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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Geschäft bei geöffneten Fenstern vorgenommen wird Der hiedurch
entstehende üble Geruch ist sehr bald beseitigt und erscheint mir
als eine geringe Belästigung im Verhältniss zu den Vortheilen.

Das Auflegen von Decken im Stall, mit Ausnahme
des Zudeckens nach dem Reiten, ist für Cavalleriepferde eine Ver-
weichlichung und würde streng zu wehren sein.

Eben so sollte das Verscheeren der Mäuler und
Beine
nicht gelitten werden. Die Haare am Maul sind die Fühl-
hörner des Pferdes bei Nacht; der Behang der Beine der natürliche
Schutz der Thiere vor Erkältung. Diese Beeinträchtigungen sind,
wie die allerdings gleichgültigeren Verdünnungen und Verkürzungen
von Schopf und Mähnen, und wie die Erzielung eines kurzen Deck-
haars, die nur zur Krankheit führen kann, unnütze Vorspiegelungen
des Racetypus, den das Thier nicht hat und welchen zu erheucheln
beim Gebrauchspferde, wo die Rücksichten auf Handel wegfallen,
am unrechten Orte sind. Ich finde aber auch, dass weder das Ge-
fühl für sorgfältige Pflege, noch für das Schöne darunter leidet.
Trägt das Thier den Stempel der Gesundheit beim langen, doch
glänzenden Haar, ist die lange, dicke Mähne rein und geordnet,
der Beinbehang trocken und sauber, so scheint mir, dass keine Idee
der Vernachlässigung durch sie hervorgerufen wird, wenn sie nicht
in der Mode-Idee liegt, die ja auch zur Zeit den vollen Bart des
Mannes eine honette Schweinerei nannte. Vom malerischen Stand-
punkte scheint mir ein Thier, das durch Form, Gang und Bewe-
gung die gemeine Abkunft verräth, mit jener üppigen Haarfülle
seiner Race viel harmonischer in seiner Erscheinung, als wenn es
verschoren und verputzt ist, und dennoch wieder das dicke Haar
der Mähne aufbäumend und vorstachelnd, mit zierlich verschnitte-
nem Schwanz daher tölpelt, wie ein Bauer, der mit Manschetten
und Glaceehandschuhen im Frack den Gentlemen spielt. Aber unser
verbildetes Bestreben nach Gleichmachen in der Form, wo kein
Gleichsein im Wesen ist (welches nebst Nachtheilen höherer Art,
die Harmonie und Originalität des Einzelwesens stört und unbe-
friedigende Eintönigkeit statt Harmonie erzeugt, und so das Male-
rische so gewaltig untergräbt), hat unser Auge so verwöhnt, dass
wir nicht davon abzulassen vermögen, und dem Bauer unmöglich
erlauben können, in seinem Kittel zu erscheinen.

Dann aber ist endlich die übertriebene Vorstellung von den
Vorzügen, die wir den hochedlen Racen einzuräumen uns gewöhnt
haben, viel Schuld daran, dass wir uns gleichsam schämen, nicht
lauter Vollblutpferde in unseren Gliedern zu haben. Schnelligkeit

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Geschäft bei geöffneten Fenstern vorgenommen wird Der hiedurch
entstehende üble Geruch ist sehr bald beseitigt und erscheint mir
als eine geringe Belästigung im Verhältniss zu den Vortheilen.

Das Auflegen von Decken im Stall, mit Ausnahme
des Zudeckens nach dem Reiten, ist für Cavalleriepferde eine Ver-
weichlichung und würde streng zu wehren sein.

