Rückgrat die wagerechte Stellung verlässt, mithin ohne dass der Hinterhand das Gewicht der Vorhand zugeführt, und dadurch die abstossende Kraft derselben vermindert wird. An den unteren Theil der Schulter ist im Bug oder Schultergelenk das Arm- bein unter einem Winkel von 80 bis 100 Grad angesetzt.
Die Zusammenfügung unter einem Winkel von 90 Grad ist desshalb die vorzüglichste, weil durch sie die Nachgiebigkeit der Schulter bei der Rückdröhnung (von der weiter unten die Rede) am grössten sein wird. Ueber die schräge Stellung der Schul- ter sind alle Schriftsteller einig, es sind indessen mehrere, welche das Armbein nicht kurz genug haben können, damit es ja nicht mit seinem unteren Ende, woran das ganze Vorderbein gehängt ist, zu tief unter den Leib des Pferdes zu stehen komme, wodurch der grosse Fehler des Ueberhangens der Last über die Stütze entstehen würde. Nun aber ist das Armbein derjenige Theil, welcher durch seine Schwingungen das ganze an ihn angehängte Vorderbein vorwärts und rückwärts bewegt. Je länger der Radius, um so grösser der Kreisbogen, je länger mithin das Armbein, um so weiter die Bewegung.
Nur bei einer zu bedeutenden Länge des Schulterblatts wird ein verhältnissmässig langes Armbein die Vordergliedmassen zu weit unter den Leib bringen. Es zeigt die Prüfung derjenigen Pferde, welche sich durch grosse Schulterfreiheit auszeichnen, (ein Ausdruck, unter dem man in der Reitersprache eine leichte und weite Bewegung des Schulter- und Armbeins versteht), dass sie sehr schrägliegende, keineswegs aber sehr lange Schultern, wohl aber verhältnissmässig lange Armbeine haben. Die Bugspitze ist bei ihnen in Folge dessen ziemlich hoch gestellt. Diesen Bau finden wir ebenfalls bei allen denjenigen Thieren, die sich durch eine besondere Lauffähigkeit auszeichnen, Windhunde, Hirsche etc.
Der obere Schulterrand giebt ferner auch die Basis für den Hals ab, der sich um so höher stellt, je schräger die Schultern sind, und um so mehr vorhangend erscheint, je steiler sie stehen. Je weiter aber Kopf und Hals vorhangen, um so weiter muss der Vorderfuss vortreten, um die Last aufzu- fangen; er kann dies aber bei steiler Schulter um so weniger, wie- wohl er dessen um so mehr bedürfte. Mit der Länge der Schulter
Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Rückgrat die wagerechte Stellung verlässt, mithin ohne dass der Hinterhand das Gewicht der Vorhand zugeführt, und dadurch die abstossende Kraft derselben vermindert wird. An den unteren Theil der Schulter ist im Bug oder Schultergelenk das Arm- bein unter einem Winkel von 80 bis 100 Grad angesetzt.
Die Zusammenfügung unter einem Winkel von 90 Grad ist desshalb die vorzüglichste, weil durch sie die Nachgiebigkeit der Schulter bei der Rückdröhnung (von der weiter unten die Rede) am grössten sein wird. Ueber die schräge Stellung der Schul- ter sind alle Schriftsteller einig, es sind indessen mehrere, welche das Armbein nicht kurz genug haben können, damit es ja nicht mit seinem unteren Ende, woran das ganze Vorderbein gehängt ist, zu tief unter den Leib des Pferdes zu stehen komme, wodurch der grosse Fehler des Ueberhangens der Last über die Stütze entstehen würde. Nun aber ist das Armbein derjenige Theil, welcher durch seine Schwingungen das ganze an ihn angehängte Vorderbein vorwärts und rückwärts bewegt. Je länger der Radius, um so grösser der Kreisbogen, je länger mithin das Armbein, um so weiter die Bewegung.
