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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Künste seien ihm lieb gewesen. Jn den Bädern, der Palästra
und bei frohen Gelagen sei ihm das Leben hingegangen. Seit
dem vierzigsten Jahre plagen ihn die Lockungen der Welt immer
seltner. "Jch denke nie an Alexandria und immer an heilige
Dinge; aber wenn mir der Fischgeruch (gelegentlich der Begeg-
nung mit Botengängern) in die Nase steigt, so tritt der Markt
vor meine Augen, und ich sehe die Fischstände und Austern. ..."
"Die von Kanopus sind ausgezeichnet," unterbrach ihn Stepha-
nus, "man macht dort kleine Pastetchen ..." Paulus wischte
sich die bärtigen Lippen mit dem Rücken der Hand und rief:
"Bei dem dicken Garkoch Philemon in der herakleotischen Straße!"
Hiermit will Paulus abbrechen, aber der an Schlaflosigkeit
leidende Stephanus verlangt weiteren Bericht. Bei allem fröh-
lichen Leben, das ihm des Vaters Reichthum bot, war Paulus
nicht glücklich. Wenn er einmal "nicht im Kreise der frohen
Kumpane und gefälligen Dirnen war, kam es ihm vor, als
wanderte er an einem schwarzen Abgrunde hin. Die fromme
Mutter opferte in allen möglichen Tempeln, der Vater spottete
über den Glauben der Menge, der Bruder hielt sich zur Lehre
des Jamblichus, Ablavius und andrer Neuplatoniker. Nach der
Eltern Tod überließ er die väterlichen Papierfabriken und das
Geschäftswesen dem Bruder, um sich auf einem Landgute an
Pferden und Wein zu ergötzen. "Der Tag gehörte den Bädern
und der Ringbahn, die Nächte aber wurden durchzecht, bald bei
mir, bald bei einem Freunde, bald auch in einem der Herbergs-
häuser zu Kanopus, in denen Gesang und Tanz der schönsten
Griechinnen die Gastmäler würzte." Einst bekam er "im Gast-
hause der Lesbierin Archidike Händel mit einigen jungen adligen
"Offizieren" wegen Pferden und Frauen. Auf dem Heimweg
wurde er überfallen und "zerhackt wie das Wurstfleisch beim
Metzger". Christen fanden den Halbtodten und brachten ihn in
das Haus des Presbyters Eusebius, dessen verwittwete Schwester
Diakonissin der Stadt war. Durch beide wurden ihm das Kreuz
und die Dornenkrone dessen gezeigt, der auch um seinetwillen
gelitten hat. Er wurde getauft und in der Zeit der Christen-
verfolgung hat er für seinen Glauben in den Porphyrbrüchen

Künſte ſeien ihm lieb geweſen. Jn den Bädern, der Paläſtra
und bei frohen Gelagen ſei ihm das Leben hingegangen. Seit
dem vierzigſten Jahre plagen ihn die Lockungen der Welt immer
ſeltner. „Jch denke nie an Alexandria und immer an heilige
Dinge; aber wenn mir der Fiſchgeruch (gelegentlich der Begeg-
nung mit Botengängern) in die Naſe ſteigt, ſo tritt der Markt
vor meine Augen, und ich ſehe die Fiſchſtände und Auſtern. …‟
„Die von Kanopus ſind ausgezeichnet,‟ unterbrach ihn Stepha-
nus, „man macht dort kleine Paſtetchen …‟ Paulus wiſchte
ſich die bärtigen Lippen mit dem Rücken der Hand und rief:
„Bei dem dicken Garkoch Philemon in der herakleotiſchen Straße!‟
Hiermit will Paulus abbrechen, aber der an Schlafloſigkeit
leidende Stephanus verlangt weiteren Bericht. Bei allem fröh-
lichen Leben, das ihm des Vaters Reichthum bot, war Paulus
nicht glücklich. Wenn er einmal „nicht im Kreiſe der frohen
Kumpane und gefälligen Dirnen war, kam es ihm vor, als
wanderte er an einem ſchwarzen Abgrunde hin. Die fromme
Mutter opferte in allen möglichen Tempeln, der Vater ſpottete
über den Glauben der Menge, der Bruder hielt ſich zur Lehre
des Jamblichus, Ablavius und andrer Neuplatoniker. Nach der
Eltern Tod überließ er die väterlichen Papierfabriken und das
Geſchäftsweſen dem Bruder, um ſich auf einem Landgute an
Pferden und Wein zu ergötzen. „Der Tag gehörte den Bädern
und der Ringbahn, die Nächte aber wurden durchzecht, bald bei
mir, bald bei einem Freunde, bald auch in einem der Herbergs-
häuſer zu Kanopus, in denen Geſang und Tanz der ſchönſten
Griechinnen die Gaſtmäler würzte.‟ Einſt bekam er „im Gaſt-
hauſe der Leſbierin Archidike Händel mit einigen jungen adligen
„Offizieren‟ wegen Pferden und Frauen. Auf dem Heimweg
wurde er überfallen und „zerhackt wie das Wurſtfleiſch beim
Metzger‟. Chriſten fanden den Halbtodten und brachten ihn in
das Haus des Presbyters Euſebius, deſſen verwittwete Schweſter
Diakoniſſin der Stadt war. Durch beide wurden ihm das Kreuz
und die Dornenkrone deſſen gezeigt, der auch um ſeinetwillen
gelitten hat. Er wurde getauft und in der Zeit der Chriſten-
verfolgung hat er für ſeinen Glauben in den Porphyrbrüchen

