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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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"Nun aber, wer hat dir geholfen?"

"Gott und ich selbst. Höre."

Und nun erzählt er dem Hildebrand, wie ihn das Bild des
von ihm ermordeten Odoaker geschreckt habe. "Furchtbar
sprach's in mir: um dieser Blutthat willen wird dein Reich zer-
fallen und dein Volk vergehn. -- -- Jch weiß nicht, ist es der
alte Sinn meiner heidnischen Ahnen -- aber ich kann mich nicht
hinter dem Kreuz verstecken vor dem Schatten des Ermordeten.
Jch kann mich nicht gelöst glauben von meiner blutigen That
durch das Blut eines unschuldigen Gottes, der am Kreuz ge-
storben." Hildebrand fragt hierauf erfreut, ob ihm Thor oder
Odhin geholfen. "Jch habe es gethan," erwidert der König,
"und keine Gnade, kein Wunder Gottes macht es ungeschehen.
Wohlan, er strafe mich. Und wenn er der zornige Gott des
Moses, so räche er sich und strafe mit mir mein ganzes Haus
bis in's siebente Glied. Jch weihe mich und mein Geschlecht der
Rache des Herrn. Er mag uns verderben, er ist gerecht. Aber
weil er gerecht ist, kann er nicht strafen dieses edle Volk der
Gothen um fremde Schuld. Er kann es nicht verderben um des
Frevels seines Königs willen." Auf diese Weise kam nach Dahn
Friede über Theoderich.

Dahn beweist mit diesem hohlen Pathos, daß er von der
Gerechtigkeit des lebendigen Gottes nichts versteht. Jnsbesondere
hat er aus der Stelle 2 Mos. 20, 5 "Jch der Herr, dein
Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsuchet der
Väter Missethat an den Kindern bis in das dritte
und vierte Glied, die mich hassen
" die ganz unbegreif-
liche Addition von 3 + 4 = 7 herausgelesen. Als ob es hieße
bis in's siebente Glied!

Die Heiden und Antichristen führen bei Dahn wuchtige
Keulenschläge gegen den christlichen Glauben, während die Christen
mit schwachen Ruthen entweder Luftstreiche oder ganz matte
Streiche gegen Heidenthum und Antichristenthum thun.

Es bleibt uns noch übrig auf einige Aeußerlichkeiten auf-
merksam zu machen. Wie Ebers, so bedient sich auch Dahn einer
großen Menge lateinischer und griechischer Ausdrücke, und da er

„Nun aber, wer hat dir geholfen?‟

„Gott und ich ſelbſt. Höre.‟

Und nun erzählt er dem Hildebrand, wie ihn das Bild des
von ihm ermordeten Odoaker geſchreckt habe. „Furchtbar
ſprach’s in mir: um dieſer Blutthat willen wird dein Reich zer-
fallen und dein Volk vergehn. — — Jch weiß nicht, iſt es der
alte Sinn meiner heidniſchen Ahnen — aber ich kann mich nicht
hinter dem Kreuz verſtecken vor dem Schatten des Ermordeten.
Jch kann mich nicht gelöſt glauben von meiner blutigen That
durch das Blut eines unſchuldigen Gottes, der am Kreuz ge-
ſtorben.‟ Hildebrand fragt hierauf erfreut, ob ihm Thor oder
Odhin geholfen. „Jch habe es gethan,‟ erwidert der König,
„und keine Gnade, kein Wunder Gottes macht es ungeſchehen.
Wohlan, er ſtrafe mich. Und wenn er der zornige Gott des
Moſes, ſo räche er ſich und ſtrafe mit mir mein ganzes Haus
bis in’s ſiebente Glied. Jch weihe mich und mein Geſchlecht der
Rache des Herrn. Er mag uns verderben, er iſt gerecht. Aber
weil er gerecht iſt, kann er nicht ſtrafen dieſes edle Volk der
Gothen um fremde Schuld. Er kann es nicht verderben um des
Frevels ſeines Königs willen.‟ Auf dieſe Weiſe kam nach Dahn
Friede über Theoderich.

