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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Schrecken aller Aufschneider das aus Pappe nachgebildete
Riesenmesser mit der Klingel hing!

Da erschien mit dem Schlage sieben Uhr der lange hagere
Brümmer, der jahrein, jahraus in einem langen braunen
Gehrock gekleidet ging und niemals eine andere Kopfbedeckung
trug, als eine große Schirmmütze. Er hatte sich als wohl¬
habend gewordener Handschuhmachermeister zur Ruhe gesetzt
und lebte nun als kleiner Rentier in dem vererbten Hause
seines Vaters, in dem er geboren worden war. Er trank
regelmäßig drei große Weißen, zu der letzten einen kleinen
Kümmel und erhob sich Punkt zehn Uhr, um schweigsam, wie
er gekommen war, nach Hause zu wandern. Seit zehn
Jahren war er aus seinem Viertel nicht herausgekommen.
Er füllte sein Dasein damit, um sieben Uhr des Morgens
aufzustehen, die Zeitungen zu lesen, regelmäßige Mahlzeiten
zu halten und die übrige Zeit des Tages, die Pfeife im
Munde, zum Fenster hinauszusehen, bis die Kneipstunde
schlug. Während zweier Jahrzehnte sah man ihn denselben
Platz einnehmen, und als er seinen Stuhl eines Abends von
einem ihm fremden Manne besetzt sah, kehrte er schweigend
um und ließ sich acht Tage lang nicht sehen, bis endlich
Vater Jamrath ihn persönlich aufsuchte und das heilige Ver¬
sprechen abgab, niemals mehr ein ähnliches Vergehen gegen
die Ordnung des Stammtisches gestatten zu wollen.

Das Gegentheil von Brümmers klassischer Schweigsam¬
keit und Ruhe bildete der behäbige Herr Wipperlich, ein kleiner
Kürschnermeister aus der Langenstraße, dessen Sohn Subal¬
ternbeamter in einem Ministerium war, und der daraus die
Berechtigung zog, über alle politischen Vorgänge am besten
unterrichtet zu sein. Er war der Schwadroneur am Tische,

Schrecken aller Aufſchneider das aus Pappe nachgebildete
Rieſenmeſſer mit der Klingel hing!

Da erſchien mit dem Schlage ſieben Uhr der lange hagere
Brümmer, der jahrein, jahraus in einem langen braunen
Gehrock gekleidet ging und niemals eine andere Kopfbedeckung
trug, als eine große Schirmmütze. Er hatte ſich als wohl¬
habend gewordener Handſchuhmachermeiſter zur Ruhe geſetzt
und lebte nun als kleiner Rentier in dem vererbten Hauſe
ſeines Vaters, in dem er geboren worden war. Er trank
regelmäßig drei große Weißen, zu der letzten einen kleinen
Kümmel und erhob ſich Punkt zehn Uhr, um ſchweigſam, wie
er gekommen war, nach Hauſe zu wandern. Seit zehn
Jahren war er aus ſeinem Viertel nicht herausgekommen.
Er füllte ſein Daſein damit, um ſieben Uhr des Morgens
aufzuſtehen, die Zeitungen zu leſen, regelmäßige Mahlzeiten
zu halten und die übrige Zeit des Tages, die Pfeife im
Munde, zum Fenſter hinauszuſehen, bis die Kneipſtunde
ſchlug. Während zweier Jahrzehnte ſah man ihn denſelben
Platz einnehmen, und als er ſeinen Stuhl eines Abends von
einem ihm fremden Manne beſetzt ſah, kehrte er ſchweigend
um und ließ ſich acht Tage lang nicht ſehen, bis endlich
Vater Jamrath ihn perſönlich aufſuchte und das heilige Ver¬
ſprechen abgab, niemals mehr ein ähnliches Vergehen gegen
die Ordnung des Stammtiſches geſtatten zu wollen.

Das Gegentheil von Brümmers klaſſiſcher Schweigſam¬
keit und Ruhe bildete der behäbige Herr Wipperlich, ein kleiner
Kürſchnermeiſter aus der Langenſtraße, deſſen Sohn Subal¬
ternbeamter in einem Miniſterium war, und der daraus die
Berechtigung zog, über alle politiſchen Vorgänge am beſten
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[135/0147] Schrecken aller Aufſchneider das aus Pappe nachgebildete Rieſenmeſſer mit der Klingel hing! Da erſchien mit dem Schlage ſieben Uhr der lange hagere Brümmer, der jahrein, jahraus in einem langen braunen Gehrock gekleidet ging und niemals eine andere Kopfbedeckung trug, als eine große Schirmmütze. Er hatte ſich als wohl¬ habend gewordener Handſchuhmachermeiſter zur Ruhe geſetzt und lebte nun als kleiner Rentier in dem vererbten Hauſe ſeines Vaters, in dem er geboren worden war. Er trank regelmäßig drei große Weißen, zu der letzten einen kleinen Kümmel und erhob ſich Punkt zehn Uhr, um ſchweigſam, wie er gekommen war, nach Hauſe zu wandern. Seit zehn Jahren war er aus ſeinem Viertel nicht herausgekommen. Er füllte ſein Daſein damit, um ſieben Uhr des Morgens aufzuſtehen, die Zeitungen zu leſen, regelmäßige Mahlzeiten zu halten und die übrige Zeit des Tages, die Pfeife im Munde, zum Fenſter hinauszuſehen, bis die Kneipſtunde ſchlug. Während zweier Jahrzehnte ſah man ihn denſelben Platz einnehmen, und als er ſeinen Stuhl eines Abends von einem ihm fremden Manne beſetzt ſah, kehrte er ſchweigend um und ließ ſich acht Tage lang nicht ſehen, bis endlich Vater Jamrath ihn perſönlich aufſuchte und das heilige Ver¬ ſprechen abgab, niemals mehr ein ähnliches Vergehen gegen die Ordnung des Stammtiſches geſtatten zu wollen. Das Gegentheil von Brümmers klaſſiſcher Schweigſam¬ keit und Ruhe bildete der behäbige Herr Wipperlich, ein kleiner Kürſchnermeiſter aus der Langenſtraße, deſſen Sohn Subal¬ ternbeamter in einem Miniſterium war, und der daraus die Berechtigung zog, über alle politiſchen Vorgänge am beſten unterrichtet zu ſein. Er war der Schwadroneur am Tiſche,

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/147>, abgerufen am 24.11.2024.