Eben so sollte das Verscheeren der Mäuler und
Beine
nicht gelitten werden. Die Haare am Maul sind die Fühl-
hörner des Pferdes bei Nacht; der Behang der Beine der natürliche
Schutz der Thiere vor Erkältung. Diese Beeinträchtigungen sind,
wie die allerdings gleichgültigeren Verdünnungen und Verkürzungen
von Schopf und Mähnen, und wie die Erzielung eines kurzen Deck-
haars, die nur zur Krankheit führen kann, unnütze Vorspiegelungen
des Racetypus, den das Thier nicht hat und welchen zu erheucheln
beim Gebrauchspferde, wo die Rücksichten auf Handel wegfallen,
am unrechten Orte sind. Ich finde aber auch, dass weder das Ge-
fühl für sorgfältige Pflege, noch für das Schöne darunter leidet.
Trägt das Thier den Stempel der Gesundheit beim langen, doch
glänzenden Haar, ist die lange, dicke Mähne rein und geordnet,
der Beinbehang trocken und sauber, so scheint mir, dass keine Idee
der Vernachlässigung durch sie hervorgerufen wird, wenn sie nicht
in der Mode-Idee liegt, die ja auch zur Zeit den vollen Bart des
Mannes eine honette Schweinerei nannte. Vom malerischen Stand-
punkte scheint mir ein Thier, das durch Form, Gang und Bewe-
gung die gemeine Abkunft verräth, mit jener üppigen Haarfülle
seiner Race viel harmonischer in seiner Erscheinung, als wenn es
verschoren und verputzt ist, und dennoch wieder das dicke Haar
der Mähne aufbäumend und vorstachelnd, mit zierlich verschnitte-
nem Schwanz daher tölpelt, wie ein Bauer, der mit Manschetten
und Glaçéehandschuhen im Frack den Gentlemen spielt. Aber unser
verbildetes Bestreben nach Gleichmachen in der Form, wo kein
Gleichsein im Wesen ist (welches nebst Nachtheilen höherer Art,
die Harmonie und Originalität des Einzelwesens stört und unbe-
friedigende Eintönigkeit statt Harmonie erzeugt, und so das Male-
rische so gewaltig untergräbt), hat unser Auge so verwöhnt, dass
wir nicht davon abzulassen vermögen, und dem Bauer unmöglich
erlauben können, in seinem Kittel zu erscheinen.

Dann aber ist endlich die übertriebene Vorstellung von den
Vorzügen, die wir den hochedlen Racen einzuräumen uns gewöhnt
haben, viel Schuld daran, dass wir uns gleichsam schämen, nicht
lauter Vollblutpferde in unseren Gliedern zu haben. Schnelligkeit

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[297/0319] Anhang. Geschäft bei geöffneten Fenstern vorgenommen wird Der hiedurch entstehende üble Geruch ist sehr bald beseitigt und erscheint mir als eine geringe Belästigung im Verhältniss zu den Vortheilen. Das Auflegen von Decken im Stall, mit Ausnahme des Zudeckens nach dem Reiten, ist für Cavalleriepferde eine Ver- weichlichung und würde streng zu wehren sein. Eben so sollte das Verscheeren der Mäuler und Beine nicht gelitten werden. Die Haare am Maul sind die Fühl- hörner des Pferdes bei Nacht; der Behang der Beine der natürliche Schutz der Thiere vor Erkältung. Diese Beeinträchtigungen sind, wie die allerdings gleichgültigeren Verdünnungen und Verkürzungen von Schopf und Mähnen, und wie die Erzielung eines kurzen Deck- haars, die nur zur Krankheit führen kann, unnütze Vorspiegelungen des Racetypus, den das Thier nicht hat und welchen zu erheucheln beim Gebrauchspferde, wo die Rücksichten auf Handel wegfallen, am unrechten Orte sind. Ich finde aber auch, dass weder das Ge- fühl für sorgfältige Pflege, noch für das Schöne darunter leidet. Trägt das Thier den Stempel der Gesundheit beim langen, doch glänzenden Haar, ist die lange, dicke Mähne rein und geordnet, der Beinbehang trocken und sauber, so scheint mir, dass keine Idee der Vernachlässigung durch sie hervorgerufen wird, wenn sie nicht in der Mode-Idee liegt, die ja auch zur Zeit den vollen Bart des Mannes eine honette Schweinerei nannte. Vom malerischen Stand- punkte scheint mir ein Thier, das durch Form, Gang und Bewe- gung die gemeine Abkunft verräth, mit jener üppigen Haarfülle seiner Race viel harmonischer in seiner Erscheinung, als wenn es verschoren und verputzt ist, und dennoch wieder das dicke Haar der Mähne aufbäumend und vorstachelnd, mit zierlich verschnitte- nem Schwanz daher tölpelt, wie ein Bauer, der mit Manschetten und Glaçéehandschuhen im Frack den Gentlemen spielt. Aber unser verbildetes Bestreben nach Gleichmachen in der Form, wo kein Gleichsein im Wesen ist (welches nebst Nachtheilen höherer Art, die Harmonie und Originalität des Einzelwesens stört und unbe- friedigende Eintönigkeit statt Harmonie erzeugt, und so das Male- rische so gewaltig untergräbt), hat unser Auge so verwöhnt, dass wir nicht davon abzulassen vermögen, und dem Bauer unmöglich erlauben können, in seinem Kittel zu erscheinen. Dann aber ist endlich die übertriebene Vorstellung von den Vorzügen, die wir den hochedlen Racen einzuräumen uns gewöhnt haben, viel Schuld daran, dass wir uns gleichsam schämen, nicht lauter Vollblutpferde in unseren Gliedern zu haben. Schnelligkeit

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/319>, abgerufen am 05.05.2024.