie? Woher? Wohin? Haben Sie keine Franzosen gesehen?" Nein, aber ich habe Wichtiges von ihnen gehört. Nehmen Sie Ihre Brieftasche und schreiben Sie. Und nun diktierte ich ihm, dass General Frossard gestern Abend in Forbach eingetroffen sei mit einem ganzen Armeekorps, welches in und dicht bei Forbach stehe, gab die Nummern einzelner Regimenter an, dazu die Quelle meiner Nachrichten und meinen Namen. Ein Ulan musste die Meldung sofort nach Blieskastell bringen, ich eilte - nachdem ich die Patrouille über ihren ferneren Ritt instruiert hatte - nach St. Ingbert und übergab meine Notizen dem Dragonerrittmeister von Schulenburg, der sie als sehr wichtig sofort telegraphisch weiter meldete.
Die Stimmung der kathol. Bevölkerung von St. Ingbert war entschieden antipreussisch und darum den Pranzosen freundlich. Frankreich hielt ja seinen Schild über Rom und der Papst war die morsche Stütze, welche die Kaiserin Eugenie für ihren unfehlbaren Halt hielt. Die einberufenen Reservisten aus St. Ingbert wurden antideutsch bearbeitet und ein solcher rief laut, beim Einrücken in die Kaserne zu Zweibrücken: "vive l'empereur!" Man erzählt sich, dass der die Männer erwartende Offizier nicht weiter als mit einem unfreiwilligen Bade in der Jauchegrube der Chevauxlegers-Stallungen gestraft und so die französischen Sympathien ersäuft habe.
Was in St. Ingbert geschehen wäre, wenn die französischen Waffen gesiegt hätten, lässt sich nicht sagen, aber Drohungen gegen uns Protestanten wurden ausgestossen. Man meinte auch offenbar, dass wir uns fürchteten, denn als ich einmal neben einem hoch mit Kisten beladenen Wagen rasch dahin ging, rief mir ein katholischer Bürger zu: Nun, Herr Pfarrer, flüchten Sie Ihre Möbel? Ich erwiederte ihm laut: Bei uns bleibt der Hirt bei seiner Heerde und ausserdem braucht man vor deutschen Soldaten nichts zu flüchten!
Indessen war unsere Lage doch sehr besorgniserregend. Die deutschen Heere standen am Rhein und die französischen rückten bereits an die Saar vor. Die schwache Besatzung von
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