Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.Johannes Timpe hatte niemals an einen derartigen "Ein stattlicher Kerl bist Du für Dein Alter, das wird Franz Timpe, stolzerfüllt, zog seine beiden Haarbürsten An einem Donnerstag war man wieder im Garten "Ich werde heute früh schlafen gehen," sagte Franz und "Er scheint wirklich in sich zu gehen. Er ist auch gar Es hatte nur dieser Anregung bedurft, um Frau Karoline "Hast Du nicht bemerkt, Vater, wie blaß er aussah?" Der Großvater wollte von dieser Beschäftigung nichts Kretzer, Meister Timpe. 6
Johannes Timpe hatte niemals an einen derartigen „Ein ſtattlicher Kerl biſt Du für Dein Alter, das wird Franz Timpe, ſtolzerfüllt, zog ſeine beiden Haarbürſten An einem Donnerſtag war man wieder im Garten „Ich werde heute früh ſchlafen gehen,“ ſagte Franz und „Er ſcheint wirklich in ſich zu gehen. Er iſt auch gar Es hatte nur dieſer Anregung bedurft, um Frau Karoline „Haſt Du nicht bemerkt, Vater, wie blaß er ausſah?“ Der Großvater wollte von dieſer Beſchäftigung nichts Kretzer, Meiſter Timpe. 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0093" n="81"/> <p>Johannes Timpe hatte niemals an einen derartigen<lb/> Vergleich gedacht, nun aber ließ er ſeinen Blick mit einer<lb/> ganz anderen Aufmerkſamkeit als ſonſt über die Geſtalt ſeines<lb/> Sohnes gleiten und erwiderte ſchmunzelnd:</p><lb/> <p>„Ein ſtattlicher Kerl biſt Du für Dein Alter, das wird<lb/> ſelbſt Moltke nicht beſtreiten können. Du Tauſendſaſſa, Du!“</p><lb/> <p>Franz Timpe, ſtolzerfüllt, zog ſeine beiden Haarbürſten<lb/> hervor und begann ſeine Toilette zu erneuern, diesmal mit<lb/> einer ganz beſonderen Aufmerkſamkeit.</p><lb/> <p>An einem Donnerſtag war man wieder im Garten<lb/> verſammelt.</p><lb/> <p>„Ich werde heute früh ſchlafen gehen,“ ſagte Franz und<lb/> entfernte ſich, während Meiſter Timpe nickte und ſeinem<lb/> Sohne einen vielſagenden Blick zuwarf. So pflegte Timpe<lb/> junior nämlich in der letzen Zeit immer zu ſagen, wenn er<lb/> in Gegenwart des Großvaters einen Vorwand ſuchte, um das<lb/> Haus verlaſſen zu können. Als er fort war, bemerkte Gott¬<lb/> fried Timpe:</p><lb/> <p>„Er ſcheint wirklich in ſich zu gehen. Er iſt auch gar<lb/> nicht mehr ſo vorlaut wie früher. Heute namentlich ſchien<lb/> es, als könne er den Mund nicht aufthun. Schadet auch<lb/> nichts! Leute, die wenig reden, denken mehr.“</p><lb/> <p>Es hatte nur dieſer Anregung bedurft, um Frau Karoline<lb/> ſofort auf das Thema näher eingehen zu laſſen,</p><lb/> <p>„Haſt Du nicht bemerkt, Vater, wie blaß er ausſah?“<lb/> ſagte ſie zu ihrem Manne. „So habe ich ihn noch nie ge¬<lb/> ſehen. Ich glaube gar, der arme Junge arbeitet zu viel im<lb/> Geſchäft“.</p><lb/> <p>Der Großvater wollte von dieſer Beſchäftigung nichts<lb/> wiſſen und fiel ein: „Da haben wir's ja! Das iſt die<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Kretzer</hi>, Meiſter Timpe. 6<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0093]
Johannes Timpe hatte niemals an einen derartigen
Vergleich gedacht, nun aber ließ er ſeinen Blick mit einer
ganz anderen Aufmerkſamkeit als ſonſt über die Geſtalt ſeines
Sohnes gleiten und erwiderte ſchmunzelnd:
„Ein ſtattlicher Kerl biſt Du für Dein Alter, das wird
ſelbſt Moltke nicht beſtreiten können. Du Tauſendſaſſa, Du!“
Franz Timpe, ſtolzerfüllt, zog ſeine beiden Haarbürſten
hervor und begann ſeine Toilette zu erneuern, diesmal mit
einer ganz beſonderen Aufmerkſamkeit.
An einem Donnerſtag war man wieder im Garten
verſammelt.
„Ich werde heute früh ſchlafen gehen,“ ſagte Franz und
entfernte ſich, während Meiſter Timpe nickte und ſeinem
Sohne einen vielſagenden Blick zuwarf. So pflegte Timpe
junior nämlich in der letzen Zeit immer zu ſagen, wenn er
in Gegenwart des Großvaters einen Vorwand ſuchte, um das
Haus verlaſſen zu können. Als er fort war, bemerkte Gott¬
fried Timpe:
„Er ſcheint wirklich in ſich zu gehen. Er iſt auch gar
nicht mehr ſo vorlaut wie früher. Heute namentlich ſchien
es, als könne er den Mund nicht aufthun. Schadet auch
nichts! Leute, die wenig reden, denken mehr.“
Es hatte nur dieſer Anregung bedurft, um Frau Karoline
ſofort auf das Thema näher eingehen zu laſſen,
„Haſt Du nicht bemerkt, Vater, wie blaß er ausſah?“
ſagte ſie zu ihrem Manne. „So habe ich ihn noch nie ge¬
ſehen. Ich glaube gar, der arme Junge arbeitet zu viel im
Geſchäft“.
Der Großvater wollte von dieſer Beſchäftigung nichts
wiſſen und fiel ein: „Da haben wir's ja! Das iſt die
Kretzer, Meiſter Timpe. 6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |