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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Schule ist mir die Einübung des Schnurrlautes r... geblieben, bei Seegmüller machte der näselnde Ton, der grosse Eifer und die milden Strafen Eindruck und bei Kraemer dessen Tabakspfeife, die immer während des Unterrichts dampfte ausser wenn gelegentlich das Pfeifenrohr den Bakel (Stock des Schulmeisters) abgab.

Während meiner Schulzeit wurden mannigfache Beschäftigungen, Spiele und Kämpfe geübt. Die Garnison Zweibrücken gab Vorbilder zum Soldaten-Spiel und die im Grunde eintönigen Kavallerieexerzitien hatten wir bald gründlich inne. Eine gefundene Patrone reizte zu Schiessübungen und Feuerwerkversuchen; letztere wurden unterstützt durch den in Ställen und Kellern des Pfarrhauses reichlich vorhandenen Mauersalpeter, der zu Speiteufeln und dergl. verarbeitet wurde. Nur durfte der Vater nichts von Feuer und Rauch merken, sonst gab es Störungen und die eine Tracht Prügel von Zweien, die ich überhaupt erhielt, erging wegen eines Feuerwerks über mich.

Bei den gewöhnlichen Knabenspielen wurden die, bei welchen Bohnen oder Knöpfe gewonnen werden konnten, zur Ansammlung von Messingknöpfen gierig benutzt, denn diese konnten beim Gelbgiesser in Geld verwandelt werden. Ein mit einem Kameraden angesammeltes Kapital von 6 Kreuzern wurde einmal zu einer zwischen Schweineställen und Misthaufen verborgen gefeierten Orgie verwandt, bei der 2 Wecke, eine Knackwurst und ein Glas Bier draufgingen.

Die vielen Bäche und Kanäle um Zweibrücken luden zum Fischfange ein; einmal stürzte ich in der Freude über einen gefangenen Weissfisch in tiefes Wasser und nur eine barmherzig sich darbietende Weidenruthe errettete mich vorm Ertrinken; triefend kam ich heim, aber der Fisch war mein.

Grösstes und häufiges Vergnügen gewährten die Überschwemmungen, welche besonders im Frühjahr die halbe Stadt unter Wasser setzten bis Bachkorrektionen Besserung brachten. Bei "grossem Wasser" war vor allem keine Schule, dazu gab es allerlei Unterhaltung besonders mit

Schule ist mir die Einübung des Schnurrlautes r… geblieben, bei Seegmüller machte der näselnde Ton, der grosse Eifer und die milden Strafen Eindruck und bei Kraemer dessen Tabakspfeife, die immer während des Unterrichts dampfte ausser wenn gelegentlich das Pfeifenrohr den Bakel (Stock des Schulmeisters) abgab.

Während meiner Schulzeit wurden mannigfache Beschäftigungen, Spiele und Kämpfe geübt. Die Garnison Zweibrücken gab Vorbilder zum Soldaten-Spiel und die im Grunde eintönigen Kavallerieexerzitien hatten wir bald gründlich inne. Eine gefundene Patrone reizte zu Schiessübungen und Feuerwerkversuchen; letztere wurden unterstützt durch den in Ställen und Kellern des Pfarrhauses reichlich vorhandenen Mauersalpeter, der zu Speiteufeln und dergl. verarbeitet wurde. Nur durfte der Vater nichts von Feuer und Rauch merken, sonst gab es Störungen und die eine Tracht Prügel von Zweien, die ich überhaupt erhielt, erging wegen eines Feuerwerks über mich.

Bei den gewöhnlichen Knabenspielen wurden die, bei welchen Bohnen oder Knöpfe gewonnen werden konnten, zur Ansammlung von Messingknöpfen gierig benutzt, denn diese konnten beim Gelbgiesser in Geld verwandelt werden. Ein mit einem Kameraden angesammeltes Kapital von 6 Kreuzern wurde einmal zu einer zwischen Schweineställen und Misthaufen verborgen gefeierten Orgie verwandt, bei der 2 Wecke, eine Knackwurst und ein Glas Bier draufgingen.

Die vielen Bäche und Kanäle um Zweibrücken luden zum Fischfange ein; einmal stürzte ich in der Freude über einen gefangenen Weissfisch in tiefes Wasser und nur eine barmherzig sich darbietende Weidenruthe errettete mich vorm Ertrinken; triefend kam ich heim, aber der Fisch war mein.

Grösstes und häufiges Vergnügen gewährten die Überschwemmungen, welche besonders im Frühjahr die halbe Stadt unter Wasser setzten bis Bachkorrektionen Besserung brachten. Bei ”grossem Wasser“ war vor allem keine Schule, dazu gab es allerlei Unterhaltung besonders mit

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[15/0015] Schule ist mir die Einübung des Schnurrlautes r… geblieben, bei Seegmüller machte der näselnde Ton, der grosse Eifer und die milden Strafen Eindruck und bei Kraemer dessen Tabakspfeife, die immer während des Unterrichts dampfte ausser wenn gelegentlich das Pfeifenrohr den Bakel (Stock des Schulmeisters) abgab. Während meiner Schulzeit wurden mannigfache Beschäftigungen, Spiele und Kämpfe geübt. Die Garnison Zweibrücken gab Vorbilder zum Soldaten-Spiel und die im Grunde eintönigen Kavallerieexerzitien hatten wir bald gründlich inne. Eine gefundene Patrone reizte zu Schiessübungen und Feuerwerkversuchen; letztere wurden unterstützt durch den in Ställen und Kellern des Pfarrhauses reichlich vorhandenen Mauersalpeter, der zu Speiteufeln und dergl. verarbeitet wurde. Nur durfte der Vater nichts von Feuer und Rauch merken, sonst gab es Störungen und die eine Tracht Prügel von Zweien, die ich überhaupt erhielt, erging wegen eines Feuerwerks über mich. Bei den gewöhnlichen Knabenspielen wurden die, bei welchen Bohnen oder Knöpfe gewonnen werden konnten, zur Ansammlung von Messingknöpfen gierig benutzt, denn diese konnten beim Gelbgiesser in Geld verwandelt werden. Ein mit einem Kameraden angesammeltes Kapital von 6 Kreuzern wurde einmal zu einer zwischen Schweineställen und Misthaufen verborgen gefeierten Orgie verwandt, bei der 2 Wecke, eine Knackwurst und ein Glas Bier draufgingen. Die vielen Bäche und Kanäle um Zweibrücken luden zum Fischfange ein; einmal stürzte ich in der Freude über einen gefangenen Weissfisch in tiefes Wasser und nur eine barmherzig sich darbietende Weidenruthe errettete mich vorm Ertrinken; triefend kam ich heim, aber der Fisch war mein. Grösstes und häufiges Vergnügen gewährten die Überschwemmungen, welche besonders im Frühjahr die halbe Stadt unter Wasser setzten bis Bachkorrektionen Besserung brachten. Bei ”grossem Wasser“ war vor allem keine Schule, dazu gab es allerlei Unterhaltung besonders mit

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/15>, abgerufen am 25.04.2024.