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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Darstellung des Lebens der Alten." Gelegentlich haben wir
erfahren, daß Tadema den südlichen Himmel, das Meer, Marmor
mit vollendeter Virtuosität malt. Das der Novelle "Eine Frage"
beigegebene Lichtdruckbild zeigt eine lange Marmorbank, hinter
der ein schmaler Streifen Meer und ein langer Streifen Gebirg
unter wolkenlosem Himmel zu sehen ist. Auf der Bank sitzt ein
junges Mädchen, Rosen liegen in seinem Schoße und auf der
Bank. Lang ausgestreckt liegt auf der letzteren ein junger
Mann, mit der rechten Hand stützt er den Kopf, mit der linken
zieht er an dem Aermel des Mädchens, um den linken Arm
desselben aus seiner ebenfalls den Kopf stützenden Haltung zu
bringen und so die Augen der Jungfrau auf sich zu richten.
Das Bild ist durchaus realistisch aufgefaßt, die Gesichter keines-
wegs von besonderer Schönheit. Was die zwei jungen Leute
mit einander haben, ist jedem Beschauer des Bildes klar, es hat
deshalb der Ebers'schen Novelle nicht bedurft. Auch enthusiastische
Ebersfreunde haben zugestanden, daß das Jdyll in hohem Grade
läppisch und mattherzig sei. Ein Capitel ist überschrieben "Die
beiden Ferkel". Das eine Ferkel wird blank gewaschen, auf ein
hölzernes Bänkchen gestellt und am geringelten Schwänzchen mit
einem blauen Bande, an den Ohren mit rothen Bändern geziert.
Dann werden seine fleischigsten Stellen von der alten Schaffnerin
getätschelt. Das andere Ferkel hatte "kein Band um Schwänzlein
und Ohren", "es war auch nicht sonderlich fett und voll von
schwarzen Flecken unter den dünn gesäeten Borsten und an dem
spitzigen Schnäuzchen". Beide Ferkel waren der Aphrodite zum
Opfer bestimmt. Wir brechen aber hier ab, das ganze Ferkel-
Capitel ist denn doch zu kläglich. Die eigentliche Frage wird
in dem Capitel "Die Antwort" erledigt und zwar durch Mit-
theilung einer ganzen Reihe von Fragen, die nicht im Geringsten
südliche Gluth und Leidenschaft verrathen. Phaon schlief auf
der Marmorbank mit verdecktem Angesicht in glühendem Sonnen-
brand. Xanthe setzt sich neben den Schläfer "und gewiß nicht
um Phaon zu wecken, sondern nur um einen Laut zu verneh-
men (!), hustete sie nicht ohne Mühe (!) einmal und wiederum,
und als sie es zum dritten Male thut, regte sich der Schläfer,

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Darſtellung des Lebens der Alten.‟ Gelegentlich haben wir
erfahren, daß Tadema den ſüdlichen Himmel, das Meer, Marmor
mit vollendeter Virtuoſität malt. Das der Novelle „Eine Frage‟
beigegebene Lichtdruckbild zeigt eine lange Marmorbank, hinter
der ein ſchmaler Streifen Meer und ein langer Streifen Gebirg
unter wolkenloſem Himmel zu ſehen iſt. Auf der Bank ſitzt ein
junges Mädchen, Roſen liegen in ſeinem Schoße und auf der
Bank. Lang ausgeſtreckt liegt auf der letzteren ein junger
Mann, mit der rechten Hand ſtützt er den Kopf, mit der linken
zieht er an dem Aermel des Mädchens, um den linken Arm
deſſelben aus ſeiner ebenfalls den Kopf ſtützenden Haltung zu
bringen und ſo die Augen der Jungfrau auf ſich zu richten.
Das Bild iſt durchaus realiſtiſch aufgefaßt, die Geſichter keines-
wegs von beſonderer Schönheit. Was die zwei jungen Leute
mit einander haben, iſt jedem Beſchauer des Bildes klar, es hat
deshalb der Ebers’ſchen Novelle nicht bedurft. Auch enthuſiaſtiſche
Ebersfreunde haben zugeſtanden, daß das Jdyll in hohem Grade
läppiſch und mattherzig ſei. Ein Capitel iſt überſchrieben „Die
beiden Ferkel‟. Das eine Ferkel wird blank gewaſchen, auf ein
hölzernes Bänkchen geſtellt und am geringelten Schwänzchen mit
einem blauen Bande, an den Ohren mit rothen Bändern geziert.
Dann werden ſeine fleiſchigſten Stellen von der alten Schaffnerin
getätſchelt. Das andere Ferkel hatte „kein Band um Schwänzlein
und Ohren‟, „es war auch nicht ſonderlich fett und voll von
ſchwarzen Flecken unter den dünn geſäeten Borſten und an dem
ſpitzigen Schnäuzchen‟. Beide Ferkel waren der Aphrodite zum
Opfer beſtimmt. Wir brechen aber hier ab, das ganze Ferkel-
Capitel iſt denn doch zu kläglich. Die eigentliche Frage wird
in dem Capitel „Die Antwort‟ erledigt und zwar durch Mit-
theilung einer ganzen Reihe von Fragen, die nicht im Geringſten
ſüdliche Gluth und Leidenſchaft verrathen. Phaon ſchlief auf
der Marmorbank mit verdecktem Angeſicht in glühendem Sonnen-
brand. Xanthe ſetzt ſich neben den Schläfer „und gewiß nicht
um Phaon zu wecken, ſondern nur um einen Laut zu verneh-
men (!), huſtete ſie nicht ohne Mühe (!) einmal und wiederum,
und als ſie es zum dritten Male thut, regte ſich der Schläfer,

