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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Dank und Andacht, daß es ihn antrieb, in lautem Gesange dem
mächtigen Drange seiner Empfindungen Ausdruck zu geben.
Aber sein Mund verstummte und schweigend kniete er nieder um
zu beten und zu danken." Die egyptischen Götter, fühlte er,
waren nicht hier. Jm Luftzug schwanden die Nebel und er er-
blickte "die vielzackige Krone des heiligen Sinaiberges". "Alles
still, alles unberührt von der Hand des Menschen und doch (!)
zu einem großen, herrlichen Ganzen gefügt, doch (!) allen Ge-
setzen des Alls unterworfen, doch (!) voll von der Gottheit."
"Zu euch bete ich nicht," murmelte er im Gedanken an die Nil-
götter, hier wo mein Blick wie der eines Gottes (!) die Ferne
umfaßt, hier fühl ich den Einen, hier ist er mir nah, hier ruf ich
ihn an, hier will ich ihm danken!" Und die Arme erhebend
betete der aufgeklärte, geistvolle Poet: "Du Einer, du Einer,
du Einer!" "Er sagte nichts weiter, aber ein hohes Lied des
Dankens und Rühmens erfüllte seine Brust, während er diese
Worte sprach." Als sich Pentaur aus dem Staube erhob, stand
Moses neben ihm und sagte zu ihm: "Wohl dir, du suchest den
wahren Gott." Darauf ging die Sonne auf. Pentaur kehrte
ihr sein Angesicht zu und betete nach seiner Gewohnheit. Moses
wandte der Sonne den Rücken und betete auch. Pentaur fragte
ihn: "warum wandtest du dich ab von des Sonnengottes Er-
scheinung? Es ward uns gelehrt, ihm entgegen zu schauen, wenn
er naht." "Weil ich," gab sein ernster Gefährte zurück, "zu
einem andern bete wie ihr. Die Sonne und alle Sterne sind
wie Spielbälle der Kinder in seiner Hand, die Erde ist seiner
Füße Schemel, der Sturmwind sein Athem und das Meer ist vor
seinen Augen wie der Tropfen an diesem Halme." "Lehre mich
den Großen kennen, zu dem du betest!" rief Pentaur. "Suche
ihn!
" entgegnete der Andere, "und du wirst ihn finden, denn
aus Leid und Elend kommst du, und an dieser Stätte, an einem
Morgen wie diesem, ward er mir offenbar." Sprach's und ver-
schwand hinter einem Felsen. Beim Herabgehen begegnet Bent
Anat dem Geliebten, sie ruft ihn mit seinem Namen, er öffnet
weit seine Arme und die Tochter des Königs sinkt an seine Brust.
"Und er zog sie an sich, als wollt er sie halten und nimmer

Dank und Andacht, daß es ihn antrieb, in lautem Geſange dem
mächtigen Drange ſeiner Empfindungen Ausdruck zu geben.
Aber ſein Mund verſtummte und ſchweigend kniete er nieder um
zu beten und zu danken.‟ Die egyptiſchen Götter, fühlte er,
waren nicht hier. Jm Luftzug ſchwanden die Nebel und er er-
blickte „die vielzackige Krone des heiligen Sinaiberges‟. „Alles
ſtill, alles unberührt von der Hand des Menſchen und doch (!)
zu einem großen, herrlichen Ganzen gefügt, doch (!) allen Ge-
ſetzen des Alls unterworfen, doch (!) voll von der Gottheit.‟
„Zu euch bete ich nicht,‟ murmelte er im Gedanken an die Nil-
götter, hier wo mein Blick wie der eines Gottes (!) die Ferne
umfaßt, hier fühl ich den Einen, hier iſt er mir nah, hier ruf ich
ihn an, hier will ich ihm danken!‟ Und die Arme erhebend
betete der aufgeklärte, geiſtvolle Poet: „Du Einer, du Einer,
du Einer!‟ „Er ſagte nichts weiter, aber ein hohes Lied des
Dankens und Rühmens erfüllte ſeine Bruſt, während er dieſe
Worte ſprach.‟ Als ſich Pentaur aus dem Staube erhob, ſtand
Moſes neben ihm und ſagte zu ihm: „Wohl dir, du ſucheſt den
wahren Gott.‟ Darauf ging die Sonne auf. Pentaur kehrte
ihr ſein Angeſicht zu und betete nach ſeiner Gewohnheit. Moſes
wandte der Sonne den Rücken und betete auch. Pentaur fragte
ihn: „warum wandteſt du dich ab von des Sonnengottes Er-
ſcheinung? Es ward uns gelehrt, ihm entgegen zu ſchauen, wenn
er naht.‟ „Weil ich,‟ gab ſein ernſter Gefährte zurück, „zu
einem andern bete wie ihr. Die Sonne und alle Sterne ſind
wie Spielbälle der Kinder in ſeiner Hand, die Erde iſt ſeiner
Füße Schemel, der Sturmwind ſein Athem und das Meer iſt vor
ſeinen Augen wie der Tropfen an dieſem Halme.‟ „Lehre mich
den Großen kennen, zu dem du beteſt!‟ rief Pentaur. „Suche
ihn!
