Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

Bild:
<< vorherige Seite

Schulter ab und rief: "Jch schaffe dies Stümperwerk aus der
Welt, weil es mich ärgert. -- -- Urtheil gegen Urtheil; so ist
es gerecht." Schon hat der Künstler dem scheinbaren Fremdling
Faustschläge angedroht, als dieser aber mit gekreuzten Armen
ganz nahe an ihn herantritt, erkennt er in ihm den Kaiser.
"Der bin ich," knirschte Hadrian, "und wenn du als Künstler
dich mehr dünkst als ich, so werd ich dir zeigen, wer von uns
beiden der Spatz ist und wer der Adler." Ebenfalls incognito
kommt Hadrian mit seinem eignen Palastverwalter Keraunus
in einen heftigen Wortwechsel: "Soll ich dir sagen, wer ich bin?"
schrie der Verwalter. "Ein Dummkopf bist du," entgegnete der
Herrscher, indem er verächtlich die Achseln zuckte. Dann fügte
er kühl, vornehm, beinahe gleichgiltig hinzu: "Jch bin der Kaiser".
Schwerlich war das vornehm, den Diener zu schimpfen und sich
dann ganz zuletzt als den Herrn des Dieners vorzustellen. --

Wie nicht selten Kleinigkeiten im Leben eine bedeutende
Rolle spielen, so von Rechtswegen auch im Roman, wenn er ein
"echtes Kunstwerk" sein soll. Der Bildhauer Pollux muß, um
seine Arbeiten vor Ankunft des Kaisers zu fördern, sich ohne
Verzug in seine Werkstatt begeben und zu dem Ende ein delicates
Essen in der Wohnung seiner Mutter zurücklassen: "Die lieben
Wurstäuglein im Kohl." Der Baumeister Pontius hat den
Bildhauer zu sich geladen. Nachdem die Speisereste abgeräumt
waren, kündigt Pollux dem Pontius an: "Die Stunde naht, in
der ich dir die Wohlthaten, die du meinem Magen zu verschie-
denen Zeiten erwiesen, zu vergelten suchen werde. Meine Mutter
kann dir morgen ihr Kohlgericht vorsetzen. Eher ging's nicht,
denn der in seiner Art einzige Wurstmacher, der König seiner
Zunft, bereitet nur in jeder Woche einmal seine saftigen kleinen
Cylinder. Vor wenigen Stunden hat er seine Würstlein
vollendet und morgen wärmt uns meine Mutter zum Frühstück
das edle Gericht auf, das heute Abend bereitet wurde -- denn,
ich sagte dir's schon, -- im aufgewärmten Zustand ist es erst das
Jdeal seiner Gattung." Das so gepriesene Gericht, wird jedoch
früher vertilgt. Hadrian, der als Baumeister Claudius Venator
eingeführt wird, ist zu den Künstlern gekommen, klagt über

Schulter ab und rief: „Jch ſchaffe dies Stümperwerk aus der
Welt, weil es mich ärgert. — — Urtheil gegen Urtheil; ſo iſt
es gerecht.‟ Schon hat der Künſtler dem ſcheinbaren Fremdling
Fauſtſchläge angedroht, als dieſer aber mit gekreuzten Armen
ganz nahe an ihn herantritt, erkennt er in ihm den Kaiſer.
„Der bin ich,‟ knirſchte Hadrian, „und wenn du als Künſtler
dich mehr dünkſt als ich, ſo werd ich dir zeigen, wer von uns
beiden der Spatz iſt und wer der Adler.‟ Ebenfalls incognito
kommt Hadrian mit ſeinem eignen Palaſtverwalter Keraunus
in einen heftigen Wortwechſel: „Soll ich dir ſagen, wer ich bin?‟
ſchrie der Verwalter. „Ein Dummkopf biſt du,‟ entgegnete der
Herrſcher, indem er verächtlich die Achſeln zuckte. Dann fügte
er kühl, vornehm, beinahe gleichgiltig hinzu: „Jch bin der Kaiſer‟.
Schwerlich war das vornehm, den Diener zu ſchimpfen und ſich
dann ganz zuletzt als den Herrn des Dieners vorzuſtellen. —

