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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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meinte er halblaut, aber deutlich genug für Nölte. Der
Klempner ging nun, Brümmer und Deppler wurden beruhigt
und Jamrath war vor dem Verlust zweier seiner besten
Gäste bewahrt.

Und wie in der Kneipe, so besprach man auch in den
Familien die merkwürdige Entdeckung, die man plötzlich bei
Timpe gemacht hatte. Dieser Bezirk hatte noch etwas Klein¬
städtisches an sich. In den alten Häusern wohnten die Miether
Jahrzehnte lang, Hinz und Kunz kannten sich, die Kinder
besuchten dieselbe Schule, und so hatte ein auffallendes Ereigniß
bald die Runde durch die Häuser gemacht. Es mußte natürlich
das größte Aufsehen erregen, daß weder Timpe junior mit
Frau, noch der Letzteren Familie dem Begräbniß beigewohnt
hatten. Man konnte sich das nur durch einen Zwiespalt
zwischen Vater und Sohn erklären. Die ehrenwerthen Bürgers¬
leute, die den Meister nur von der besten Seite kannten,
bedauerten ihn tief. Eines Mittags rief Nölte Thomas
Beyer zu sich herein. Als die Rede auf Timpe kam, glaubte
Beyer nichts mehr verschweigen zu brauchen. Etwas von
des Meisters Haß gegen Urban und Franz war auch auf ihn
übergegangen. Er stellte die Undankbarkeit des Sohnes in
das richtige Licht, erzählte auch, wie Timpe jede Hülfe zurück¬
gewiesen habe und lieber verhungern wolle, ehe er seinem
Sohne den kleinen Finger reiche.

"Er ist durch und durch ein ehrenwerther Charakter,
sein Sohn aber ein Lump, der sich für Geld sehen lassen
müßte," sagte er. "Das moderne Streberthum hat ihn auf
dem Gewissen; aber Timpe hat viel verschuldet, er hat ihn
frühzeitig verhätschelt und ihm in allen Dingen zu großen Willen
gelassen."

Kretzer, Meister Timpe. 17

meinte er halblaut, aber deutlich genug für Nölte. Der
Klempner ging nun, Brümmer und Deppler wurden beruhigt
und Jamrath war vor dem Verluſt zweier ſeiner beſten
Gäſte bewahrt.

Und wie in der Kneipe, ſo beſprach man auch in den
Familien die merkwürdige Entdeckung, die man plötzlich bei
Timpe gemacht hatte. Dieſer Bezirk hatte noch etwas Klein¬
ſtädtiſches an ſich. In den alten Häuſern wohnten die Miether
Jahrzehnte lang, Hinz und Kunz kannten ſich, die Kinder
beſuchten dieſelbe Schule, und ſo hatte ein auffallendes Ereigniß
bald die Runde durch die Häuſer gemacht. Es mußte natürlich
das größte Aufſehen erregen, daß weder Timpe junior mit
Frau, noch der Letzteren Familie dem Begräbniß beigewohnt
hatten. Man konnte ſich das nur durch einen Zwieſpalt
zwiſchen Vater und Sohn erklären. Die ehrenwerthen Bürgers¬
leute, die den Meiſter nur von der beſten Seite kannten,
bedauerten ihn tief. Eines Mittags rief Nölte Thomas
Beyer zu ſich herein. Als die Rede auf Timpe kam, glaubte
Beyer nichts mehr verſchweigen zu brauchen. Etwas von
des Meiſters Haß gegen Urban und Franz war auch auf ihn
übergegangen. Er ſtellte die Undankbarkeit des Sohnes in
das richtige Licht, erzählte auch, wie Timpe jede Hülfe zurück¬
gewieſen habe und lieber verhungern wolle, ehe er ſeinem
Sohne den kleinen Finger reiche.

„Er iſt durch und durch ein ehrenwerther Charakter,
ſein Sohn aber ein Lump, der ſich für Geld ſehen laſſen
müßte,“ ſagte er. „Das moderne Streberthum hat ihn auf
dem Gewiſſen; aber Timpe hat viel verſchuldet, er hat ihn
frühzeitig verhätſchelt und ihm in allen Dingen zu großen Willen
gelaſſen.“

Kretzer, Meiſter Timpe. 17
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[257/0269] meinte er halblaut, aber deutlich genug für Nölte. Der Klempner ging nun, Brümmer und Deppler wurden beruhigt und Jamrath war vor dem Verluſt zweier ſeiner beſten Gäſte bewahrt. Und wie in der Kneipe, ſo beſprach man auch in den Familien die merkwürdige Entdeckung, die man plötzlich bei Timpe gemacht hatte. Dieſer Bezirk hatte noch etwas Klein¬ ſtädtiſches an ſich. In den alten Häuſern wohnten die Miether Jahrzehnte lang, Hinz und Kunz kannten ſich, die Kinder beſuchten dieſelbe Schule, und ſo hatte ein auffallendes Ereigniß bald die Runde durch die Häuſer gemacht. Es mußte natürlich das größte Aufſehen erregen, daß weder Timpe junior mit Frau, noch der Letzteren Familie dem Begräbniß beigewohnt hatten. Man konnte ſich das nur durch einen Zwieſpalt zwiſchen Vater und Sohn erklären. Die ehrenwerthen Bürgers¬ leute, die den Meiſter nur von der beſten Seite kannten, bedauerten ihn tief. Eines Mittags rief Nölte Thomas Beyer zu ſich herein. Als die Rede auf Timpe kam, glaubte Beyer nichts mehr verſchweigen zu brauchen. Etwas von des Meiſters Haß gegen Urban und Franz war auch auf ihn übergegangen. Er ſtellte die Undankbarkeit des Sohnes in das richtige Licht, erzählte auch, wie Timpe jede Hülfe zurück¬ gewieſen habe und lieber verhungern wolle, ehe er ſeinem Sohne den kleinen Finger reiche. „Er iſt durch und durch ein ehrenwerther Charakter, ſein Sohn aber ein Lump, der ſich für Geld ſehen laſſen müßte,“ ſagte er. „Das moderne Streberthum hat ihn auf dem Gewiſſen; aber Timpe hat viel verſchuldet, er hat ihn frühzeitig verhätſchelt und ihm in allen Dingen zu großen Willen gelaſſen.“ Kretzer, Meiſter Timpe. 17

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/269>, abgerufen am 22.11.2024.