‟ entgegnete der Andere, „und du wirſt ihn finden, denn
aus Leid und Elend kommſt du, und an dieſer Stätte, an einem
Morgen wie dieſem, ward er mir offenbar.‟ Sprach’s und ver-
ſchwand hinter einem Felſen. Beim Herabgehen begegnet Bent
Anat dem Geliebten, ſie ruft ihn mit ſeinem Namen, er öffnet
weit ſeine Arme und die Tochter des Königs ſinkt an ſeine Bruſt.
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[14 206/0014] Dank und Andacht, daß es ihn antrieb, in lautem Geſange dem mächtigen Drange ſeiner Empfindungen Ausdruck zu geben. Aber ſein Mund verſtummte und ſchweigend kniete er nieder um zu beten und zu danken.‟ Die egyptiſchen Götter, fühlte er, waren nicht hier. Jm Luftzug ſchwanden die Nebel und er er- blickte „die vielzackige Krone des heiligen Sinaiberges‟. „Alles ſtill, alles unberührt von der Hand des Menſchen und doch (!) zu einem großen, herrlichen Ganzen gefügt, doch (!) allen Ge- ſetzen des Alls unterworfen, doch (!) voll von der Gottheit.‟ „Zu euch bete ich nicht,‟ murmelte er im Gedanken an die Nil- götter, hier wo mein Blick wie der eines Gottes (!) die Ferne umfaßt, hier fühl ich den Einen, hier iſt er mir nah, hier ruf ich ihn an, hier will ich ihm danken!‟ Und die Arme erhebend betete der aufgeklärte, geiſtvolle Poet: „Du Einer, du Einer, du Einer!‟ „Er ſagte nichts weiter, aber ein hohes Lied des Dankens und Rühmens erfüllte ſeine Bruſt, während er dieſe Worte ſprach.‟ Als ſich Pentaur aus dem Staube erhob, ſtand Moſes neben ihm und ſagte zu ihm: „Wohl dir, du ſucheſt den wahren Gott.‟ Darauf ging die Sonne auf. Pentaur kehrte ihr ſein Angeſicht zu und betete nach ſeiner Gewohnheit. Moſes wandte der Sonne den Rücken und betete auch. Pentaur fragte ihn: „warum wandteſt du dich ab von des Sonnengottes Er- ſcheinung? Es ward uns gelehrt, ihm entgegen zu ſchauen, wenn er naht.‟ „Weil ich,‟ gab ſein ernſter Gefährte zurück, „zu einem andern bete wie ihr. Die Sonne und alle Sterne ſind wie Spielbälle der Kinder in ſeiner Hand, die Erde iſt ſeiner Füße Schemel, der Sturmwind ſein Athem und das Meer iſt vor ſeinen Augen wie der Tropfen an dieſem Halme.‟ „Lehre mich den Großen kennen, zu dem du beteſt!‟ rief Pentaur. „Suche ihn!‟ entgegnete der Andere, „und du wirſt ihn finden, denn aus Leid und Elend kommſt du, und an dieſer Stätte, an einem Morgen wie dieſem, ward er mir offenbar.‟ Sprach’s und ver- ſchwand hinter einem Felſen. Beim Herabgehen begegnet Bent Anat dem Geliebten, ſie ruft ihn mit ſeinem Namen, er öffnet weit ſeine Arme und die Tochter des Königs ſinkt an ſeine Bruſt. „Und er zog ſie an ſich, als wollt er ſie halten und nimmer

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 14 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/14>, abgerufen am 18.04.2024.