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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
male aber so sehr die Ausnahme ist, dass sie fast nie gefunden
wird, so ist mit deren Aufstellung wenig genutzt, mehr mit der
Angabe dessen, was durchaus zu vermeiden ist.

Prüfung und Beurtheilung des ganzen Gebäudes
nebst Beobachtung derjenigen Haltung, in welcher
sich das Pferd leicht und schwunghaft bewegt und die
Anzüge gut wirken, wird die beste Führerin sein
. Mit
aller Theorie und dem genauesten Studium und Vergleiche der ein-
wirkenden Kräfte werden wir nicht ausreichen. Es wirken zu viele
Dinge mit, welehe den Grad der Aufrichtung und Bezäumung be-
stimmen, als dass die genaueste Abwägung zu einem sicheren Re-
sultate führen könnte. Die Einsicht in das Gebäude wird den
Beobachter warnen, nicht in Stellungen dauernd einzugehen, die --
das Resultat eines glücklichen, aufgeregten Moments -- das Thier
ruiniren würden.

Bei keiner Gelegenheit schäme man sich, dem Ge-
fühle, welches das Pferd dem Reiter giebt, sein Recht
zu gewähren, und glaube nicht dadurch zu glänzen,
dass man aus dem lebenden Wesen ein Rechenexempel
macht
. Man kann sicher sein, dann recht oft sich zu verrechnen.
Die Energie, der Nerv, jene Eigenschaften der Dienstfreudigkeit,
der Gehlust, der Furchtlosigkeit und des zähen Ausharrens bis
zum letzten Athemzuge, die wir so häufig bei edlen Racen finden,
lassen sich nicht anatomisch nachweisen und finden sich oft bei
Pferden, deren Körperbau ihre Leistungsfähigkeit sehr
niedrig schätzen lässt.

Umgekehrt geben oft sehr normal gebaute Pferde
uns recht deutlich die Lehre, dass wir bei aller Kenntniss der
einzelnen Theile der Maschine und der Art, wie sie sich zu
einander verhalten sollen, noch immer mit sehr geringer Sicher-
heit auf die Leistung schliessen können. Sei es die Beschaf-
fenheit der inneren Organe, des Verdauungs-, Athmungs-Apparats,
seien es jene mehr geistige Eigenschaften; es wirken Kräfte mit,
die unserm Auge entgehen, über die dem erfahrnen Reiter aber
meist schon ein kurzer Ritt Aufschluss giebt, bei dem einen
Pferde vielleicht trotz mangelhaften Baues, das Gefühl von Zuver-

III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
male aber so sehr die Ausnahme ist, dass sie fast nie gefunden
wird, so ist mit deren Aufstellung wenig genutzt, mehr mit der
Angabe dessen, was durchaus zu vermeiden ist.

Prüfung und Beurtheilung des ganzen Gebäudes
nebst Beobachtung derjenigen Haltung, in welcher
sich das Pferd leicht und schwunghaft bewegt und die
Anzüge gut wirken, wird die beste Führerin sein
. Mit
aller Theorie und dem genauesten Studium und Vergleiche der ein-
wirkenden Kräfte werden wir nicht ausreichen. Es wirken zu viele
Dinge mit, welehe den Grad der Aufrichtung und Bezäumung be-
stimmen, als dass die genaueste Abwägung zu einem sicheren Re-
sultate führen könnte. Die Einsicht in das Gebäude wird den
Beobachter warnen, nicht in Stellungen dauernd einzugehen, die —
das Resultat eines glücklichen, aufgeregten Moments — das Thier
ruiniren würden.

Bei keiner Gelegenheit schäme man sich, dem Ge-
fühle, welches das Pferd dem Reiter giebt, sein Recht
zu gewähren, und glaube nicht dadurch zu glänzen,
dass man aus dem lebenden Wesen ein Rechenexempel
macht
. Man kann sicher sein, dann recht oft sich zu verrechnen.
Die Energie, der Nerv, jene Eigenschaften der Dienstfreudigkeit,
der Gehlust, der Furchtlosigkeit und des zähen Ausharrens bis
zum letzten Athemzuge, die wir so häufig bei edlen Racen finden,
lassen sich nicht anatomisch nachweisen und finden sich oft bei
Pferden, deren Körperbau ihre Leistungsfähigkeit sehr
niedrig schätzen lässt.

Umgekehrt geben oft sehr normal gebaute Pferde
uns recht deutlich die Lehre, dass wir bei aller Kenntniss der
einzelnen Theile der Maschine und der Art, wie sie sich zu
einander verhalten sollen, noch immer mit sehr geringer Sicher-
heit auf die Leistung schliessen können. Sei es die Beschaf-
fenheit der inneren Organe, des Verdauungs-, Athmungs-Apparats,
seien es jene mehr geistige Eigenschaften; es wirken Kräfte mit,
die unserm Auge entgehen, über die dem erfahrnen Reiter aber
meist schon ein kurzer Ritt Aufschluss giebt, bei dem einen
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[108/0130] III. Abschnitt. Zweites Kapitel. male aber so sehr die Ausnahme ist, dass sie fast nie gefunden wird, so ist mit deren Aufstellung wenig genutzt, mehr mit der Angabe dessen, was durchaus zu vermeiden ist. Prüfung und Beurtheilung des ganzen Gebäudes nebst Beobachtung derjenigen Haltung, in welcher sich das Pferd leicht und schwunghaft bewegt und die Anzüge gut wirken, wird die beste Führerin sein. Mit aller Theorie und dem genauesten Studium und Vergleiche der ein- wirkenden Kräfte werden wir nicht ausreichen. Es wirken zu viele Dinge mit, welehe den Grad der Aufrichtung und Bezäumung be- stimmen, als dass die genaueste Abwägung zu einem sicheren Re- sultate führen könnte. Die Einsicht in das Gebäude wird den Beobachter warnen, nicht in Stellungen dauernd einzugehen, die — das Resultat eines glücklichen, aufgeregten Moments — das Thier ruiniren würden. Bei keiner Gelegenheit schäme man sich, dem Ge- fühle, welches das Pferd dem Reiter giebt, sein Recht zu gewähren, und glaube nicht dadurch zu glänzen, dass man aus dem lebenden Wesen ein Rechenexempel macht. Man kann sicher sein, dann recht oft sich zu verrechnen. Die Energie, der Nerv, jene Eigenschaften der Dienstfreudigkeit, der Gehlust, der Furchtlosigkeit und des zähen Ausharrens bis zum letzten Athemzuge, die wir so häufig bei edlen Racen finden, lassen sich nicht anatomisch nachweisen und finden sich oft bei Pferden, deren Körperbau ihre Leistungsfähigkeit sehr niedrig schätzen lässt. Umgekehrt geben oft sehr normal gebaute Pferde uns recht deutlich die Lehre, dass wir bei aller Kenntniss der einzelnen Theile der Maschine und der Art, wie sie sich zu einander verhalten sollen, noch immer mit sehr geringer Sicher- heit auf die Leistung schliessen können. Sei es die Beschaf- fenheit der inneren Organe, des Verdauungs-, Athmungs-Apparats, seien es jene mehr geistige Eigenschaften; es wirken Kräfte mit, die unserm Auge entgehen, über die dem erfahrnen Reiter aber meist schon ein kurzer Ritt Aufschluss giebt, bei dem einen Pferde vielleicht trotz mangelhaften Baues, das Gefühl von Zuver-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/130>, abgerufen am 28.04.2024.