Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.In mein 6. Semester fällt eine medizinische Zwischentour, zu der mich mein Hausbursche, der auch in der Caffaria häufig hospitierte, veranlasste. Wir nannten ihn den Babbe (pfälzisch Papa). Er war Chirurg, besass als geprüfter Zögling der früheren Chirurgenschule in Bamberg die Befugnis, gewisse Krankheiten etc. zu behandeln, hatte sich in einem katholischen Orte bei Landau niedergelassen und viel Vertrauen erworben und wollte jetzt als Witwer, um den Quertreibereien des ihn überwachenden Kantonsamtes zu entgehen, nachträglich Medizin studieren und doktorieren. Zu seiner Doktorpromotion hatte er eine Dissertation zu schreiben und mich schon früher gebeten, dieselbe stilistisch zu korrigieren. Da bringt er mir eines Tages ein Heftchen mit Notizen über von ihm behandelte Croup-Fälle (Diphterie), dazu einige medizinische Werke und sagt zu mir: So, da hast Du, was Du zu meiner Dissertation über den Croup brauchst. Alle Vorstellungen und Proteste gegen diese Zumutung, als Babbes alter ego die Dissertation zu schreiben, halfen nichts; ich musste an das Geschäft, vollführte es auch ohne wesentliche Hilfe meines Auftraggebers und die Dissertation ging an die medizinische Fakultät und später gedruckt in die Welt. Ermuthigt durch den Erfolg wurde auf dieselbe Weise noch die Inauguralfrage über den medizinischen Wert des Oleum jecoris oselli (Walfischthran) verabfasst. Die bei der Doktordissertation zu vertheidigenden Thesen wurden mit Hilfe unserer Theologen in tadellosem Latein verfasst, die Opponenten veranlasst, unseren Babbe möglichst nicht zu Wort kommen zu lassen. So kam der neue Doctor medicinae, chirurgiae et atris obstretitiae zur Welt, zahlte seine Sporteln und setzte seine Praxis mit erhöhtem Vertrauen in der Heimath fort. Durch diesen Zwischenfall hatte mein theologisches Studium keine besondere Störung erfahren. Es wurde durch Kommilitonen früherer Semester mehrfach gefördert. Mit solchen schloss ich deren letztes und mein 6. Semester ab durch eine ausgiebige und ereignisreiche Ferienthour, die in der Heimat endete. In mein 6. Semester fällt eine medizinische Zwischentour, zu der mich mein Hausbursche, der auch in der Caffaria häufig hospitierte, veranlasste. Wir nannten ihn den Babbe (pfälzisch Papa). Er war Chirurg, besass als geprüfter Zögling der früheren Chirurgenschule in Bamberg die Befugnis, gewisse Krankheiten etc. zu behandeln, hatte sich in einem katholischen Orte bei Landau niedergelassen und viel Vertrauen erworben und wollte jetzt als Witwer, um den Quertreibereien des ihn überwachenden Kantonsamtes zu entgehen, nachträglich Medizin studieren und doktorieren. Zu seiner Doktorpromotion hatte er eine Dissertation zu schreiben und mich schon früher gebeten, dieselbe stilistisch zu korrigieren. Da bringt er mir eines Tages ein Heftchen mit Notizen über von ihm behandelte Croup-Fälle (Diphterie), dazu einige medizinische Werke und sagt zu mir: So, da hast Du, was Du zu meiner Dissertation über den Croup brauchst. Alle Vorstellungen und Proteste gegen diese Zumutung, als Babbes alter ego die Dissertation zu schreiben, halfen nichts; ich musste an das Geschäft, vollführte es auch ohne wesentliche Hilfe meines Auftraggebers und die Dissertation ging an die medizinische Fakultät und später gedruckt in die Welt. Ermuthigt durch den Erfolg wurde auf dieselbe Weise noch die Inauguralfrage über den medizinischen Wert des Oleum jecoris oselli (Walfischthran) verabfasst. Die bei der Doktordissertation zu vertheidigenden Thesen wurden mit Hilfe unserer Theologen in tadellosem Latein verfasst, die Opponenten veranlasst, unseren Babbe möglichst nicht zu Wort kommen zu lassen. So kam der neue Doctor medicinae, chirurgiae et atris obstretitiae zur Welt, zahlte seine Sporteln und setzte seine Praxis mit erhöhtem Vertrauen in der Heimath fort. Durch diesen Zwischenfall hatte mein theologisches Studium keine besondere Störung erfahren. Es wurde durch Kommilitonen früherer Semester mehrfach gefördert. Mit solchen schloss ich deren letztes und mein 6. Semester ab durch eine ausgiebige und ereignisreiche Ferienthour, die in der Heimat endete. