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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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"Er könnte fallen, denn ich benutze ihn nicht mehr."

"Also nur was Ihnen gefällt und nützlich erscheint, hat
bleibenden Werth -- nicht wahr, so meinen Sie? Das wäre
dann sehr egoistisch von Ihnen."

"Gewiß, das muß auch jeder Mensch sein, mein Kind,
falls er zu etwas kommen will im Leben. Immer hübsch
praktisch denken, und nicht schwärmen und mit den Beinen
am Monde kleben. Dann wird die Geschichte schon gehen."

Der das sehr laut sagte und mit diesen Worten wie mit
helltönenden Gewitterschlägen in die Unterhaltung fuhr, war
nicht Timpe junior, sondern Herr Ferdinand Friedrich Urban,
der am Arme seiner Frau Gemahlin gemüthlich aus einem
Seitenweg daher gebummelt kam und die letzte Rede seiner
jüngsten Stieftochter vernommen hatte.

Die jungen Leute waren außerordentlich erschrocken, am
meisten Franz, der beim Anblick der früheren Frau Kirchberg
das Gefühl eines Menschen verspürte, der plötzlich an einem
Orte entdeckt wird, wo er eigentlich nicht hingehört. Jedoch
zog er mit einer Verbeugung sehr tief den Hut und behielt
ihn in der Hand, denn er wagte nicht, ihn sogleich wieder
aufzusetzen. Dabei zeigte er ein Gesicht, das wenig mit seiner
sonstigen Keckheit harmonirte.

Bevor er noch irgend etwas zu seiner Entschuldigung
hervorbringen konnte, hatte ihn sein Chef bereits aus der
Situation gezogen.

"Na Timpe, Sie auch hier? Alte Freundschaft wieder erneuert,
he? Die Geschichte macht sich! Lassen Sie sich nur nicht
stören. Tüchtige Leute weiß ich immer zu schätzen. Bin
neulich auch über die feindliche Grenze geschritten, also Wurst
wider Wurst! . . . . . Uebrigens, liebe Agathe, -- kennst

„Er könnte fallen, denn ich benutze ihn nicht mehr.“

„Alſo nur was Ihnen gefällt und nützlich erſcheint, hat
bleibenden Werth — nicht wahr, ſo meinen Sie? Das wäre
dann ſehr egoiſtiſch von Ihnen.“

„Gewiß, das muß auch jeder Menſch ſein, mein Kind,
falls er zu etwas kommen will im Leben. Immer hübſch
praktiſch denken, und nicht ſchwärmen und mit den Beinen
am Monde kleben. Dann wird die Geſchichte ſchon gehen.“

Der das ſehr laut ſagte und mit dieſen Worten wie mit
helltönenden Gewitterſchlägen in die Unterhaltung fuhr, war
nicht Timpe junior, ſondern Herr Ferdinand Friedrich Urban,
der am Arme ſeiner Frau Gemahlin gemüthlich aus einem
Seitenweg daher gebummelt kam und die letzte Rede ſeiner
jüngſten Stieftochter vernommen hatte.

Die jungen Leute waren außerordentlich erſchrocken, am
meiſten Franz, der beim Anblick der früheren Frau Kirchberg
das Gefühl eines Menſchen verſpürte, der plötzlich an einem
Orte entdeckt wird, wo er eigentlich nicht hingehört. Jedoch
zog er mit einer Verbeugung ſehr tief den Hut und behielt
ihn in der Hand, denn er wagte nicht, ihn ſogleich wieder
aufzuſetzen. Dabei zeigte er ein Geſicht, das wenig mit ſeiner
ſonſtigen Keckheit harmonirte.

Bevor er noch irgend etwas zu ſeiner Entſchuldigung
hervorbringen konnte, hatte ihn ſein Chef bereits aus der
Situation gezogen.

„Na Timpe, Sie auch hier? Alte Freundſchaft wieder erneuert,
he? Die Geſchichte macht ſich! Laſſen Sie ſich nur nicht
ſtören. Tüchtige Leute weiß ich immer zu ſchätzen. Bin
neulich auch über die feindliche Grenze geſchritten, alſo Wurſt
wider Wurſt! . . . . . Uebrigens, liebe Agathe, — kennſt

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[60/0072] „Er könnte fallen, denn ich benutze ihn nicht mehr.“ „Alſo nur was Ihnen gefällt und nützlich erſcheint, hat bleibenden Werth — nicht wahr, ſo meinen Sie? Das wäre dann ſehr egoiſtiſch von Ihnen.“ „Gewiß, das muß auch jeder Menſch ſein, mein Kind, falls er zu etwas kommen will im Leben. Immer hübſch praktiſch denken, und nicht ſchwärmen und mit den Beinen am Monde kleben. Dann wird die Geſchichte ſchon gehen.“ Der das ſehr laut ſagte und mit dieſen Worten wie mit helltönenden Gewitterſchlägen in die Unterhaltung fuhr, war nicht Timpe junior, ſondern Herr Ferdinand Friedrich Urban, der am Arme ſeiner Frau Gemahlin gemüthlich aus einem Seitenweg daher gebummelt kam und die letzte Rede ſeiner jüngſten Stieftochter vernommen hatte. Die jungen Leute waren außerordentlich erſchrocken, am meiſten Franz, der beim Anblick der früheren Frau Kirchberg das Gefühl eines Menſchen verſpürte, der plötzlich an einem Orte entdeckt wird, wo er eigentlich nicht hingehört. Jedoch zog er mit einer Verbeugung ſehr tief den Hut und behielt ihn in der Hand, denn er wagte nicht, ihn ſogleich wieder aufzuſetzen. Dabei zeigte er ein Geſicht, das wenig mit ſeiner ſonſtigen Keckheit harmonirte. Bevor er noch irgend etwas zu ſeiner Entſchuldigung hervorbringen konnte, hatte ihn ſein Chef bereits aus der Situation gezogen. „Na Timpe, Sie auch hier? Alte Freundſchaft wieder erneuert, he? Die Geſchichte macht ſich! Laſſen Sie ſich nur nicht ſtören. Tüchtige Leute weiß ich immer zu ſchätzen. Bin neulich auch über die feindliche Grenze geſchritten, alſo Wurſt wider Wurſt! . . . . . Uebrigens, liebe Agathe, — kennſt

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/72>, abgerufen am 22.11.2024.