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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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zurückkommen. Erst ist es ganz im allgemeinen "das Glück",
dessen Werth Ulrich aus einem von Landsknechten gesungenen
Liede heraushört. Man sollte denken, das Glück sei in jeder
Lebenslage, in jedem Stand, in jedem Lebensalter eine angenehme
Sache. Weit gefehlt! Jn Spanien wird Ulrich Maler. "Hatte
der Meister ihm schwere Aufgaben gestellt, welche ihm nicht ge-
lingen wollten, so rief er das Wort (,Glück') an; aber mit je
größerer Jnbrunst er es that und von sich wies, und ganz auf
die eigne Kraft gestellt, die Augen, den Stift und die Kreide
brauchte, brachte er auch das Schwerste zu Stande und erwarb
das Lob des Meisters." -- Welch unvollziehbare Gedanken!
Wer ist im Stande "das Wort" anzurufen, es besteht ja selbst
nur in einem Ruf, und gar noch "mit Jnbrunst" zu rufen
"Glück"! Wer weist das Glück ab, wer grollt mit ihm, wer
schilt es? Der Künstler am allerwenigsten, dem heute Etwas
glückt und morgen Etwas mißglückt. -- Eines Tages erhält Ulrich
von seinem Lehrer einen Kuß: "Der Kuß eines Meisters im
Namen der Kunst!" ruft Ebers aus und deutet damit an, daß
sein Held nunmehr fähig ist, ein neues "Wort" zu lernen. Die
"Kunst" führt den jungen Mann nach Jtalien zu Tizian.
"O Wort, Wort!" jubelte es in ihm. Welches andere kann schon
auf Erden solchen Wink in die Seligkeit des Himmels eröffnen."
Jn Jtalien wird Ulrich ein Hans Liederlich. Doch soll noch
einmal "das gnädige ,Wort' seine Wunderkraft an dem Ver-
irrten" üben. Tizian gibt ihm auf, einen Juden zu malen, keinen
Schacherer, vielmehr einen Propheten, einen Jünger, einen Apostel.
"Ulrich steht vor der Staffelei. Zum ersten Male nach langer Zeit
ruft er das Wort an, und er thut es mit Jnbrunst, aus ganzem
Herzen." Während des Malens ruft er "das Wort noch einmal
aus vollem Herzen" an. -- Nach Spanien zurückgekehrt, soll er
sich, um die Tochter des Meisters zur Frau zu erhalten, abermals
einer Kunstprobe unterwerfen. Während er aber in der Prüfung
in Jtalien darum bestand, weil er seinen früheren Lehrer Dr. Costa
aus dem Gedächtniß malte, fiel er in der spanischen Prüfung
darum durch, weil er der ihm aufgegebenen Madonna die Züge
seiner Mutter gab, die war aber ihrem Manne durchgegangen

zurückkommen. Erſt iſt es ganz im allgemeinen „das Glück‟,
deſſen Werth Ulrich aus einem von Landsknechten geſungenen
Liede heraushört. Man ſollte denken, das Glück ſei in jeder
Lebenslage, in jedem Stand, in jedem Lebensalter eine angenehme
Sache. Weit gefehlt! Jn Spanien wird Ulrich Maler. „Hatte
der Meiſter ihm ſchwere Aufgaben geſtellt, welche ihm nicht ge-
lingen wollten, ſo rief er das Wort (‚Glück‛) an; aber mit je
größerer Jnbrunſt er es that und von ſich wies, und ganz auf
die eigne Kraft geſtellt, die Augen, den Stift und die Kreide
brauchte, brachte er auch das Schwerſte zu Stande und erwarb
das Lob des Meiſters.‟ — Welch unvollziehbare Gedanken!
Wer iſt im Stande „das Wort‟ anzurufen, es beſteht ja ſelbſt
nur in einem Ruf, und gar noch „mit Jnbrunſt‟ zu rufen
„Glück‟! Wer weiſt das Glück ab, wer grollt mit ihm, wer
ſchilt es? Der Künſtler am allerwenigſten, dem heute Etwas
glückt und morgen Etwas mißglückt. — Eines Tages erhält Ulrich
von ſeinem Lehrer einen Kuß: „Der Kuß eines Meiſters im
Namen der Kunſt!‟ ruft Ebers aus und deutet damit an, daß
ſein Held nunmehr fähig iſt, ein neues „Wort‟ zu lernen. Die
„Kunſt‟ führt den jungen Mann nach Jtalien zu Tizian.