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[18 210/0018] Künſte ſeien ihm lieb geweſen. Jn den Bädern, der Paläſtra und bei frohen Gelagen ſei ihm das Leben hingegangen. Seit dem vierzigſten Jahre plagen ihn die Lockungen der Welt immer ſeltner. „Jch denke nie an Alexandria und immer an heilige Dinge; aber wenn mir der Fiſchgeruch (gelegentlich der Begeg- nung mit Botengängern) in die Naſe ſteigt, ſo tritt der Markt vor meine Augen, und ich ſehe die Fiſchſtände und Auſtern. …‟ „Die von Kanopus ſind ausgezeichnet,‟ unterbrach ihn Stepha- nus, „man macht dort kleine Paſtetchen …‟ Paulus wiſchte ſich die bärtigen Lippen mit dem Rücken der Hand und rief: „Bei dem dicken Garkoch Philemon in der herakleotiſchen Straße!‟ Hiermit will Paulus abbrechen, aber der an Schlafloſigkeit leidende Stephanus verlangt weiteren Bericht. Bei allem fröh- lichen Leben, das ihm des Vaters Reichthum bot, war Paulus nicht glücklich. Wenn er einmal „nicht im Kreiſe der frohen Kumpane und gefälligen Dirnen war, kam es ihm vor, als wanderte er an einem ſchwarzen Abgrunde hin. Die fromme Mutter opferte in allen möglichen Tempeln, der Vater ſpottete über den Glauben der Menge, der Bruder hielt ſich zur Lehre des Jamblichus, Ablavius und andrer Neuplatoniker. Nach der Eltern Tod überließ er die väterlichen Papierfabriken und das Geſchäftsweſen dem Bruder, um ſich auf einem Landgute an Pferden und Wein zu ergötzen. „Der Tag gehörte den Bädern und der Ringbahn, die Nächte aber wurden durchzecht, bald bei mir, bald bei einem Freunde, bald auch in einem der Herbergs- häuſer zu Kanopus, in denen Geſang und Tanz der ſchönſten Griechinnen die Gaſtmäler würzte.‟ Einſt bekam er „im Gaſt- hauſe der Leſbierin Archidike Händel mit einigen jungen adligen „Offizieren‟ wegen Pferden und Frauen. Auf dem Heimweg wurde er überfallen und „zerhackt wie das Wurſtfleiſch beim Metzger‟. Chriſten fanden den Halbtodten und brachten ihn in das Haus des Presbyters Euſebius, deſſen verwittwete Schweſter Diakoniſſin der Stadt war. Durch beide wurden ihm das Kreuz und die Dornenkrone deſſen gezeigt, der auch um ſeinetwillen gelitten hat. Er wurde getauft und in der Zeit der Chriſten- verfolgung hat er für ſeinen Glauben in den Porphyrbrüchen

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 18 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/18>, abgerufen am 20.04.2024.