Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Die sichere Erwartung, dass es in der Nähe, zu Zusammenstössen der beiden Armeen kommen werde, drängte zur Errichtung von Lazarethen und einer Sanitätskolonne. Ein Komite nahm die Sache in die Hand. Ein grosses und 4 kleinere Lazarethe konnten mit dem Nöthigsten versehen werden. Zur Pflege wurden Diakonissen, barmherzige Schwestern, Männer, Frauen und Mädchen herangezogen. 3 kleinere Lazarethe mit Diakonissen kamen unter meine spezielle Oberleitung. Die Sanitätskolonne wurde nothdürftig ausgebildet und ausgerüstet, war aber im Stande, ganz nennenswerthe Dienste zu leisten. Indessen hatten die Plänkeleien bei Saarbrücken und weiterhin an der Grenze begonnen. Wir wussten, dass zwischen uns und dem Feind nur ein Regiment Ulanen, beide noch nicht recht auf dem Kriegsfusse, und eine Batterie standen. Sie konnten einen ernsthaften französischen Vorstoss nicht aufhalten. Sonach konnten wir Tag für Tag des Einmarsches der Feinde gewärtig sein. Die Lage war drückend angstvoll, aber man wurde sich derselben kaum recht bewusst vor lauter Geschäften und in der Hoffnung auf raschen Vormarsch der deutschen Truppen. Es kam auch Kavallerie und immer wieder Kavallerie, da und dort errichteten sie ihre Biwaks, auf allen ritten und kreuzten sich ihre Patrouillen. In der Stadt lagen zuerst Ulanen und dann Dragoner. Der berühmte Kavallerieschleier hatte sich über uns ausgebreitet. Französische Deserteure, die über Hunger klagten, und angebliche Spione und Spioninnen wurden eingebracht. Sehr erheiterte die Nachricht, dass an der Blies eine französische Offizierspatrouille, die im Schulhause nach Karten der Pfalz forschte, eine Karte von Palästina als Karte der Pfalz (Palatinat) mitgenommen hatte. Unter den Kriegsvorbereitungen starb mein Freund Bürgermeister Atz in Ensheim. An seinem Grabe musste ich unter allen Umständen stehen, je nach dem Verhalten des katholischen Pfarrers auch das Wort nehmen. Im Trauerhause fehlte Bürgermeister Peter Atz von Forbach; ein Bote meldete, er könne wegen massenhaften Truppeneinmarsches nicht kommen. Den Boten nahm ich vor und fragte ihn gründlich aus, um sofort nach dem Begräbnisse dessen wichtige Mittheilungen an die Die sichere Erwartung, dass es in der Nähe, zu Zusammenstössen der beiden Armeen kommen werde, drängte zur Errichtung von Lazarethen und einer Sanitätskolonne. Ein Komité nahm die Sache in die Hand. Ein grosses und 4 kleinere Lazarethe konnten mit dem Nöthigsten versehen werden. Zur Pflege wurden Diakonissen, barmherzige Schwestern, Männer, Frauen und Mädchen herangezogen. 3 kleinere Lazarethe mit Diakonissen kamen unter meine spezielle Oberleitung. Die Sanitätskolonne wurde nothdürftig ausgebildet und ausgerüstet, war aber im Stande, ganz nennenswerthe Dienste zu leisten. Indessen hatten die Plänkeleien bei Saarbrücken und weiterhin an der Grenze begonnen. Wir wussten, dass zwischen uns und dem Feind nur ein Regiment Ulanen, beide noch nicht recht auf dem Kriegsfusse, und eine Batterie standen. Sie konnten einen ernsthaften französischen Vorstoss nicht aufhalten. Sonach konnten wir Tag für Tag des Einmarsches der Feinde gewärtig sein. Die Lage war drückend angstvoll, aber man wurde sich derselben kaum recht bewusst vor lauter Geschäften und in der Hoffnung auf raschen Vormarsch der deutschen Truppen. Es kam auch Kavallerie und immer wieder Kavallerie, da und dort errichteten sie ihre Biwaks, auf allen ritten und kreuzten sich ihre Patrouillen. In der Stadt lagen zuerst Ulanen und dann Dragoner. Der berühmte Kavallerieschleier hatte sich über uns ausgebreitet. Französische Deserteure, die über Hunger klagten, und angebliche Spione und Spioninnen wurden eingebracht. Sehr erheiterte die Nachricht, dass an der Blies eine französische Offizierspatrouille, die im Schulhause nach Karten der Pfalz forschte, eine Karte von Palästina als Karte der Pfalz (Palatinat) mitgenommen hatte. Unter den Kriegsvorbereitungen starb mein Freund Bürgermeister Atz in Ensheim. An seinem Grabe musste ich unter allen Umständen stehen, je nach dem Verhalten des katholischen Pfarrers auch das Wort nehmen. Im Trauerhause fehlte Bürgermeister Peter Atz von Forbach; ein Bote meldete, er könne wegen massenhaften Truppeneinmarsches nicht kommen. Den Boten nahm ich vor und fragte ihn gründlich aus, um sofort nach dem Begräbnisse dessen wichtige Mittheilungen an die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="90"/> Die sichere Erwartung, dass es in der Nähe, zu Zusammenstössen der beiden Armeen kommen werde, drängte zur Errichtung von Lazarethen und einer Sanitätskolonne. Ein Komité nahm die Sache in die Hand. Ein grosses und 4 kleinere Lazarethe konnten mit dem Nöthigsten versehen werden. Zur Pflege wurden Diakonissen, barmherzige Schwestern, Männer, Frauen und Mädchen herangezogen. 