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/> In mein 6. Semester fällt eine medizinische Zwischentour, zu der mich mein Hausbursche, der auch in der Caffaria häufig hospitierte, veranlasste. Wir nannten ihn den Babbe (pfälzisch Papa). Er war Chirurg, besass als geprüfter Zögling der früheren Chirurgenschule in Bamberg die Befugnis, gewisse Krankheiten etc. zu behandeln, hatte sich in einem katholischen Orte bei Landau niedergelassen und viel Vertrauen erworben und wollte jetzt als Witwer, um den Quertreibereien des ihn überwachenden Kantonsamtes zu entgehen, nachträglich Medizin studieren und doktorieren. Zu seiner Doktorpromotion hatte er eine Dissertation zu schreiben und mich schon früher gebeten, dieselbe stilistisch zu korrigieren. Da bringt er mir eines Tages ein Heftchen mit Notizen über von ihm behandelte Croup-Fälle (Diphterie), dazu einige medizinische Werke und sagt zu mir: So, da hast Du, was Du zu meiner Dissertation über den Croup brauchst. Alle Vorstellungen und Proteste gegen diese Zumutung, als Babbes alter ego die Dissertation zu schreiben, halfen nichts; ich musste an das Geschäft, vollführte es auch ohne wesentliche Hilfe meines Auftraggebers und die Dissertation ging an die medizinische Fakultät und später gedruckt in die Welt. Ermuthigt durch den Erfolg wurde auf dieselbe Weise noch die Inauguralfrage über den medizinischen Wert des Oleum jecoris oselli (Walfischthran) verabfasst. Die bei der Doktordissertation zu vertheidigenden Thesen wurden mit Hilfe unserer Theologen in tadellosem Latein verfasst, die Opponenten veranlasst, unseren Babbe möglichst nicht zu Wort kommen zu lassen. So kam der neue Doctor medicinae, chirurgiae et atris obstretitiae zur Welt, zahlte seine Sporteln und setzte seine Praxis mit erhöhtem Vertrauen in der Heimath fort.</p> <p>Durch diesen Zwischenfall hatte mein theologisches Studium keine besondere Störung erfahren. Es wurde durch Kommilitonen früherer Semester mehrfach gefördert. Mit solchen schloss ich deren letztes und mein 6. Semester ab durch eine ausgiebige und ereignisreiche Ferienthour, die in der Heimat endete. </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
In mein 6. Semester fällt eine medizinische Zwischentour, zu der mich mein Hausbursche, der auch in der Caffaria häufig hospitierte, veranlasste. Wir nannten ihn den Babbe (pfälzisch Papa). Er war Chirurg, besass als geprüfter Zögling der früheren Chirurgenschule in Bamberg die Befugnis, gewisse Krankheiten etc. zu behandeln, hatte sich in einem katholischen Orte bei Landau niedergelassen und viel Vertrauen erworben und wollte jetzt als Witwer, um den Quertreibereien des ihn überwachenden Kantonsamtes zu entgehen, nachträglich Medizin studieren und doktorieren. Zu seiner Doktorpromotion hatte er eine Dissertation zu schreiben und mich schon früher gebeten, dieselbe stilistisch zu korrigieren. Da bringt er mir eines Tages ein Heftchen mit Notizen über von ihm behandelte Croup-Fälle (Diphterie), dazu einige medizinische Werke und sagt zu mir: So, da hast Du, was Du zu meiner Dissertation über den Croup brauchst. Alle Vorstellungen und Proteste gegen diese Zumutung, als Babbes alter ego die Dissertation zu schreiben, halfen nichts; ich musste an das Geschäft, vollführte es auch ohne wesentliche Hilfe meines Auftraggebers und die Dissertation ging an die medizinische Fakultät und später gedruckt in die Welt. Ermuthigt durch den Erfolg wurde auf dieselbe Weise noch die Inauguralfrage über den medizinischen Wert des Oleum jecoris oselli (Walfischthran) verabfasst. Die bei der Doktordissertation zu vertheidigenden Thesen wurden mit Hilfe unserer Theologen in tadellosem Latein verfasst, die Opponenten veranlasst, unseren Babbe möglichst nicht zu Wort kommen zu lassen. So kam der neue Doctor medicinae, chirurgiae et atris obstretitiae zur Welt, zahlte seine Sporteln und setzte seine Praxis mit erhöhtem Vertrauen in der Heimath fort.
Durch diesen Zwischenfall hatte mein theologisches Studium keine besondere Störung erfahren. Es wurde durch Kommilitonen früherer Semester mehrfach gefördert. Mit solchen schloss ich deren letztes und mein 6. Semester ab durch eine ausgiebige und ereignisreiche Ferienthour, die in der Heimat endete.
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