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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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festhalten, bis ich meinen Lohn wieder verdiene. Ich lasse
mir nichts schenken."

"Ich aber auch nicht", gab Timpe zurück. "Sie be¬
leidigen mich, wenn Sie das Geld nicht nehmen." Sein
Antlitz war roth geworden, ein Sturm drohte heranzubrechen.

"Thut mir leid, Meister, aber es bleibt dabei."

"Aber wovon wollen Sie denn leben?"

"Ich habe einige Ersparnisse, die werden reichen, und
wenn es damit zu Ende ist, dann -- -- o, bester Herr
Timpe, meine Schwester und ich werden nicht zu Grunde
gehen, wenn's an's Hungern geht. Die Genossen werden für
uns sammeln . . . In unserer Partei kommt Niemand um,
solange der Andere noch ein Stückchen Brot für ihn übrig
hat . . . Uns gilt noch das Wort etwas: hilf Deinem
Nächsten . . . Unter den Handwerksmeistern scheint das
anders zu sein; denn ich habe bis jetzt noch nicht gesehen,
daß einer Ihrer Kollegen gekommen wäre und hätte das
erste Gebot des Christenthums erfüllt . . . Sie, Meister,
machen eine Ausnahme . . . Da hat mir gestern der Nölte
drüben so eine Geschichte von Barmherzigkeit erzählt. O,
Herr Timpe, Sie sind zu schade für den Liberalismus."

Bei diesen letzten Worten warf er von der Seite einen
prüfenden Blick auf Timpe, um sich von der Wirkung seiner
Worte zu überzeugen. Seit dem letzten Auftritt, den er
seiner Propaganda wegen gehabt hatte, erlaubte er sich nur
noch indirekte Anspielungen auf die politische Anschauung des
Meisters zu machen.

Eine innere Bewegung hatte Timpe gepackt, der er aber
in der nächsten Minute wieder Herr wurde. Er wollte sich
nicht beschämen lassen. Das hätte noch gefehlt, daß sein

feſthalten, bis ich meinen Lohn wieder verdiene. Ich laſſe
mir nichts ſchenken.“

„Ich aber auch nicht“, gab Timpe zurück. „Sie be¬
leidigen mich, wenn Sie das Geld nicht nehmen.“ Sein
Antlitz war roth geworden, ein Sturm drohte heranzubrechen.

„Thut mir leid, Meiſter, aber es bleibt dabei.“

„Aber wovon wollen Sie denn leben?“

„Ich habe einige Erſparniſſe, die werden reichen, und
wenn es damit zu Ende iſt, dann — — o, beſter Herr
Timpe, meine Schweſter und ich werden nicht zu Grunde
gehen, wenn's an's Hungern geht. Die Genoſſen werden für
uns ſammeln . . . In unſerer Partei kommt Niemand um,
ſolange der Andere noch ein Stückchen Brot für ihn übrig
hat . . . Uns gilt noch das Wort etwas: hilf Deinem
Nächſten . . . Unter den Handwerksmeiſtern ſcheint das
anders zu ſein; denn ich habe bis jetzt noch nicht geſehen,
daß einer Ihrer Kollegen gekommen wäre und hätte das
erſte Gebot des Chriſtenthums erfüllt . . . Sie, Meiſter,
machen eine Ausnahme . . . Da hat mir geſtern der Nölte
drüben ſo eine Geſchichte von Barmherzigkeit erzählt. O,
Herr Timpe, Sie ſind zu ſchade für den Liberalismus.“

Bei dieſen letzten Worten warf er von der Seite einen
prüfenden Blick auf Timpe, um ſich von der Wirkung ſeiner
Worte zu überzeugen. Seit dem letzten Auftritt, den er
ſeiner Propaganda wegen gehabt hatte, erlaubte er ſich nur
noch indirekte Anſpielungen auf die politiſche Anſchauung des
Meiſters zu machen.

Eine innere Bewegung hatte Timpe gepackt, der er aber
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[229/0241] feſthalten, bis ich meinen Lohn wieder verdiene. Ich laſſe mir nichts ſchenken.“ „Ich aber auch nicht“, gab Timpe zurück. „Sie be¬ leidigen mich, wenn Sie das Geld nicht nehmen.“ Sein Antlitz war roth geworden, ein Sturm drohte heranzubrechen. „Thut mir leid, Meiſter, aber es bleibt dabei.“ „Aber wovon wollen Sie denn leben?“ „Ich habe einige Erſparniſſe, die werden reichen, und wenn es damit zu Ende iſt, dann — — o, beſter Herr Timpe, meine Schweſter und ich werden nicht zu Grunde gehen, wenn's an's Hungern geht. Die Genoſſen werden für uns ſammeln . . . In unſerer Partei kommt Niemand um, ſolange der Andere noch ein Stückchen Brot für ihn übrig hat . . . Uns gilt noch das Wort etwas: hilf Deinem Nächſten . . . Unter den Handwerksmeiſtern ſcheint das anders zu ſein; denn ich habe bis jetzt noch nicht geſehen, daß einer Ihrer Kollegen gekommen wäre und hätte das erſte Gebot des Chriſtenthums erfüllt . . . Sie, Meiſter, machen eine Ausnahme . . . Da hat mir geſtern der Nölte drüben ſo eine Geſchichte von Barmherzigkeit erzählt. O, Herr Timpe, Sie ſind zu ſchade für den Liberalismus.“ Bei dieſen letzten Worten warf er von der Seite einen prüfenden Blick auf Timpe, um ſich von der Wirkung ſeiner Worte zu überzeugen. Seit dem letzten Auftritt, den er ſeiner Propaganda wegen gehabt hatte, erlaubte er ſich nur noch indirekte Anſpielungen auf die politiſche Anſchauung des Meiſters zu machen. Eine innere Bewegung hatte Timpe gepackt, der er aber in der nächſten Minute wieder Herr wurde. Er wollte ſich nicht beſchämen laſſen. Das hätte noch gefehlt, daß ſein

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/241>, abgerufen am 23.11.2024.