3 kleinere Lazarethe mit Diakonissen kamen unter meine spezielle Oberleitung. Die Sanitätskolonne wurde nothdürftig ausgebildet und ausgerüstet, war aber im Stande, ganz nennenswerthe Dienste zu leisten.</p> <p>Indessen hatten die Plänkeleien bei Saarbrücken und weiterhin an der Grenze begonnen. Wir wussten, dass zwischen uns und dem Feind nur ein Regiment Ulanen, beide noch nicht recht auf dem Kriegsfusse, und eine Batterie standen. Sie konnten einen ernsthaften französischen Vorstoss nicht aufhalten. Sonach konnten wir Tag für Tag des Einmarsches der Feinde gewärtig sein. Die Lage war drückend angstvoll, aber man wurde sich derselben kaum recht bewusst vor lauter Geschäften und in der Hoffnung auf raschen Vormarsch der deutschen Truppen. Es kam auch Kavallerie und immer wieder Kavallerie, da und dort errichteten sie ihre Biwaks, auf allen ritten und kreuzten sich ihre Patrouillen. In der Stadt lagen zuerst Ulanen und dann Dragoner. Der berühmte Kavallerieschleier hatte sich über uns ausgebreitet. Französische Deserteure, die über Hunger klagten, und angebliche Spione und Spioninnen wurden eingebracht. Sehr erheiterte die Nachricht, dass an der Blies eine französische Offizierspatrouille, die im Schulhause nach Karten der Pfalz forschte, eine Karte von Palästina als Karte der Pfalz (Palatinat) mitgenommen hatte.</p> <p>Unter den Kriegsvorbereitungen starb mein Freund Bürgermeister Atz in Ensheim. An seinem Grabe musste ich unter allen Umständen stehen, je nach dem Verhalten des katholischen Pfarrers auch das Wort nehmen. Im Trauerhause fehlte Bürgermeister Peter Atz von Forbach; ein Bote meldete, er könne wegen massenhaften Truppeneinmarsches nicht kommen. Den Boten nahm ich vor und fragte ihn gründlich aus, um sofort nach dem Begräbnisse dessen wichtige Mittheilungen an die </p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0090]
Die sichere Erwartung, dass es in der Nähe, zu Zusammenstössen der beiden Armeen kommen werde, drängte zur Errichtung von Lazarethen und einer Sanitätskolonne. Ein Komité nahm die Sache in die Hand. Ein grosses und 4 kleinere Lazarethe konnten mit dem Nöthigsten versehen werden. Zur Pflege wurden Diakonissen, barmherzige Schwestern, Männer, Frauen und Mädchen herangezogen. 3 kleinere Lazarethe mit Diakonissen kamen unter meine spezielle Oberleitung. Die Sanitätskolonne wurde nothdürftig ausgebildet und ausgerüstet, war aber im Stande, ganz nennenswerthe Dienste zu leisten.
Indessen hatten die Plänkeleien bei Saarbrücken und weiterhin an der Grenze begonnen. Wir wussten, dass zwischen uns und dem Feind nur ein Regiment Ulanen, beide noch nicht recht auf dem Kriegsfusse, und eine Batterie standen. Sie konnten einen ernsthaften französischen Vorstoss nicht aufhalten. Sonach konnten wir Tag für Tag des Einmarsches der Feinde gewärtig sein. Die Lage war drückend angstvoll, aber man wurde sich derselben kaum recht bewusst vor lauter Geschäften und in der Hoffnung auf raschen Vormarsch der deutschen Truppen. Es kam auch Kavallerie und immer wieder Kavallerie, da und dort errichteten sie ihre Biwaks, auf allen ritten und kreuzten sich ihre Patrouillen. In der Stadt lagen zuerst Ulanen und dann Dragoner. Der berühmte Kavallerieschleier hatte sich über uns ausgebreitet. Französische Deserteure, die über Hunger klagten, und angebliche Spione und Spioninnen wurden eingebracht. Sehr erheiterte die Nachricht, dass an der Blies eine französische Offizierspatrouille, die im Schulhause nach Karten der Pfalz forschte, eine Karte von Palästina als Karte der Pfalz (Palatinat) mitgenommen hatte.
Unter den Kriegsvorbereitungen starb mein Freund Bürgermeister Atz in Ensheim. An seinem Grabe musste ich unter allen Umständen stehen, je nach dem Verhalten des katholischen Pfarrers auch das Wort nehmen. Im Trauerhause fehlte Bürgermeister Peter Atz von Forbach; ein Bote meldete, er könne wegen massenhaften Truppeneinmarsches nicht kommen. Den Boten nahm ich vor und fragte ihn gründlich aus, um sofort nach dem Begräbnisse dessen wichtige Mittheilungen an die
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