Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.kamen keine Protestanten, während Juden noch zugelassen wurden. Dass nach dem Auftreten des Zentrums und des Kulturkampfes die Situation noch unerquicklicher wurde ist begreiflich. Persönlich aber fand ich im Grossen und Ganzen während meiner ganzen Wirksamkeit in St. Ingbert katholischerseits Achtung und Vertrauen. Mit der eigenen Gemeinde wuchs ich rasch innig zusammen. Die aus allen Gauen der Pfalz, aus Rheinland, vom Main, aus Oberfranken und vereinzelt aus Sachsen und den alten preussischen Provinzen herstammenden Gemeindeglieder schlossen sich enger zusammen und freuten sich ihres gemeinsamen Glaubens und der Pflege ihres Glaubenslebens. Viel Arbeit und Sorge machten die Schulen. Zu Schnappach war der Lehrer an der dortigen gemischten Schule ein begabter, aber zurückgekommener Mann mit ungeordnetem Haushalte, der keine Achtung genoss und unterrichtlich wenig leistete. Die prot. Schule zu St. Ingbert war neu gegründet und mit einem Schulgehilfen besetzt, der in leichtfertige Gesellschaft gerathen war und sein Amt lässig betrieb. Eines Morgens stürmten ein paar Jungen zu mir herein mit der aufgeregten Meldung: Unser Lehrer ist durchgebrannt! Es war so. In der Nacht waren seine Möbel fortgeschafft worden und er selbst verschwunden. Zunächst übernahm ich selbst den Unterricht, der aus inneren und äusseren Gründen unbedingt fortgeführt werden musste. Und als ich den Regierungsbescheid erhielt, dass für die nächste Zeit keine Lehrkraft zur Verfügung stehe, musste ich wohl oder Übel den regelrechten Unterricht in den 6 Klassen übernehmen, was mich viel Mühe und Arbeit kostete, aber den Kindern und besonders mir selbst gut bekam. Ich lernte mit Kindern umgehen und wurde mit dem praktischen Schulbetriebe gründlich bekannt. Von der geringen Remuneration blieb mir wenig, da ich sie grossentheils zur Vermehrung der dürftigen Lehrmittel verwendete. Viel Freude machte mir der Konfirmandenunterricht, auf den ich mich sorgfältigst vorbereitete und in welchem ich den künftigen Stock der Gemeinde heranzog. Eine solenne Weihnachtsbescherung für die Konfirmanden half die Herzen der Kinder gewinnen. kamen keine Protestanten, während Juden noch zugelassen wurden. Dass nach dem Auftreten des Zentrums und des Kulturkampfes die Situation noch unerquicklicher wurde ist begreiflich. Persönlich aber fand ich im Grossen und Ganzen während meiner ganzen Wirksamkeit in St. Ingbert katholischerseits Achtung und Vertrauen. Mit der eigenen Gemeinde wuchs ich rasch innig zusammen. Die aus allen Gauen der Pfalz, aus Rheinland, vom Main, aus Oberfranken und vereinzelt aus Sachsen und den alten preussischen Provinzen herstammenden Gemeindeglieder schlossen sich enger zusammen und freuten sich ihres gemeinsamen Glaubens und der Pflege ihres Glaubenslebens. Viel Arbeit und Sorge machten die Schulen. Zu Schnappach war der Lehrer an der dortigen gemischten Schule ein begabter, aber zurückgekommener Mann mit ungeordnetem Haushalte, der keine Achtung genoss und unterrichtlich wenig leistete. Die prot. Schule zu St. Ingbert war neu gegründet und mit einem Schulgehilfen besetzt, der in leichtfertige Gesellschaft gerathen war und sein Amt lässig betrieb. Eines Morgens stürmten ein paar Jungen zu mir herein mit der aufgeregten Meldung: Unser Lehrer ist durchgebrannt! Es war so. In der Nacht waren seine Möbel fortgeschafft worden und er selbst verschwunden. Zunächst übernahm ich selbst den Unterricht, der aus inneren und äusseren Gründen unbedingt fortgeführt werden musste. Und als ich den Regierungsbescheid erhielt, dass für die nächste Zeit keine Lehrkraft zur Verfügung stehe, musste ich wohl oder Übel den regelrechten Unterricht in den 6 Klassen übernehmen, was mich viel Mühe und Arbeit kostete, aber den Kindern und besonders mir selbst gut bekam. Ich lernte mit Kindern umgehen und wurde mit dem praktischen Schulbetriebe gründlich bekannt. Von der geringen Remuneration blieb mir wenig, da ich sie grossentheils zur Vermehrung der dürftigen Lehrmittel verwendete. Viel Freude machte mir der Konfirmandenunterricht, auf den ich mich sorgfältigst vorbereitete und in welchem ich den künftigen Stock der Gemeinde heranzog. Eine solenne Weihnachtsbescherung für die Konfirmanden half die Herzen der Kinder gewinnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="50"/> kamen keine Protestanten, während Juden noch zugelassen wurden. Dass nach dem Auftreten des Zentrums und des Kulturkampfes die Situation noch unerquicklicher wurde ist begreiflich. Persönlich aber fand ich im Grossen und Ganzen während meiner ganzen Wirksamkeit in St. Ingbert katholischerseits Achtung und Vertrauen.