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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Als Johannes Timpe in der Dämmerung eines Winter¬
tages, wie gewöhnlich mit Frau Karoline am Fens[t]er des
Wohnzimmers sitzend, die Zukunft seines Sohnes fe[s]tgestellt
hatte, war auch sofort der Widerspruch be[m]erkbar
geworden.

"Kaufmann ist Laufmann", hatte die Stimme des Gro߬
vaters sich vernehmen lassen. "Mach' den Jungen zu einem
ordentlichen Handwerker, erziehe ihn zu harter Arbeit, dann
wird er auch stets sein Brod finden, und Euch nicht über die
Köpfe wachsen. Ich will Euch nicht wehe thun, aber der
Junge hat schlechte Seiten. Und was ein Häkchen werden
will, das krümmt sich bei Zeiten."

Damals bereits war das harte Wort von der Zuchtruthe
gefallen, das sich wie eine ewige Mahnung aus dem Munde
des Alten Jahre hindurch fortsetzen sollte.

Hätte Johannes Timpe seinen Vater nicht so lieb gehabt,
nicht das Bewußtsein seiner ewigen Dankbarkeit gegen ihn
mit sich herumgetragen, so würde er über die Hartnäckigkeit,
mit welcher der Greis die wohlmeinenden Pläne des Ehe¬
paars bekämpfte, ernstlich böse geworden sein; aber eingedenk
des Sprichworts, welches alten Leuten eine gewisse Wunder¬
lichkeit zuspricht, verlor er niemals seine Ruhe, versuchte er
so viel als möglich Ulrich Gottfried Timpe milder zu stimmen
und ihn dem Knaben geneigter zu machen. Zum Schluß
brachte er denn immer etwas hervor, was seiner Meinung
nach das Recht auf seine Seite bringen mußte.

"Franz hat eine schwache Brust, er wird schwere Arbeit
nicht ertragen können; für die Drehbank ist er ganz und gar
nicht geschaffen."

Als Johannes Timpe in der Dämmerung eines Winter¬
tages, wie gewöhnlich mit Frau Karoline am Fenſ[t]er des
Wohnzimmers ſitzend, die Zukunft ſeines Sohnes fe[ſ]tgeſtellt
hatte, war auch ſofort der Widerſpruch be[m]erkbar
geworden.

„Kaufmann iſt Laufmann“, hatte die Stimme des Gro߬
vaters ſich vernehmen laſſen. „Mach' den Jungen zu einem
ordentlichen Handwerker, erziehe ihn zu harter Arbeit, dann
wird er auch ſtets ſein Brod finden, und Euch nicht über die
Köpfe wachſen. Ich will Euch nicht wehe thun, aber der
Junge hat ſchlechte Seiten. Und was ein Häkchen werden
will, das krümmt ſich bei Zeiten.“

Damals bereits war das harte Wort von der Zuchtruthe
gefallen, das ſich wie eine ewige Mahnung aus dem Munde
des Alten Jahre hindurch fortſetzen ſollte.

Hätte Johannes Timpe ſeinen Vater nicht ſo lieb gehabt,
nicht das Bewußtſein ſeiner ewigen Dankbarkeit gegen ihn
mit ſich herumgetragen, ſo würde er über die Hartnäckigkeit,
mit welcher der Greis die wohlmeinenden Pläne des Ehe¬
paars bekämpfte, ernſtlich böſe geworden ſein; aber eingedenk
des Sprichworts, welches alten Leuten eine gewiſſe Wunder¬
lichkeit zuſpricht, verlor er niemals ſeine Ruhe, verſuchte er
ſo viel als möglich Ulrich Gottfried Timpe milder zu ſtimmen
und ihn dem Knaben geneigter zu machen. Zum Schluß
brachte er denn immer etwas hervor, was ſeiner Meinung
nach das Recht auf ſeine Seite bringen mußte.

„Franz hat eine ſchwache Bruſt, er wird ſchwere Arbeit
nicht ertragen können; für die Drehbank iſt er ganz und gar
nicht geſchaffen.“

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[16/0028] Als Johannes Timpe in der Dämmerung eines Winter¬ tages, wie gewöhnlich mit Frau Karoline am Fenſter des Wohnzimmers ſitzend, die Zukunft ſeines Sohnes feſtgeſtellt hatte, war auch ſofort der Widerſpruch bemerkbar geworden. „Kaufmann iſt Laufmann“, hatte die Stimme des Gro߬ vaters ſich vernehmen laſſen. „Mach' den Jungen zu einem ordentlichen Handwerker, erziehe ihn zu harter Arbeit, dann wird er auch ſtets ſein Brod finden, und Euch nicht über die Köpfe wachſen. Ich will Euch nicht wehe thun, aber der Junge hat ſchlechte Seiten. Und was ein Häkchen werden will, das krümmt ſich bei Zeiten.“ Damals bereits war das harte Wort von der Zuchtruthe gefallen, das ſich wie eine ewige Mahnung aus dem Munde des Alten Jahre hindurch fortſetzen ſollte. Hätte Johannes Timpe ſeinen Vater nicht ſo lieb gehabt, nicht das Bewußtſein ſeiner ewigen Dankbarkeit gegen ihn mit ſich herumgetragen, ſo würde er über die Hartnäckigkeit, mit welcher der Greis die wohlmeinenden Pläne des Ehe¬ paars bekämpfte, ernſtlich böſe geworden ſein; aber eingedenk des Sprichworts, welches alten Leuten eine gewiſſe Wunder¬ lichkeit zuſpricht, verlor er niemals ſeine Ruhe, verſuchte er ſo viel als möglich Ulrich Gottfried Timpe milder zu ſtimmen und ihn dem Knaben geneigter zu machen. Zum Schluß brachte er denn immer etwas hervor, was ſeiner Meinung nach das Recht auf ſeine Seite bringen mußte. „Franz hat eine ſchwache Bruſt, er wird ſchwere Arbeit nicht ertragen können; für die Drehbank iſt er ganz und gar nicht geſchaffen.“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/28>, abgerufen am 24.11.2024.