Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.Von der Halsarbeit. gegangen. Ich habe häufig von Offizieren, welche die Nothwen-digkeit anerkannten, sich durch Selbstbesteigen von der Aus- bildung etc. zu überzeugen, als Grund, dass sie es nicht thaten, aussprechen hören, wie sie sich der Mannschaft gegenüber ein De- menti zu geben glaubten, wenn unter ihnen das Thier weniger gut gehe, als unter dem gemeinen Reiter. Der Offizier braucht dem Mann nicht zu sagen, er wolle ihm dies oder jenes vorrei- ten, wenn er seiner Sache nicht gewiss ist. Es kann Niemand erwarten, dass der Offizier eine Unart in 5 Minuten corrigirt, zu deren Beseitigung vielleicht eine ganz andere Zusammenstellung nöthig wird, die möglicherweise monatlanger Arbeit bedarf. Er will die Ursache erforschen, in welcher die Unart, die Wei- gerung etc. begründet liegt; aber er besteigt das Thier nicht, um mit ihm einen Kampf zu kämpfen. Besser ist es allerdings, dass der Offizier jene kritischen Momente des Ungehorsams nicht zu seinen Versuchen wählt, wenn er kein Vertrauen in die Festigkeit seines Sitzes und seine Reitfertigkeit hat. Aber ich glaube nicht, dass Jemand im Stande ist, ein genaues Urtheil über das Kraftverhältniss des Pferdes, namentlich des rohen, das noch nicht zur freien Anwendung seiner Gliedmassen kam, und dessen natürlicher Gang durch vielfachen Zwang verän- dert wird, abzugeben, zumal bei unregelmässigem und schwie- rigem Gebäude, ohne es je bestiegen zu haben. Er wird aber ohne dies Urtheil ausser Stande sein, die Grundzüge der Dressur, z. B. Höhe der Aufrichtung etc. dem Manne anzugeben und sich eine Menge von Erscheinungen klar zu machen, zu deren Benutzung oder Vermeidung er dem Manne die Mittel anzuzeigen hat. Wie sehr hat sich bei mir oft das ganze Bild meines Pferdes, das ich bereits Monate kannte, nachdem ich es bestiegen hatte, geändert, und wie oft habe ich mich geärgert, die Schuld von schlechten Resultaten dem Unrechten zugeschoben zu haben -- dem Reiter, wo das Pferd die Schuld trug -- dem Pferde, wo sie ledig- lich den Reiter treffen musste! Ein noch junges Pferd von einem Baue, der auf eine besondere Von der Halsarbeit. gegangen. Ich habe häufig von Offizieren, welche die Nothwen-digkeit anerkannten, sich durch Selbstbesteigen von der Aus- bildung etc. zu überzeugen, als Grund, dass sie es nicht thaten, aussprechen hören, wie sie sich der Mannschaft gegenüber ein De- menti zu geben glaubten, wenn unter ihnen das Thier weniger gut gehe, als unter dem gemeinen Reiter. Der Offizier braucht dem Mann nicht zu sagen, er wolle ihm dies oder jenes vorrei- ten, wenn er seiner Sache nicht gewiss ist. Es kann Niemand erwarten, dass der Offizier eine Unart in 5 Minuten corrigirt, zu deren Beseitigung vielleicht eine ganz andere Zusammenstellung nöthig wird, die möglicherweise monatlanger Arbeit bedarf. Er will die Ursache erforschen, in welcher die Unart, die Wei- gerung etc. begründet liegt; aber er besteigt das Thier nicht, um mit ihm einen Kampf zu kämpfen. Besser ist es allerdings, dass der Offizier jene kritischen Momente des Ungehorsams nicht zu seinen Versuchen wählt, wenn er kein Vertrauen in die Festigkeit seines Sitzes und seine Reitfertigkeit hat. Aber ich glaube nicht, dass Jemand im Stande ist, ein genaues Urtheil über das Kraftverhältniss des Pferdes, namentlich des rohen, das noch nicht zur freien Anwendung seiner Gliedmassen kam, und dessen natürlicher Gang durch vielfachen Zwang verän- dert wird, abzugeben, zumal bei unregelmässigem und schwie- rigem Gebäude, ohne es je bestiegen zu haben. Er wird aber ohne dies Urtheil ausser Stande sein, die Grundzüge der Dressur, z. B. Höhe der Aufrichtung etc. dem Manne anzugeben und sich eine Menge von Erscheinungen klar zu machen, zu deren Benutzung oder Vermeidung er dem Manne die Mittel anzuzeigen hat. Wie sehr hat sich bei mir oft das ganze Bild meines Pferdes, das ich bereits Monate kannte, nachdem ich es bestiegen hatte, geändert, und wie oft habe ich mich geärgert, die Schuld von schlechten Resultaten dem Unrechten zugeschoben zu haben — dem Reiter, wo das Pferd die Schuld trug — dem Pferde, wo sie ledig- lich den Reiter treffen musste! Ein noch junges Pferd von einem Baue, der auf eine besondere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0145" n="123"/><fw place="top" type="header">Von der Halsarbeit.</fw><lb/><hi rendition="#g">gegangen</hi>. 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Von der Halsarbeit.
