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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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im Stillen auf einer Reise, die er kürzlich gemacht hat.
Selbst das Geschäftspersonal hat jetzt erst davon erfahren.
Es soll nämlich extra eine Festlichkeit für uns veranstaltet
werden. Meine alte Feindin wird meine Frau Chef -- ist
das nicht ein Hauptspaß?"

Johannes Timpe war diese Enthüllung so unerwartet
gekommen, daß er zuerst stumm blieb, nur an seiner Mütze
rückte und mit den Fingern der linken Hand über den kurz¬
geschorenen Kinnbart fuhr. Es war das immer ein Zeichen
großer Nachdenklichkeit. Dann erst sagte er langsam:

"Sieh, der Schlauberger! Ein schönes Grundstück da
drüben und was die Hauptsache ist, Frau Kirchberg, jetzt
Frau Urban, soll viel Geld besitzen. Es ist die
alte Geschichte: wo Viel ist, kommt Viel hinzu."

Meister Timpe faßte unter den Brustlatz seiner Schürze,
holte eine mächtig-runde, bemalte Dose hervor und nahm mit
einem "hm, hm" bedächtig eine Prise.

Das sei aber noch nicht alles, berichtete Franz weiter.
Man habe die Absicht, den größten Theil des Gartens zu
Bauterrain umzuwandeln und eine große Fabrik mit den
neuesten Verbesserungen zu errichten.

"Die schönen alten Bäume!" warf Meister Timpe im
Tone des Bedauerns ein, bei dem Gedanken, eines Tages an
Stelle des herrlichen Laubschmuckes kahle Backsteinmauern und
riesige Schornsteine emporragen zu sehen.

"Also Dein Chef will im eigenen Hause fabriziren", sagte
er dann auf's Neue, indem er die Arme über den Knauf des
Spatens kreuzte und vor sich hin blickte. Im Geist vernahm
er bereits das Zischen des Dampfes, das Schnurren und das
Summen der Treibriemen -- jenes eigenthümliche, die Erde

im Stillen auf einer Reiſe, die er kürzlich gemacht hat.
Selbſt das Geſchäftsperſonal hat jetzt erſt davon erfahren.
Es ſoll nämlich extra eine Feſtlichkeit für uns veranſtaltet
werden. Meine alte Feindin wird meine Frau Chef — iſt
das nicht ein Hauptſpaß?“

Johannes Timpe war dieſe Enthüllung ſo unerwartet
gekommen, daß er zuerſt ſtumm blieb, nur an ſeiner Mütze
rückte und mit den Fingern der linken Hand über den kurz¬
geſchorenen Kinnbart fuhr. Es war das immer ein Zeichen
großer Nachdenklichkeit. Dann erſt ſagte er langſam:

„Sieh, der Schlauberger! Ein ſchönes Grundſtück da
drüben und was die Hauptſache iſt, Frau Kirchberg, jetzt
Frau Urban, ſoll viel Geld beſitzen. Es iſt die
alte Geſchichte: wo Viel iſt, kommt Viel hinzu.“

Meiſter Timpe faßte unter den Bruſtlatz ſeiner Schürze,
holte eine mächtig-runde, bemalte Doſe hervor und nahm mit
einem „hm, hm“ bedächtig eine Priſe.

Das ſei aber noch nicht alles, berichtete Franz weiter.
Man habe die Abſicht, den größten Theil des Gartens zu
Bauterrain umzuwandeln und eine große Fabrik mit den
neueſten Verbeſſerungen zu errichten.

„Die ſchönen alten Bäume!“ warf Meiſter Timpe im
Tone des Bedauerns ein, bei dem Gedanken, eines Tages an
Stelle des herrlichen Laubſchmuckes kahle Backſteinmauern und
rieſige Schornſteine emporragen zu ſehen.

„Alſo Dein Chef will im eigenen Hauſe fabriziren“, ſagte
er dann auf's Neue, indem er die Arme über den Knauf des
Spatens kreuzte und vor ſich hin blickte. Im Geiſt vernahm
er bereits das Ziſchen des Dampfes, das Schnurren und das
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[28/0040] im Stillen auf einer Reiſe, die er kürzlich gemacht hat. Selbſt das Geſchäftsperſonal hat jetzt erſt davon erfahren. Es ſoll nämlich extra eine Feſtlichkeit für uns veranſtaltet werden. Meine alte Feindin wird meine Frau Chef — iſt das nicht ein Hauptſpaß?“ Johannes Timpe war dieſe Enthüllung ſo unerwartet gekommen, daß er zuerſt ſtumm blieb, nur an ſeiner Mütze rückte und mit den Fingern der linken Hand über den kurz¬ geſchorenen Kinnbart fuhr. Es war das immer ein Zeichen großer Nachdenklichkeit. Dann erſt ſagte er langſam: „Sieh, der Schlauberger! Ein ſchönes Grundſtück da drüben und was die Hauptſache iſt, Frau Kirchberg, jetzt Frau Urban, ſoll viel Geld beſitzen. Es iſt die alte Geſchichte: wo Viel iſt, kommt Viel hinzu.“ Meiſter Timpe faßte unter den Bruſtlatz ſeiner Schürze, holte eine mächtig-runde, bemalte Doſe hervor und nahm mit einem „hm, hm“ bedächtig eine Priſe. Das ſei aber noch nicht alles, berichtete Franz weiter. Man habe die Abſicht, den größten Theil des Gartens zu Bauterrain umzuwandeln und eine große Fabrik mit den neueſten Verbeſſerungen zu errichten. „Die ſchönen alten Bäume!“ warf Meiſter Timpe im Tone des Bedauerns ein, bei dem Gedanken, eines Tages an Stelle des herrlichen Laubſchmuckes kahle Backſteinmauern und rieſige Schornſteine emporragen zu ſehen. „Alſo Dein Chef will im eigenen Hauſe fabriziren“, ſagte er dann auf's Neue, indem er die Arme über den Knauf des Spatens kreuzte und vor ſich hin blickte. Im Geiſt vernahm er bereits das Ziſchen des Dampfes, das Schnurren und das Summen der Treibriemen — jenes eigenthümliche, die Erde

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/40>, abgerufen am 24.11.2024.