Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.wohnenden Gesinnungsgenossen wurde ich bei Missionsfesten, allg. Pastoralkonferenzen und Jahresfesten des Hasslocher Rettungshauses bekannt. Unterdessen wurde in Freinsheim daran gearbeitet, mich von dort wegzubringen. Im Pfarrhause war man mit mir unzufrieden. Es gab zwar keinen Zank, aber allerlei spitze Reden. Im Kasino und in einem Damenkranze beschäftigte man sich mit meinem Verkehr im Retzerschen Hause und suchte denselben zu beschmutzen. Bei dem Dekanatsverweser muss allerlei gegen mich vorgebracht worden sein, denn "sein Angesicht gegen mich war nicht wie gestern und ehegestern". Darum kam es mir sehr gelegen, dass mein Vater andeutete, er werde mich als Vikar brauchen. Ich kam um meine Versetzung nach Zweibrücken ein und erlangte sie. Beim Scheiden erfuhr ich von Gemeindegliedern viel Zeichen der Anhänglichkeit und Dankbarkeit und das Pfarrhaus verehrte mir - den Stoff zu einer schwarzen Tuchweste! Woher dieser Tuchrest stammte, erforschte ich nicht. In Freinsheim hatte ich manches nicht gelernt, was ich von der Amtsführung hätte lernen sollen, aber ich hatte doch predigen gelernt mit Hilfe des Vorbildes guter gedruckter Predigten, die ich studierte und analysierte. Auch war ich im Stande zu predigen, wenn ich nur eine etwas ausgeführte Disposition oder einige Notizen hatte, doch schrieb ich möglichst alle Predigten ausgeführt nieder - und that dies in der Folge regelmässig - nur memorierte ich nicht mehr. Ein zweimaliges Durchlesen des Konzeptes genügte mir, um das Konzept ziemlich wörtlich frei vorzutragen, aber ich band mich nicht mehr an das Manuskript, sondern gestaltete es auf der Kanzel je nach Umständen mehr oder weniger um. Durch die Meditation und sorgfältige schriftliche Ausarbeitung war ich des Stoffes vollständig Herr und konnte mühelos die Form und den Zusammenhang der Gedanken umgestalten. In Zweibrücken trat ich mit dem Mai 1853 als Vikar resp. Pfarrverweser bei meinem Vater ein. Er stand schon länger in ärztlicher Behandlung und sollte auf längere Zeit die Arbeit niederlegen, auch eine Badekur gebrauchen. Diese unfreiwillige Musse benutzte er zu einem längeren Besuche bei wohnenden Gesinnungsgenossen wurde ich bei Missionsfesten, allg. Pastoralkonferenzen und Jahresfesten des Hasslocher Rettungshauses bekannt. Unterdessen wurde in Freinsheim daran gearbeitet, mich von dort wegzubringen. Im Pfarrhause war man mit mir unzufrieden. Es gab zwar keinen Zank, aber allerlei spitze Reden. Im Kasino und in einem Damenkranze beschäftigte man sich mit meinem Verkehr im Retzerschen Hause und suchte denselben zu beschmutzen. Bei dem Dekanatsverweser muss allerlei gegen mich vorgebracht worden sein, denn ”sein Angesicht gegen mich war nicht wie gestern und ehegestern“. Darum kam es mir sehr gelegen, dass mein Vater andeutete, er werde mich als Vikar brauchen. Ich kam um meine Versetzung nach Zweibrücken ein und erlangte sie. Beim Scheiden erfuhr ich von Gemeindegliedern viel Zeichen der Anhänglichkeit und Dankbarkeit und das Pfarrhaus verehrte mir – den Stoff zu einer schwarzen Tuchweste! Woher dieser Tuchrest stammte, erforschte ich nicht. In Freinsheim hatte ich manches nicht gelernt, was ich von der Amtsführung hätte lernen sollen, aber ich hatte doch predigen gelernt mit Hilfe des Vorbildes guter gedruckter Predigten, die ich studierte und analysierte. Auch war ich im Stande zu predigen, wenn ich nur eine etwas ausgeführte Disposition oder einige Notizen hatte, doch schrieb ich möglichst alle Predigten ausgeführt nieder – und that dies in der Folge regelmässig – nur memorierte ich nicht mehr. Ein zweimaliges Durchlesen des Konzeptes genügte mir, um das Konzept ziemlich wörtlich frei vorzutragen, aber ich band mich nicht mehr an das Manuskript, sondern gestaltete es auf der Kanzel je nach Umständen mehr oder weniger um. Durch die Meditation und sorgfältige schriftliche Ausarbeitung war ich des Stoffes vollständig Herr und konnte mühelos die Form und den Zusammenhang der Gedanken umgestalten. In Zweibrücken trat ich mit dem Mai 1853 als Vikar resp. Pfarrverweser bei meinem Vater ein. Er stand schon länger in ärztlicher Behandlung und sollte auf längere Zeit die Arbeit niederlegen, auch eine Badekur gebrauchen. Diese unfreiwillige Musse benutzte er zu einem längeren Besuche bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="43"/> wohnenden Gesinnungsgenossen wurde ich bei Missionsfesten, allg. Pastoralkonferenzen und Jahresfesten des Hasslocher Rettungshauses bekannt.