Nur bei einer zu bedeutenden Länge des Schulterblatts wird ein verhältnissmässig langes Armbein die Vordergliedmassen zu weit unter den Leib bringen. Es zeigt die Prüfung derjenigen Pferde, welche sich durch grosse Schulterfreiheit auszeichnen, (ein Ausdruck, unter dem man in der Reitersprache eine leichte und weite Bewegung des Schulter- und Armbeins versteht), dass sie sehr schrägliegende, keineswegs aber sehr lange Schultern, wohl aber verhältnissmässig lange Armbeine haben. Die Bugspitze ist bei ihnen in Folge dessen ziemlich hoch gestellt. Diesen Bau finden wir ebenfalls bei allen denjenigen Thieren, die sich durch eine besondere Lauffähigkeit auszeichnen, Windhunde, Hirsche etc.
Der obere Schulterrand giebt ferner auch die Basis für den Hals ab, der sich um so höher stellt, je schräger die Schultern sind, und um so mehr vorhangend erscheint, je steiler sie stehen. Je weiter aber Kopf und Hals vorhangen, um so weiter muss der Vorderfuss vortreten, um die Last aufzu- fangen; er kann dies aber bei steiler Schulter um so weniger, wie- wohl er dessen um so mehr bedürfte. Mit der Länge der Schulter
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[10/0032]
Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Rückgrat die wagerechte Stellung verlässt, mithin ohne dass der
Hinterhand das Gewicht der Vorhand zugeführt, und dadurch die
abstossende Kraft derselben vermindert wird. An den unteren
Theil der Schulter ist im Bug oder Schultergelenk das Arm-
bein unter einem Winkel von 80 bis 100 Grad angesetzt.
Die Zusammenfügung unter einem Winkel von 90 Grad ist
desshalb die vorzüglichste, weil durch sie die Nachgiebigkeit der
Schulter bei der Rückdröhnung (von der weiter unten die Rede)
am grössten sein wird. Ueber die schräge Stellung der Schul-
ter sind alle Schriftsteller einig, es sind indessen mehrere, welche
das Armbein nicht kurz genug haben können, damit es ja nicht
mit seinem unteren Ende, woran das ganze Vorderbein gehängt
ist, zu tief unter den Leib des Pferdes zu stehen komme, wodurch
der grosse Fehler des Ueberhangens der Last über die Stütze
entstehen würde. Nun aber ist das Armbein derjenige Theil,
welcher durch seine Schwingungen das ganze an ihn angehängte
Vorderbein vorwärts und rückwärts bewegt. Je länger der Radius,
um so grösser der Kreisbogen, je länger mithin das Armbein, um
so weiter die Bewegung.
Nur bei einer zu bedeutenden Länge des Schulterblatts wird
ein verhältnissmässig langes Armbein die Vordergliedmassen zu
weit unter den Leib bringen. Es zeigt die Prüfung derjenigen
Pferde, welche sich durch grosse Schulterfreiheit auszeichnen,
(ein Ausdruck, unter dem man in der Reitersprache eine leichte
und weite Bewegung des Schulter- und Armbeins versteht), dass
sie sehr schrägliegende, keineswegs aber sehr lange Schultern, wohl
aber verhältnissmässig lange Armbeine haben. Die Bugspitze ist
bei ihnen in Folge dessen ziemlich hoch gestellt. Diesen Bau finden
wir ebenfalls bei allen denjenigen Thieren, die sich durch eine
besondere Lauffähigkeit auszeichnen, Windhunde, Hirsche etc.
Der obere Schulterrand giebt ferner auch die Basis für
den Hals ab, der sich um so höher stellt, je schräger die
Schultern sind, und um so mehr vorhangend erscheint, je
steiler sie stehen. Je weiter aber Kopf und Hals vorhangen,
um so weiter muss der Vorderfuss vortreten, um die Last aufzu-
fangen; er kann dies aber bei steiler Schulter um so weniger, wie-
wohl er dessen um so mehr bedürfte. Mit der Länge der Schulter
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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/32>, abgerufen am 16.02.2025.
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