</p> <p>Mit der eigenen Gemeinde wuchs ich rasch innig zusammen. Die aus allen Gauen der Pfalz, aus Rheinland, vom Main, aus Oberfranken und vereinzelt aus Sachsen und den alten preussischen Provinzen herstammenden Gemeindeglieder schlossen sich enger zusammen und freuten sich ihres gemeinsamen Glaubens und der Pflege ihres Glaubenslebens.</p> <p>Viel Arbeit und Sorge machten die Schulen. Zu Schnappach war der Lehrer an der dortigen gemischten Schule ein begabter, aber zurückgekommener Mann mit ungeordnetem Haushalte, der keine Achtung genoss und unterrichtlich wenig leistete. Die prot. Schule zu St. Ingbert war neu gegründet und mit einem Schulgehilfen besetzt, der in leichtfertige Gesellschaft gerathen war und sein Amt lässig betrieb. Eines Morgens stürmten ein paar Jungen zu mir herein mit der aufgeregten Meldung: Unser Lehrer ist durchgebrannt! Es war so. In der Nacht waren seine Möbel fortgeschafft worden und er selbst verschwunden. Zunächst übernahm ich selbst den Unterricht, der aus inneren und äusseren Gründen unbedingt fortgeführt werden musste. Und als ich den Regierungsbescheid erhielt, dass für die nächste Zeit keine Lehrkraft zur Verfügung stehe, musste ich wohl oder Übel den regelrechten Unterricht in den 6 Klassen übernehmen, was mich viel Mühe und Arbeit kostete, aber den Kindern und besonders mir selbst gut bekam. Ich lernte mit Kindern umgehen und wurde mit dem praktischen Schulbetriebe gründlich bekannt. Von der geringen Remuneration blieb mir wenig, da ich sie grossentheils zur Vermehrung der dürftigen Lehrmittel verwendete.</p> <p>Viel Freude machte mir der Konfirmandenunterricht, auf den ich mich sorgfältigst vorbereitete und in welchem ich den künftigen Stock der Gemeinde heranzog. Eine solenne Weihnachtsbescherung für die Konfirmanden half die Herzen der Kinder gewinnen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0050]
kamen keine Protestanten, während Juden noch zugelassen wurden. Dass nach dem Auftreten des Zentrums und des Kulturkampfes die Situation noch unerquicklicher wurde ist begreiflich. Persönlich aber fand ich im Grossen und Ganzen während meiner ganzen Wirksamkeit in St. Ingbert katholischerseits Achtung und Vertrauen.
Mit der eigenen Gemeinde wuchs ich rasch innig zusammen. Die aus allen Gauen der Pfalz, aus Rheinland, vom Main, aus Oberfranken und vereinzelt aus Sachsen und den alten preussischen Provinzen herstammenden Gemeindeglieder schlossen sich enger zusammen und freuten sich ihres gemeinsamen Glaubens und der Pflege ihres Glaubenslebens.
Viel Arbeit und Sorge machten die Schulen. Zu Schnappach war der Lehrer an der dortigen gemischten Schule ein begabter, aber zurückgekommener Mann mit ungeordnetem Haushalte, der keine Achtung genoss und unterrichtlich wenig leistete. Die prot. Schule zu St. Ingbert war neu gegründet und mit einem Schulgehilfen besetzt, der in leichtfertige Gesellschaft gerathen war und sein Amt lässig betrieb. Eines Morgens stürmten ein paar Jungen zu mir herein mit der aufgeregten Meldung: Unser Lehrer ist durchgebrannt! Es war so. In der Nacht waren seine Möbel fortgeschafft worden und er selbst verschwunden. Zunächst übernahm ich selbst den Unterricht, der aus inneren und äusseren Gründen unbedingt fortgeführt werden musste. Und als ich den Regierungsbescheid erhielt, dass für die nächste Zeit keine Lehrkraft zur Verfügung stehe, musste ich wohl oder Übel den regelrechten Unterricht in den 6 Klassen übernehmen, was mich viel Mühe und Arbeit kostete, aber den Kindern und besonders mir selbst gut bekam. Ich lernte mit Kindern umgehen und wurde mit dem praktischen Schulbetriebe gründlich bekannt. Von der geringen Remuneration blieb mir wenig, da ich sie grossentheils zur Vermehrung der dürftigen Lehrmittel verwendete.
Viel Freude machte mir der Konfirmandenunterricht, auf den ich mich sorgfältigst vorbereitete und in welchem ich den künftigen Stock der Gemeinde heranzog. Eine solenne Weihnachtsbescherung für die Konfirmanden half die Herzen der Kinder gewinnen.
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