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[35 227/0035] Darſtellung des Lebens der Alten.‟ Gelegentlich haben wir erfahren, daß Tadema den ſüdlichen Himmel, das Meer, Marmor mit vollendeter Virtuoſität malt. Das der Novelle „Eine Frage‟ beigegebene Lichtdruckbild zeigt eine lange Marmorbank, hinter der ein ſchmaler Streifen Meer und ein langer Streifen Gebirg unter wolkenloſem Himmel zu ſehen iſt. Auf der Bank ſitzt ein junges Mädchen, Roſen liegen in ſeinem Schoße und auf der Bank. Lang ausgeſtreckt liegt auf der letzteren ein junger Mann, mit der rechten Hand ſtützt er den Kopf, mit der linken zieht er an dem Aermel des Mädchens, um den linken Arm deſſelben aus ſeiner ebenfalls den Kopf ſtützenden Haltung zu bringen und ſo die Augen der Jungfrau auf ſich zu richten. Das Bild iſt durchaus realiſtiſch aufgefaßt, die Geſichter keines- wegs von beſonderer Schönheit. Was die zwei jungen Leute mit einander haben, iſt jedem Beſchauer des Bildes klar, es hat deshalb der Ebers’ſchen Novelle nicht bedurft. Auch enthuſiaſtiſche Ebersfreunde haben zugeſtanden, daß das Jdyll in hohem Grade läppiſch und mattherzig ſei. Ein Capitel iſt überſchrieben „Die beiden Ferkel‟. Das eine Ferkel wird blank gewaſchen, auf ein hölzernes Bänkchen geſtellt und am geringelten Schwänzchen mit einem blauen Bande, an den Ohren mit rothen Bändern geziert. Dann werden ſeine fleiſchigſten Stellen von der alten Schaffnerin getätſchelt. Das andere Ferkel hatte „kein Band um Schwänzlein und Ohren‟, „es war auch nicht ſonderlich fett und voll von ſchwarzen Flecken unter den dünn geſäeten Borſten und an dem ſpitzigen Schnäuzchen‟. Beide Ferkel waren der Aphrodite zum Opfer beſtimmt. Wir brechen aber hier ab, das ganze Ferkel- Capitel iſt denn doch zu kläglich. Die eigentliche Frage wird in dem Capitel „Die Antwort‟ erledigt und zwar durch Mit- theilung einer ganzen Reihe von Fragen, die nicht im Geringſten ſüdliche Gluth und Leidenſchaft verrathen. Phaon ſchlief auf der Marmorbank mit verdecktem Angeſicht in glühendem Sonnen- brand. Xanthe ſetzt ſich neben den Schläfer „und gewiß nicht um Phaon zu wecken, ſondern nur um einen Laut zu verneh- men (!), huſtete ſie nicht ohne Mühe (!) einmal und wiederum, und als ſie es zum dritten Male thut, regte ſich der Schläfer, 3 *

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 35 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/35>, abgerufen am 21.11.2024.