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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Arbeit. Es sah alles sehr elegant und einnehmend aus, aber
von Solidität war keine Spur vorhanden.

"Schlecht und billig, -- so wirds gemacht", sagte Tho¬
mas Beyer und warf den Kram gleichgiltig in die Ecke.

Timpe mußte sich sagen, daß der Altgeselle mit seinen
Worten den Nagel auf den Kopf getroffen habe. Darin be¬
stand eben der große Erfolg Urbans: das Publikum ließ sich
durch den äußeren Schein blenden und täuschen. Es fragte
nicht mehr nach guter Arbeit, die Billigkeit gab den Ausschlag.
Das war das betrübendste Zeichen der Zeit: Menschen und
Waaren sanken im Werthe. Der redlichste Arbeiter wurde
durch die Sorge um's Dasein gezwungen, zum Betrüger am
Publikum und seinem Nächsten zu werden. Es war der
große soziale Kampf des Jahrhunderts, in dem immer dasselbe
Feldgeschrei ertönte: "Stirb Du, damit ich lebe!" Und
die beiden Riesenarmeen, die sich Tag für Tag schlagfertig
gegenüberstanden, auf einander losstürmten und die Schlacht
der Verzweiflung schlugen, nannten sich Ausbeuter und Aus¬
gebeutete. Das Kapital war das Pulver, und wer es am
meisten besaß, der trug den Sieg davon. Die Heerführer
dieser Armeen aber hießen Hand und Maschine. Die Kraft
des Dampfes führte den Vernichtungskampf gegen die Kraft
des Menschen. Und in diesen fürchterlichen Strudel, der
rücksichtslos gegen die Gesetze der Weltmoral sein Zerstörungs¬
werk an den Stützen der Gesellschaft beging, wurde auch
Meister Timpe immer mehr und mehr hineingezogen.

Wenn er jetzt den Blick durch das Fenster nach der
Fabrik hinüberrichtete, so that er es mit geballter Faust und
dem Ausdrucke des Hasses. Das Getöse der Dampfmaschine
kam ihm dann wie das dumpfe Aechzen hundert zu Tode

Arbeit. Es ſah alles ſehr elegant und einnehmend aus, aber
von Solidität war keine Spur vorhanden.

„Schlecht und billig, — ſo wirds gemacht“, ſagte Tho¬
mas Beyer und warf den Kram gleichgiltig in die Ecke.

Timpe mußte ſich ſagen, daß der Altgeſelle mit ſeinen
Worten den Nagel auf den Kopf getroffen habe. Darin be¬
ſtand eben der große Erfolg Urbans: das Publikum ließ ſich
durch den äußeren Schein blenden und täuſchen. Es fragte
nicht mehr nach guter Arbeit, die Billigkeit gab den Ausſchlag.
Das war das betrübendſte Zeichen der Zeit: Menſchen und
Waaren ſanken im Werthe. Der redlichſte Arbeiter wurde
durch die Sorge um's Daſein gezwungen, zum Betrüger am
Publikum und ſeinem Nächſten zu werden. Es war der
große ſoziale Kampf des Jahrhunderts, in dem immer daſſelbe
Feldgeſchrei ertönte: „Stirb Du, damit ich lebe!“ Und
die beiden Rieſenarmeen, die ſich Tag für Tag ſchlagfertig
gegenüberſtanden, auf einander losſtürmten und die Schlacht
der Verzweiflung ſchlugen, nannten ſich Ausbeuter und Aus¬
gebeutete. Das Kapital war das Pulver, und wer es am
meiſten beſaß, der trug den Sieg davon. Die Heerführer
dieſer Armeen aber hießen Hand und Maſchine. Die Kraft
des Dampfes führte den Vernichtungskampf gegen die Kraft
des Menſchen. Und in dieſen fürchterlichen Strudel, der
rückſichtslos gegen die Geſetze der Weltmoral ſein Zerſtörungs¬
werk an den Stützen der Geſellſchaft beging, wurde auch
Meiſter Timpe immer mehr und mehr hineingezogen.

Wenn er jetzt den Blick durch das Fenſter nach der
Fabrik hinüberrichtete, ſo that er es mit geballter Fauſt und
dem Ausdrucke des Haſſes. Das Getöſe der Dampfmaſchine
kam ihm dann wie das dumpfe Aechzen hundert zu Tode

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[157/0169] Arbeit. Es ſah alles ſehr elegant und einnehmend aus, aber von Solidität war keine Spur vorhanden. „Schlecht und billig, — ſo wirds gemacht“, ſagte Tho¬ mas Beyer und warf den Kram gleichgiltig in die Ecke. Timpe mußte ſich ſagen, daß der Altgeſelle mit ſeinen Worten den Nagel auf den Kopf getroffen habe. Darin be¬ ſtand eben der große Erfolg Urbans: das Publikum ließ ſich durch den äußeren Schein blenden und täuſchen. Es fragte nicht mehr nach guter Arbeit, die Billigkeit gab den Ausſchlag. Das war das betrübendſte Zeichen der Zeit: Menſchen und Waaren ſanken im Werthe. Der redlichſte Arbeiter wurde durch die Sorge um's Daſein gezwungen, zum Betrüger am Publikum und ſeinem Nächſten zu werden. Es war der große ſoziale Kampf des Jahrhunderts, in dem immer daſſelbe Feldgeſchrei ertönte: „Stirb Du, damit ich lebe!“ Und die beiden Rieſenarmeen, die ſich Tag für Tag ſchlagfertig gegenüberſtanden, auf einander losſtürmten und die Schlacht der Verzweiflung ſchlugen, nannten ſich Ausbeuter und Aus¬ gebeutete. Das Kapital war das Pulver, und wer es am meiſten beſaß, der trug den Sieg davon. Die Heerführer dieſer Armeen aber hießen Hand und Maſchine. Die Kraft des Dampfes führte den Vernichtungskampf gegen die Kraft des Menſchen. Und in dieſen fürchterlichen Strudel, der rückſichtslos gegen die Geſetze der Weltmoral ſein Zerſtörungs¬ werk an den Stützen der Geſellſchaft beging, wurde auch Meiſter Timpe immer mehr und mehr hineingezogen. Wenn er jetzt den Blick durch das Fenſter nach der Fabrik hinüberrichtete, ſo that er es mit geballter Fauſt und dem Ausdrucke des Haſſes. Das Getöſe der Dampfmaſchine kam ihm dann wie das dumpfe Aechzen hundert zu Tode

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/169>, abgerufen am 25.11.2024.