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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Von der Halsarbeit.

So viel steht fest, dass früher vor 20--30 Jahren eben so viel
durch übermässiges und unzeitiges Aufrichten gescha-
det wurde
, indem dadurch viele Thiere um allen Gang gebracht
wurden, als später durch übermässiges und unzeitiges Bei-
zäumen
, wozu Herr Baucher allerdings das Seinige beigetragen
haben mag. Wie damals gegen jede Untugend und jede
Schwierigkeit eine vermehrte Aufrichtung dienen sollte, wurde
später das Beizäumen als Universal-Recept verschrieben.
Erst in neuester Zeit richtet man auf, zäumt man bei und
biegt ab, bearbeitet den Hals in allen Richtungen, aber es scheint
mir, man zieht aus seiner Bearbeitung nicht den gehörigen Nuz-
zen für die Biegung der Hinterhand, und ist somit noch nicht
am Ziele.

Ehe wir uns mit dem Halse beschäftigen können,
werden wir das Widerstreben der Kiefermuskeln,
welches gegen den Druck des Gebisses auf den Laden
ankämpft, beseitigt und es dahin gebracht haben
müssen, dass der Druck des Gebisses eine Zurück-
nahme des Kopfes zur Folge hat
, und man durch diese auf
die Halswirbelsäule wirken kann. Gegendehnen mit beiden Laden
oder mit einer Lade bei Vorschieben des Unterkiefers werden sehr
häufig fälschlich als Widerstrebungen der Halsmuskeln angesehen,
sind jedoch von diesen sehr wohl zu unterscheiden. Die Baucher'sche
Methode, diese Widerstrebungen an der Hand zu überwinden,
ist höcht zweckmässig. Wir werden im 2. Theile das Fernere
darüber sagen.

Gehen wir nun näher auf die Beizäumung über. Wir ver-
stehen unter Beizäumung die allmälige Abwärtsbiegung des Halses
in den drei oberen Halswirbeln. Es wird vermöge der eigenthüm-
lichen Construction die stärkste Biegung zwischen dem 1. und 2.
Halswirbel stattfinden, es müssen indess, wenn keine Knickung vor-
kommen soll, die beiden anderen an der Biegung Theil nehmen.

Die Hindernisse liegen theils in einer engen Verbindung
dieser Wirbel und einem straff gezogenen Nackenbande,
theils in der geringen Dehnbarkeit der Ohrendrüsen.
Um das Wesen der letzteren genauer beurtheilen zu können, müssen
wir die anatomischen Verhältnisse näher ins Auge fassen.

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Von der Halsarbeit.

So viel steht fest, dass früher vor 20—30 Jahren eben so viel
durch übermässiges und unzeitiges Aufrichten gescha-
det wurde
, indem dadurch viele Thiere um allen Gang gebracht
wurden, als später durch übermässiges und unzeitiges Bei-
zäumen
, wozu Herr Baucher allerdings das Seinige beigetragen
haben mag. Wie damals gegen jede Untugend und jede
Schwierigkeit eine vermehrte Aufrichtung dienen sollte, wurde
später das Beizäumen als Universal-Recept verschrieben.
Erst in neuester Zeit richtet man auf, zäumt man bei und
biegt ab, bearbeitet den Hals in allen Richtungen, aber es scheint
mir, man zieht aus seiner Bearbeitung nicht den gehörigen Nuz-
zen für die Biegung der Hinterhand, und ist somit noch nicht
am Ziele.

Ehe wir uns mit dem Halse beschäftigen können,
werden wir das Widerstreben der Kiefermuskeln,
welches gegen den Druck des Gebisses auf den Laden
ankämpft, beseitigt und es dahin gebracht haben
müssen, dass der Druck des Gebisses eine Zurück-
nahme des Kopfes zur Folge hat
, und man durch diese auf
die Halswirbelsäule wirken kann. Gegendehnen mit beiden Laden
oder mit einer Lade bei Vorschieben des Unterkiefers werden sehr
häufig fälschlich als Widerstrebungen der Halsmuskeln angesehen,
sind jedoch von diesen sehr wohl zu unterscheiden. Die Baucher’sche
Methode, diese Widerstrebungen an der Hand zu überwinden,
ist höcht zweckmässig. Wir werden im 2. Theile das Fernere
darüber sagen.

Gehen wir nun näher auf die Beizäumung über. Wir ver-
stehen unter Beizäumung die allmälige Abwärtsbiegung des Halses
in den drei oberen Halswirbeln. Es wird vermöge der eigenthüm-
lichen Construction die stärkste Biegung zwischen dem 1. und 2.
Halswirbel stattfinden, es müssen indess, wenn keine Knickung vor-
kommen soll, die beiden anderen an der Biegung Theil nehmen.

Die Hindernisse liegen theils in einer engen Verbindung
dieser Wirbel und einem straff gezogenen Nackenbande,
theils in der geringen Dehnbarkeit der Ohrendrüsen.
Um das Wesen der letzteren genauer beurtheilen zu können, müssen
wir die anatomischen Verhältnisse näher ins Auge fassen.

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[115/0137] Von der Halsarbeit. So viel steht fest, dass früher vor 20—30 Jahren eben so viel durch übermässiges und unzeitiges Aufrichten gescha- det wurde, indem dadurch viele Thiere um allen Gang gebracht wurden, als später durch übermässiges und unzeitiges Bei- zäumen, wozu Herr Baucher allerdings das Seinige beigetragen haben mag. Wie damals gegen jede Untugend und jede Schwierigkeit eine vermehrte Aufrichtung dienen sollte, wurde später das Beizäumen als Universal-Recept verschrieben. Erst in neuester Zeit richtet man auf, zäumt man bei und biegt ab, bearbeitet den Hals in allen Richtungen, aber es scheint mir, man zieht aus seiner Bearbeitung nicht den gehörigen Nuz- zen für die Biegung der Hinterhand, und ist somit noch nicht am Ziele. Ehe wir uns mit dem Halse beschäftigen können, werden wir das Widerstreben der Kiefermuskeln, welches gegen den Druck des Gebisses auf den Laden ankämpft, beseitigt und es dahin gebracht haben müssen, dass der Druck des Gebisses eine Zurück- nahme des Kopfes zur Folge hat, und man durch diese auf die Halswirbelsäule wirken kann. Gegendehnen mit beiden Laden oder mit einer Lade bei Vorschieben des Unterkiefers werden sehr häufig fälschlich als Widerstrebungen der Halsmuskeln angesehen, sind jedoch von diesen sehr wohl zu unterscheiden. Die Baucher’sche Methode, diese Widerstrebungen an der Hand zu überwinden, ist höcht zweckmässig. Wir werden im 2. Theile das Fernere darüber sagen. Gehen wir nun näher auf die Beizäumung über. Wir ver- stehen unter Beizäumung die allmälige Abwärtsbiegung des Halses in den drei oberen Halswirbeln. Es wird vermöge der eigenthüm- lichen Construction die stärkste Biegung zwischen dem 1. und 2. Halswirbel stattfinden, es müssen indess, wenn keine Knickung vor- kommen soll, die beiden anderen an der Biegung Theil nehmen. Die Hindernisse liegen theils in einer engen Verbindung dieser Wirbel und einem straff gezogenen Nackenbande, theils in der geringen Dehnbarkeit der Ohrendrüsen. Um das Wesen der letzteren genauer beurtheilen zu können, müssen wir die anatomischen Verhältnisse näher ins Auge fassen. 8*

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/137>, abgerufen am 28.04.2024.