Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

an der Drehbank gestanden, werde mir also erlauben können,
ein Wörtchen über unser Aller Loos mitzureden."

Man sah es ihm an, wie er nach den Worten rang, die
seinen Sätzen den Zusammenhang geben sollten. Es lag eine
gezwungene Ruhe in ihm, die nur des leisesten Anstoßes be¬
durfte, um in Entfesselung überzugehen. Man sah das an
den irrenden Augen, die keinen Ruhepunkt finden konnten, an
der Art und Weise, wie er fortwährend den Arm erhob und
mit der gespreizten Hand gestikulirte, während die andere von
der Tischplatte sich löste.

Er berichtete nun, wie er nach und nach durch Urban
und die Großindustrie zu Grunde gegangen sei. Allmälig
wurde er lebhafter, die Augen bekamen einen erhöhten Glanz,
sein Gesicht röthete sich mehr und mehr, die ganze Gestalt
schien zu wachsen.

"Meine Herren, die Maschinen und die großen Fabriken,
die sind an Allem Schuld . . . die Schwindelkonkurrenz und
die Massenproduktion haben das Handwerk ins Elend ge¬
stürzt . . . . Wer Geld hat, um es auszuhalten, der bleibt
oben, wer aber nur auf seine Kunstfertigkeit vertraut, der
liegt eines Tages unten. Früher gehörten die Handwerker
zu den Stützen des Staates, heute bricht eine nach der
anderen zusammen, ohne daß ein Hahn darnach krähte. Es
ist nicht recht von der Monarchie, daß sie das duldet. Jeder
hergelaufene Schwindler, der nur das Geld dazu besitzt,
kann heut anfangen zu fabriziren, gelernt braucht er nichts
zu haben. Das hat nur der, den er durch seine saubere Kon¬
kurrenz dem Ruine nahe bringt . . ."

Laute Zustimmungen wurden ihm zu Theil, man sah,
wie die Versammelten sich immer mehr für die Wahrheit

an der Drehbank geſtanden, werde mir alſo erlauben können,
ein Wörtchen über unſer Aller Loos mitzureden.“

Man ſah es ihm an, wie er nach den Worten rang, die
ſeinen Sätzen den Zuſammenhang geben ſollten. Es lag eine
gezwungene Ruhe in ihm, die nur des leiſeſten Anſtoßes be¬
durfte, um in Entfeſſelung überzugehen. Man ſah das an
den irrenden Augen, die keinen Ruhepunkt finden konnten, an
der Art und Weiſe, wie er fortwährend den Arm erhob und
mit der geſpreizten Hand geſtikulirte, während die andere von
der Tiſchplatte ſich löſte.

Er berichtete nun, wie er nach und nach durch Urban
und die Großinduſtrie zu Grunde gegangen ſei. Allmälig
wurde er lebhafter, die Augen bekamen einen erhöhten Glanz,
ſein Geſicht röthete ſich mehr und mehr, die ganze Geſtalt
ſchien zu wachſen.

„Meine Herren, die Maſchinen und die großen Fabriken,
die ſind an Allem Schuld . . . die Schwindelkonkurrenz und
die Maſſenproduktion haben das Handwerk ins Elend ge¬
ſtürzt . . . . Wer Geld hat, um es auszuhalten, der bleibt
oben, wer aber nur auf ſeine Kunſtfertigkeit vertraut, der
liegt eines Tages unten. Früher gehörten die Handwerker
zu den Stützen des Staates, heute bricht eine nach der
anderen zuſammen, ohne daß ein Hahn darnach krähte. Es
iſt nicht recht von der Monarchie, daß ſie das duldet. Jeder
hergelaufene Schwindler, der nur das Geld dazu beſitzt,
kann heut anfangen zu fabriziren, gelernt braucht er nichts
zu haben. Das hat nur der, den er durch ſeine ſaubere Kon¬
kurrenz dem Ruine nahe bringt . . .“