Wie nicht ſelten Kleinigkeiten im Leben eine bedeutende
Rolle ſpielen, ſo von Rechtswegen auch im Roman, wenn er ein
„echtes Kunſtwerk‟ ſein ſoll. Der Bildhauer Pollux muß, um
ſeine Arbeiten vor Ankunft des Kaiſers zu fördern, ſich ohne
Verzug in ſeine Werkſtatt begeben und zu dem Ende ein delicates
Eſſen in der Wohnung ſeiner Mutter zurücklaſſen: „Die lieben
Wurſtäuglein im Kohl.‟ Der Baumeiſter Pontius hat den
Bildhauer zu ſich geladen. Nachdem die Speiſereſte abgeräumt
waren, kündigt Pollux dem Pontius an: „Die Stunde naht, in
der ich dir die Wohlthaten, die du meinem Magen zu verſchie-
denen Zeiten erwieſen, zu vergelten ſuchen werde. Meine Mutter
kann dir morgen ihr Kohlgericht vorſetzen. Eher ging’s nicht,
denn der in ſeiner Art einzige Wurſtmacher, der König ſeiner
Zunft, bereitet nur in jeder Woche einmal ſeine ſaftigen kleinen
Cylinder. Vor wenigen Stunden hat er ſeine Würſtlein
vollendet und morgen wärmt uns meine Mutter zum Frühſtück
das edle Gericht auf, das heute Abend bereitet wurde — denn,
ich ſagte dir’s ſchon, — im aufgewärmten Zuſtand iſt es erſt das
Jdeal ſeiner Gattung.‟ Das ſo geprieſene Gericht, wird jedoch
früher vertilgt. Hadrian, der als Baumeiſter Claudius Venator
eingeführt wird, iſt zu den Künſtlern gekommen, klagt über