gegangen. Ich habe häufig von Offizieren, welche die Nothwen-
digkeit anerkannten, sich durch Selbstbesteigen von der Aus-
bildung etc. zu überzeugen, als Grund, dass sie es nicht thaten,
aussprechen hören, wie sie sich der Mannschaft gegenüber ein De-
menti zu geben glaubten, wenn unter ihnen das Thier weniger
gut gehe, als unter dem gemeinen Reiter. Der Offizier braucht
dem Mann nicht zu sagen, er wolle ihm dies oder jenes vorrei-
ten, wenn er seiner Sache nicht gewiss ist. Es kann Niemand
erwarten, dass der Offizier eine Unart in 5 Minuten corrigirt, zu
deren Beseitigung vielleicht eine ganz andere Zusammenstellung
nöthig wird, die möglicherweise monatlanger Arbeit bedarf. Er
will die Ursache erforschen, in welcher die Unart, die Wei-
gerung etc. begründet liegt; aber er besteigt das Thier nicht, um
mit ihm einen Kampf zu kämpfen. Besser ist es allerdings, dass
der Offizier jene kritischen Momente des Ungehorsams nicht zu
seinen Versuchen wählt, wenn er kein Vertrauen in die Festigkeit
seines Sitzes und seine Reitfertigkeit hat. Aber ich glaube
nicht, dass Jemand im Stande ist, ein genaues Urtheil
über das Kraftverhältniss des Pferdes, namentlich des
rohen, das noch nicht zur freien Anwendung seiner Gliedmassen
kam, und dessen natürlicher Gang durch vielfachen Zwang verän-
dert wird, abzugeben, zumal bei unregelmässigem und schwie-
rigem Gebäude, ohne es je bestiegen zu haben. Er wird
aber ohne dies Urtheil ausser Stande sein, die Grundzüge der
Dressur, z. B. Höhe der Aufrichtung etc. dem Manne anzugeben
und sich eine Menge von Erscheinungen klar zu machen, zu deren
Benutzung oder Vermeidung er dem Manne die Mittel anzuzeigen
hat. Wie sehr hat sich bei mir oft das ganze Bild meines Pferdes,
das ich bereits Monate kannte, nachdem ich es bestiegen hatte,
geändert, und wie oft habe ich mich geärgert, die Schuld von
schlechten Resultaten dem Unrechten zugeschoben zu haben — dem
Reiter, wo das Pferd die Schuld trug — dem Pferde, wo sie ledig-
lich den Reiter treffen musste!
Ein noch junges Pferd von einem Baue, der auf eine besondere
Schwäche der Hinterhand schliessen liess, und welches elend im
Futter war, galt, als ich die Escadron übernahm, als ein Straf-
pferd, da niemand es im Fanfaro-Galopp zu halten vermochte.
Mir schien der Grund in der Unmöglichkeit zu liegen, dass das
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