Laute Zuſtimmungen wurden ihm zu Theil, man ſah,
wie die Verſammelten ſich immer mehr für die Wahrheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0307" n="295"/>
an der Drehbank ge&#x017F;tanden, werde mir al&#x017F;o erlauben können,<lb/>
ein Wörtchen über un&#x017F;er Aller Loos mitzureden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;ah es ihm an, wie er nach den Worten rang, die<lb/>
&#x017F;einen Sätzen den Zu&#x017F;ammenhang geben &#x017F;ollten. Es lag eine<lb/>
gezwungene Ruhe in ihm, die nur des lei&#x017F;e&#x017F;ten An&#x017F;toßes be¬<lb/>
durfte, um in Entfe&#x017F;&#x017F;elung überzugehen. Man &#x017F;ah das an<lb/>
den irrenden Augen, die keinen Ruhepunkt finden konnten, an<lb/>
der Art und Wei&#x017F;e, wie er fortwährend den Arm erhob und<lb/>
mit der ge&#x017F;preizten Hand ge&#x017F;tikulirte, während die andere von<lb/>
der Ti&#x017F;chplatte &#x017F;ich lö&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Er berichtete nun, wie er nach und nach durch Urban<lb/>
und die Großindu&#x017F;trie zu Grunde gegangen &#x017F;ei. Allmälig<lb/>
wurde er lebhafter, die Augen bekamen einen erhöhten Glanz,<lb/>
&#x017F;ein Ge&#x017F;icht röthete &#x017F;ich mehr und mehr, die ganze Ge&#x017F;talt<lb/>
&#x017F;chien zu wach&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine Herren, die Ma&#x017F;chinen und die großen Fabriken,<lb/>
die &#x017F;ind an Allem Schuld . . . die Schwindelkonkurrenz und<lb/>
die Ma&#x017F;&#x017F;enproduktion haben das Handwerk ins Elend ge¬<lb/>
&#x017F;türzt . . . . Wer Geld hat, um es auszuhalten, der bleibt<lb/>
oben, wer aber nur auf &#x017F;eine Kun&#x017F;tfertigkeit vertraut, der<lb/>
liegt eines Tages unten. Früher gehörten die Handwerker<lb/>
zu den Stützen des Staates, heute bricht eine nach der<lb/>
anderen zu&#x017F;ammen, ohne daß ein Hahn darnach krähte. Es<lb/>
i&#x017F;t nicht recht von der Monarchie, daß &#x017F;ie das duldet. Jeder<lb/>
hergelaufene Schwindler, der nur das Geld dazu be&#x017F;itzt,<lb/>
kann heut anfangen zu fabriziren, gelernt braucht er nichts<lb/>
zu haben. Das hat nur der, den er durch &#x017F;eine &#x017F;aubere Kon¬<lb/>
kurrenz dem Ruine nahe bringt . . .&#x201C;</p><lb/>
        <p>Laute Zu&#x017F;timmungen wurden ihm zu Theil, man &#x017F;ah,<lb/>
wie die Ver&#x017F;ammelten &#x017F;ich immer mehr für die Wahrheit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0307] an der Drehbank geſtanden, werde mir alſo erlauben können, ein Wörtchen über unſer Aller Loos mitzureden.“ Man ſah es ihm an, wie er nach den Worten rang, die ſeinen Sätzen den Zuſammenhang geben ſollten. Es lag eine gezwungene Ruhe in ihm, die nur des leiſeſten Anſtoßes be¬ durfte, um in Entfeſſelung überzugehen. Man ſah das an den irrenden Augen, die keinen Ruhepunkt finden konnten, an der Art und Weiſe, wie er fortwährend den Arm erhob und mit der geſpreizten Hand geſtikulirte, während die andere von der Tiſchplatte ſich löſte. Er berichtete nun, wie er nach und nach durch Urban und die Großinduſtrie zu Grunde gegangen ſei. Allmälig wurde er lebhafter, die Augen bekamen einen erhöhten Glanz, ſein Geſicht röthete ſich mehr und mehr, die ganze Geſtalt ſchien zu wachſen. „Meine Herren, die Maſchinen und die großen Fabriken, die ſind an Allem Schuld . . . die Schwindelkonkurrenz und die Maſſenproduktion haben das Handwerk ins Elend ge¬ ſtürzt . . . . Wer Geld hat, um es auszuhalten, der bleibt oben, wer aber nur auf ſeine Kunſtfertigkeit vertraut, der liegt eines Tages unten. Früher gehörten die Handwerker zu den Stützen des Staates, heute bricht eine nach der anderen zuſammen, ohne daß ein Hahn darnach krähte. Es iſt nicht recht von der Monarchie, daß ſie das duldet. Jeder hergelaufene Schwindler, der nur das Geld dazu beſitzt, kann heut anfangen zu fabriziren, gelernt braucht er nichts zu haben. Das hat nur der, den er durch ſeine ſaubere Kon¬ kurrenz dem Ruine nahe bringt . . .“ Laute Zuſtimmungen wurden ihm zu Theil, man ſah, wie die Verſammelten ſich immer mehr für die Wahrheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/307
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/307>, abgerufen am 06.05.2024.