„O Wort, Wort!‟ jubelte es in ihm. Welches andere kann ſchon
auf Erden ſolchen Wink in die Seligkeit des Himmels eröffnen.‟
Jn Jtalien wird Ulrich ein Hans Liederlich. Doch ſoll noch
einmal „das gnädige ‚Wort‛ ſeine Wunderkraft an dem Ver-
irrten‟ üben. Tizian gibt ihm auf, einen Juden zu malen, keinen
Schacherer, vielmehr einen Propheten, einen Jünger, einen Apoſtel.
„Ulrich ſteht vor der Staffelei. Zum erſten Male nach langer Zeit
ruft er das Wort an, und er thut es mit Jnbrunſt, aus ganzem
Herzen.‟ Während des Malens ruft er „das Wort noch einmal
aus vollem Herzen‟ an. — Nach Spanien zurückgekehrt, ſoll er
ſich, um die Tochter des Meiſters zur Frau zu erhalten, abermals
einer Kunſtprobe unterwerfen. Während er aber in der Prüfung
in Jtalien darum beſtand, weil er ſeinen früheren Lehrer Dr. Coſta
aus dem Gedächtniß malte, fiel er in der ſpaniſchen Prüfung
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[41 233/0041] zurückkommen. Erſt iſt es ganz im allgemeinen „das Glück‟, deſſen Werth Ulrich aus einem von Landsknechten geſungenen Liede heraushört. Man ſollte denken, das Glück ſei in jeder Lebenslage, in jedem Stand, in jedem Lebensalter eine angenehme Sache. Weit gefehlt! Jn Spanien wird Ulrich Maler. „Hatte der Meiſter ihm ſchwere Aufgaben geſtellt, welche ihm nicht ge- lingen wollten, ſo rief er das Wort (‚Glück‛) an; aber mit je größerer Jnbrunſt er es that und von ſich wies, und ganz auf die eigne Kraft geſtellt, die Augen, den Stift und die Kreide brauchte, brachte er auch das Schwerſte zu Stande und erwarb das Lob des Meiſters.‟ — Welch unvollziehbare Gedanken! Wer iſt im Stande „das Wort‟ anzurufen, es beſteht ja ſelbſt nur in einem Ruf, und gar noch „mit Jnbrunſt‟ zu rufen „Glück‟! Wer weiſt das Glück ab, wer grollt mit ihm, wer ſchilt es? Der Künſtler am allerwenigſten, dem heute Etwas glückt und morgen Etwas mißglückt. — Eines Tages erhält Ulrich von ſeinem Lehrer einen Kuß: „Der Kuß eines Meiſters im Namen der Kunſt!‟ ruft Ebers aus und deutet damit an, daß ſein Held nunmehr fähig iſt, ein neues „Wort‟ zu lernen. Die „Kunſt‟ führt den jungen Mann nach Jtalien zu Tizian. „O Wort, Wort!‟ jubelte es in ihm. Welches andere kann ſchon auf Erden ſolchen Wink in die Seligkeit des Himmels eröffnen.‟ Jn Jtalien wird Ulrich ein Hans Liederlich. Doch ſoll noch einmal „das gnädige ‚Wort‛ ſeine Wunderkraft an dem Ver- irrten‟ üben. Tizian gibt ihm auf, einen Juden zu malen, keinen Schacherer, vielmehr einen Propheten, einen Jünger, einen Apoſtel. „Ulrich ſteht vor der Staffelei. Zum erſten Male nach langer Zeit ruft er das Wort an, und er thut es mit Jnbrunſt, aus ganzem Herzen.‟ Während des Malens ruft er „das Wort noch einmal aus vollem Herzen‟ an. — Nach Spanien zurückgekehrt, ſoll er ſich, um die Tochter des Meiſters zur Frau zu erhalten, abermals einer Kunſtprobe unterwerfen. Während er aber in der Prüfung in Jtalien darum beſtand, weil er ſeinen früheren Lehrer Dr. Coſta aus dem Gedächtniß malte, fiel er in der ſpaniſchen Prüfung darum durch, weil er der ihm aufgegebenen Madonna die Züge ſeiner Mutter gab, die war aber ihrem Manne durchgegangen

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 41 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/41>, abgerufen am 25.04.2024.