</p> <p>Unterdessen wurde in Freinsheim daran gearbeitet, mich von dort wegzubringen. Im Pfarrhause war man mit mir unzufrieden. Es gab zwar keinen Zank, aber allerlei spitze Reden. Im Kasino und in einem Damenkranze beschäftigte man sich mit meinem Verkehr im Retzerschen Hause und suchte denselben zu beschmutzen. Bei dem Dekanatsverweser muss allerlei gegen mich vorgebracht worden sein, denn ”sein Angesicht gegen mich war nicht wie gestern und ehegestern“. Darum kam es mir sehr gelegen, dass mein Vater andeutete, er werde mich als Vikar brauchen. Ich kam um meine Versetzung nach Zweibrücken ein und erlangte sie. Beim Scheiden erfuhr ich von Gemeindegliedern viel Zeichen der Anhänglichkeit und Dankbarkeit und das Pfarrhaus verehrte mir – den Stoff zu einer schwarzen Tuchweste! Woher dieser Tuchrest stammte, erforschte ich nicht.</p> <p>In Freinsheim hatte ich manches nicht gelernt, was ich von der Amtsführung hätte lernen sollen, aber ich hatte doch predigen gelernt mit Hilfe des Vorbildes guter gedruckter Predigten, die ich studierte und analysierte. Auch war ich im Stande zu predigen, wenn ich nur eine etwas ausgeführte Disposition oder einige Notizen hatte, doch schrieb ich möglichst alle Predigten ausgeführt nieder – und that dies in der Folge regelmässig – nur memorierte ich nicht mehr. Ein zweimaliges Durchlesen des Konzeptes genügte mir, um das Konzept ziemlich wörtlich frei vorzutragen, aber ich band mich nicht mehr an das Manuskript, sondern gestaltete es auf der Kanzel je nach Umständen mehr oder weniger um. Durch die Meditation und sorgfältige schriftliche Ausarbeitung war ich des Stoffes vollständig Herr und konnte mühelos die Form und den Zusammenhang der Gedanken umgestalten.</p> <p>In Zweibrücken trat ich mit dem Mai 1853 als Vikar resp. Pfarrverweser bei meinem Vater ein. Er stand schon länger in ärztlicher Behandlung und sollte auf längere Zeit die Arbeit niederlegen, auch eine Badekur gebrauchen. Diese unfreiwillige Musse benutzte er zu einem längeren Besuche bei </p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0043]
wohnenden Gesinnungsgenossen wurde ich bei Missionsfesten, allg. Pastoralkonferenzen und Jahresfesten des Hasslocher Rettungshauses bekannt.
Unterdessen wurde in Freinsheim daran gearbeitet, mich von dort wegzubringen. Im Pfarrhause war man mit mir unzufrieden. Es gab zwar keinen Zank, aber allerlei spitze Reden. Im Kasino und in einem Damenkranze beschäftigte man sich mit meinem Verkehr im Retzerschen Hause und suchte denselben zu beschmutzen. Bei dem Dekanatsverweser muss allerlei gegen mich vorgebracht worden sein, denn ”sein Angesicht gegen mich war nicht wie gestern und ehegestern“. Darum kam es mir sehr gelegen, dass mein Vater andeutete, er werde mich als Vikar brauchen. Ich kam um meine Versetzung nach Zweibrücken ein und erlangte sie. Beim Scheiden erfuhr ich von Gemeindegliedern viel Zeichen der Anhänglichkeit und Dankbarkeit und das Pfarrhaus verehrte mir – den Stoff zu einer schwarzen Tuchweste! Woher dieser Tuchrest stammte, erforschte ich nicht.
In Freinsheim hatte ich manches nicht gelernt, was ich von der Amtsführung hätte lernen sollen, aber ich hatte doch predigen gelernt mit Hilfe des Vorbildes guter gedruckter Predigten, die ich studierte und analysierte. Auch war ich im Stande zu predigen, wenn ich nur eine etwas ausgeführte Disposition oder einige Notizen hatte, doch schrieb ich möglichst alle Predigten ausgeführt nieder – und that dies in der Folge regelmässig – nur memorierte ich nicht mehr. Ein zweimaliges Durchlesen des Konzeptes genügte mir, um das Konzept ziemlich wörtlich frei vorzutragen, aber ich band mich nicht mehr an das Manuskript, sondern gestaltete es auf der Kanzel je nach Umständen mehr oder weniger um. Durch die Meditation und sorgfältige schriftliche Ausarbeitung war ich des Stoffes vollständig Herr und konnte mühelos die Form und den Zusammenhang der Gedanken umgestalten.
In Zweibrücken trat ich mit dem Mai 1853 als Vikar resp. Pfarrverweser bei meinem Vater ein. Er stand schon länger in ärztlicher Behandlung und sollte auf längere Zeit die Arbeit niederlegen, auch eine Badekur gebrauchen. Diese unfreiwillige Musse benutzte er zu einem längeren Besuche bei
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