Dahn beweiſt mit dieſem hohlen Pathos, daß er von der
Gerechtigkeit des lebendigen Gottes nichts verſteht. Jnsbeſondere
hat er aus der Stelle 2 Moſ. 20, 5 „Jch der Herr, dein
Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimſuchet der
Väter Miſſethat an den Kindern bis in das dritte
und vierte Glied, die mich haſſen
‟ die ganz unbegreif-
liche Addition von 3 + 4 = 7 herausgeleſen. Als ob es hieße
bis in’s ſiebente Glied!

Die Heiden und Antichriſten führen bei Dahn wuchtige
Keulenſchläge gegen den chriſtlichen Glauben, während die Chriſten
mit ſchwachen Ruthen entweder Luftſtreiche oder ganz matte
Streiche gegen Heidenthum und Antichriſtenthum thun.

Es bleibt uns noch übrig auf einige Aeußerlichkeiten auf-
merkſam zu machen. Wie Ebers, ſo bedient ſich auch Dahn einer
großen Menge lateiniſcher und griechiſcher Ausdrücke, und da er

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[50 242/0050] „Nun aber, wer hat dir geholfen?‟ „Gott und ich ſelbſt. Höre.‟ Und nun erzählt er dem Hildebrand, wie ihn das Bild des von ihm ermordeten Odoaker geſchreckt habe. „Furchtbar ſprach’s in mir: um dieſer Blutthat willen wird dein Reich zer- fallen und dein Volk vergehn. — — Jch weiß nicht, iſt es der alte Sinn meiner heidniſchen Ahnen — aber ich kann mich nicht hinter dem Kreuz verſtecken vor dem Schatten des Ermordeten. Jch kann mich nicht gelöſt glauben von meiner blutigen That durch das Blut eines unſchuldigen Gottes, der am Kreuz ge- ſtorben.‟ Hildebrand fragt hierauf erfreut, ob ihm Thor oder Odhin geholfen. „Jch habe es gethan,‟ erwidert der König, „und keine Gnade, kein Wunder Gottes macht es ungeſchehen. Wohlan, er ſtrafe mich. Und wenn er der zornige Gott des Moſes, ſo räche er ſich und ſtrafe mit mir mein ganzes Haus bis in’s ſiebente Glied. Jch weihe mich und mein Geſchlecht der Rache des Herrn. Er mag uns verderben, er iſt gerecht. Aber weil er gerecht iſt, kann er nicht ſtrafen dieſes edle Volk der Gothen um fremde Schuld. Er kann es nicht verderben um des Frevels ſeines Königs willen.‟ Auf dieſe Weiſe kam nach Dahn Friede über Theoderich. Dahn beweiſt mit dieſem hohlen Pathos, daß er von der Gerechtigkeit des lebendigen Gottes nichts verſteht. Jnsbeſondere hat er aus der Stelle 2 Moſ. 20, 5 „Jch der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimſuchet der Väter Miſſethat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich haſſen‟ die ganz unbegreif- liche Addition von 3 + 4 = 7 herausgeleſen. Als ob es hieße bis in’s ſiebente Glied! Die Heiden und Antichriſten führen bei Dahn wuchtige Keulenſchläge gegen den chriſtlichen Glauben, während die Chriſten mit ſchwachen Ruthen entweder Luftſtreiche oder ganz matte Streiche gegen Heidenthum und Antichriſtenthum thun. Es bleibt uns noch übrig auf einige Aeußerlichkeiten auf- merkſam zu machen. Wie Ebers, ſo bedient ſich auch Dahn einer großen Menge lateiniſcher und griechiſcher Ausdrücke, und da er

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 50 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/50>, abgerufen am 28.03.2024.