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0031" n="31 223"/>
Schulter ab und rief: &#x201E;Jch &#x017F;chaffe dies Stümperwerk aus der<lb/>
Welt, weil es mich ärgert. &#x2014; &#x2014; Urtheil gegen Urtheil; &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es gerecht.&#x201F; Schon hat der Kün&#x017F;tler dem &#x017F;cheinbaren Fremdling<lb/>
Fau&#x017F;t&#x017F;chläge angedroht, als die&#x017F;er aber mit gekreuzten Armen<lb/>
ganz nahe an ihn herantritt, erkennt er in ihm den Kai&#x017F;er.<lb/>
&#x201E;Der bin ich,&#x201F; knir&#x017F;chte Hadrian, &#x201E;und wenn du als Kün&#x017F;tler<lb/>
dich mehr dünk&#x017F;t als ich, &#x017F;o werd ich dir zeigen, wer von uns<lb/>
beiden der Spatz i&#x017F;t und wer der Adler.&#x201F; Ebenfalls incognito<lb/>
kommt Hadrian mit &#x017F;einem eignen Pala&#x017F;tverwalter <hi rendition="#g">Keraunus</hi><lb/>
in einen heftigen Wortwech&#x017F;el: &#x201E;Soll ich dir &#x017F;agen, wer ich bin?&#x201F;<lb/>
&#x017F;chrie der Verwalter. &#x201E;Ein Dummkopf bi&#x017F;t du,&#x201F; entgegnete der<lb/>
Herr&#x017F;cher, indem er verächtlich die Ach&#x017F;eln zuckte. Dann fügte<lb/>
er kühl, vornehm, beinahe gleichgiltig hinzu: &#x201E;Jch bin der Kai&#x017F;er&#x201F;.<lb/>
Schwerlich war das vornehm, den Diener zu &#x017F;chimpfen und &#x017F;ich<lb/>
dann ganz zuletzt als den Herrn des Dieners vorzu&#x017F;tellen. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Wie nicht &#x017F;elten Kleinigkeiten im Leben eine bedeutende<lb/>
Rolle &#x017F;pielen, &#x017F;o von Rechtswegen auch im Roman, wenn er ein<lb/>
&#x201E;echtes Kun&#x017F;twerk&#x201F; &#x017F;ein &#x017F;oll. Der Bildhauer Pollux muß, um<lb/>
&#x017F;eine Arbeiten vor Ankunft des Kai&#x017F;ers zu fördern, &#x017F;ich ohne<lb/>
Verzug in &#x017F;eine Werk&#x017F;tatt begeben und zu dem Ende ein delicates<lb/>
E&#x017F;&#x017F;en in der Wohnung &#x017F;einer Mutter zurückla&#x017F;&#x017F;en: &#x201E;Die lieben<lb/>
Wur&#x017F;täuglein im Kohl.&#x201F; Der Baumei&#x017F;ter <hi rendition="#g">Pontius</hi> hat den<lb/>
Bildhauer zu &#x017F;ich geladen. Nachdem die Spei&#x017F;ere&#x017F;te abgeräumt<lb/>
waren, kündigt Pollux dem Pontius an: &#x201E;Die Stunde naht, in<lb/>
der ich dir die Wohlthaten, die du meinem Magen zu ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Zeiten erwie&#x017F;en, zu vergelten &#x017F;uchen werde. Meine Mutter<lb/>
kann dir morgen ihr Kohlgericht vor&#x017F;etzen. Eher ging&#x2019;s nicht,<lb/>
denn der in &#x017F;einer Art einzige Wur&#x017F;tmacher, der König &#x017F;einer<lb/>
Zunft, bereitet nur in jeder Woche einmal &#x017F;eine &#x017F;aftigen kleinen<lb/>
Cylinder. Vor wenigen Stunden hat er &#x017F;eine Wür&#x017F;tlein<lb/>
vollendet und morgen wärmt uns meine Mutter zum Früh&#x017F;tück<lb/>
das edle Gericht auf, das heute Abend bereitet wurde &#x2014; denn,<lb/>
ich &#x017F;agte dir&#x2019;s &#x017F;chon, &#x2014; im aufgewärmten Zu&#x017F;tand i&#x017F;t es er&#x017F;t das<lb/>
Jdeal &#x017F;einer Gattung.&#x201F; Das &#x017F;o geprie&#x017F;ene Gericht, wird jedoch<lb/>
früher vertilgt. Hadrian, der als Baumei&#x017F;ter Claudius Venator<lb/>
eingeführt wird, i&#x017F;t zu den Kün&#x017F;tlern gekommen, klagt über<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31 223/0031] Schulter ab und rief: „Jch ſchaffe dies Stümperwerk aus der Welt, weil es mich ärgert. — — Urtheil gegen Urtheil; ſo iſt es gerecht.‟ Schon hat der Künſtler dem ſcheinbaren Fremdling Fauſtſchläge angedroht, als dieſer aber mit gekreuzten Armen ganz nahe an ihn herantritt, erkennt er in ihm den Kaiſer. „Der bin ich,‟ knirſchte Hadrian, „und wenn du als Künſtler dich mehr dünkſt als ich, ſo werd ich dir zeigen, wer von uns beiden der Spatz iſt und wer der Adler.‟ Ebenfalls incognito kommt Hadrian mit ſeinem eignen Palaſtverwalter Keraunus in einen heftigen Wortwechſel: „Soll ich dir ſagen, wer ich bin?‟ ſchrie der Verwalter. „Ein Dummkopf biſt du,‟ entgegnete der Herrſcher, indem er verächtlich die Achſeln zuckte. Dann fügte er kühl, vornehm, beinahe gleichgiltig hinzu: „Jch bin der Kaiſer‟. Schwerlich war das vornehm, den Diener zu ſchimpfen und ſich dann ganz zuletzt als den Herrn des Dieners vorzuſtellen. — Wie nicht ſelten Kleinigkeiten im Leben eine bedeutende Rolle ſpielen, ſo von Rechtswegen auch im Roman, wenn er ein „echtes Kunſtwerk‟ ſein ſoll. Der Bildhauer Pollux muß, um ſeine Arbeiten vor Ankunft des Kaiſers zu fördern, ſich ohne Verzug in ſeine Werkſtatt begeben und zu dem Ende ein delicates Eſſen in der Wohnung ſeiner Mutter zurücklaſſen: „Die lieben Wurſtäuglein im Kohl.‟ Der Baumeiſter Pontius hat den Bildhauer zu ſich geladen. Nachdem die Speiſereſte abgeräumt waren, kündigt Pollux dem Pontius an: „Die Stunde naht, in der ich dir die Wohlthaten, die du meinem Magen zu verſchie- denen Zeiten erwieſen, zu vergelten ſuchen werde. Meine Mutter kann dir morgen ihr Kohlgericht vorſetzen. Eher ging’s nicht, denn der in ſeiner Art einzige Wurſtmacher, der König ſeiner Zunft, bereitet nur in jeder Woche einmal ſeine ſaftigen kleinen Cylinder. Vor wenigen Stunden hat er ſeine Würſtlein vollendet und morgen wärmt uns meine Mutter zum Frühſtück das edle Gericht auf, das heute Abend bereitet wurde — denn, ich ſagte dir’s ſchon, — im aufgewärmten Zuſtand iſt es erſt das Jdeal ſeiner Gattung.‟ Das ſo geprieſene Gericht, wird jedoch früher vertilgt. Hadrian, der als Baumeiſter Claudius Venator eingeführt wird, iſt zu den Künſtlern gekommen, klagt über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Autorname, Autorvorname: Kurztitel. In: Kurztitel… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/31
Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 31 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/31>, abgerufen am 24.04.2024.