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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
nächstfolgende wirkt, Fläche auf Fläche liegt, so wird die grösste
Mittheilung und Fortpflanzung des Druckes stattfinden, und die
Wirkung sich wie bei einem Stabe von fortlaufend gleicher Dich-
tigkeit gestalten. Stehen indess zwei Glieder dieser Kette so
gegen einander, dass ihre Längenachsen einen Winkel gegen
einander bilden
, mithin ihre Reibungsflächen sich nur zum
Theil berühren, so wird die Mittheilung der Wirkung um so mehr
geschwächt, je kleiner dieser Winkel, respective die Berührungs-
fläche wird, und mit dem Fallen unter einen rechten Winkel ganz
aufhören, indem der Druck dann nur tangirt. Bei einer ganzen
Reihe von Gliedern, welche so zu einander gestellt sind, dass ihre
Längenachsen einen Winkel nach derselben Richtung bilden, wird
ein Druck, der das erste Glied trifft, bei jedem folgenden Gliede
stets durch einen geringeren Abschnitt führen, bis er zuletzt kein
Glied mehr berührt, und so seine Wirkung ganz aufhört. Hierauf
gründet sich das sogenannte "Steckenbleiben des Anzugs"
im Halse des Pferdes bei allen Halsstellungen, bei denen zu viel Hals-
wirbel, in derselben Richtung gestellt, einen Bogen bilden, mag sich
nun dieser Bogen vorwärts-abwärts oder rückwärts-aufwärts öffnen.

Aehnlich ist die Wirkung nach der Art, wie der Druck von
Haus aus auf die Halswirbelsäule geführt wird. Trifft der
Druck
nicht die volle Fläche des ersten Gliedes, sondern nur die
obere hintere Kante (wie es bei einer Erhebung des Halses durch den
Pferdekopf statt haben wird, bei welcher die Stirn in eine hori-
zontale Lage gebracht war), so wird er, den Hals rückwärts
überbiegend
, sich nicht weit fortsetzen können, selbst wenn
Wirbelfläche an Wirbelfläche für die Fortpflanzung am güns-
tigsten steht. Trifft der Druck die untere Kante, wie es
bei einer Stellung des Kopfes der Fall sein wird, bei der die Ge-
sichtslinie unten hinter der Senkrechten steht, so wird eine Ab-
wärtsbiegung
statt haben, der Druck aber gleichfalls nur
partiell fortgepflanzt werden.

Auf unsern Fall angewendet, haben wir gesehen, dass wir den
Hals, des Schwerpunktes wegen, nicht mit dem Rückgrad in fort-
laufende Richtung stellen können, obschon dann die ganzen Reibe-
flächen der Wirbel gegen einander liegen und so den Druck am
unmittelbarsten fortpflanzen würden. Wir müssen den Hals
erheben
, und zwar nach Massgabe der vorbeschriebenen Verhält-

III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
nächstfolgende wirkt, Fläche auf Fläche liegt, so wird die grösste
Mittheilung und Fortpflanzung des Druckes stattfinden, und die
Wirkung sich wie bei einem Stabe von fortlaufend gleicher Dich-
tigkeit gestalten. Stehen indess zwei Glieder dieser Kette so
gegen einander, dass ihre Längenachsen einen Winkel gegen
einander bilden
, mithin ihre Reibungsflächen sich nur zum
Theil berühren, so wird die Mittheilung der Wirkung um so mehr
geschwächt, je kleiner dieser Winkel, respective die Berührungs-
fläche wird, und mit dem Fallen unter einen rechten Winkel ganz
aufhören, indem der Druck dann nur tangirt. Bei einer ganzen
Reihe von Gliedern, welche so zu einander gestellt sind, dass ihre
Längenachsen einen Winkel nach derselben Richtung bilden, wird
ein Druck, der das erste Glied trifft, bei jedem folgenden Gliede
stets durch einen geringeren Abschnitt führen, bis er zuletzt kein
Glied mehr berührt, und so seine Wirkung ganz aufhört. Hierauf
gründet sich das sogenannte „Steckenbleiben des Anzugs“
im Halse des Pferdes bei allen Halsstellungen, bei denen zu viel Hals-
wirbel, in derselben Richtung gestellt, einen Bogen bilden, mag sich
nun dieser Bogen vorwärts-abwärts oder rückwärts-aufwärts öffnen.

Aehnlich ist die Wirkung nach der Art, wie der Druck von
Haus aus auf die Halswirbelsäule geführt wird. Trifft der
Druck
nicht die volle Fläche des ersten Gliedes, sondern nur die
obere hintere Kante (wie es bei einer Erhebung des Halses durch den
Pferdekopf statt haben wird, bei welcher die Stirn in eine hori-
zontale Lage gebracht war), so wird er, den Hals rückwärts
überbiegend
, sich nicht weit fortsetzen können, selbst wenn
Wirbelfläche an Wirbelfläche für die Fortpflanzung am güns-
tigsten steht. Trifft der Druck die untere Kante, wie es
bei einer Stellung des Kopfes der Fall sein wird, bei der die Ge-
sichtslinie unten hinter der Senkrechten steht, so wird eine Ab-
wärtsbiegung
statt haben, der Druck aber gleichfalls nur
partiell fortgepflanzt werden.

Auf unsern Fall angewendet, haben wir gesehen, dass wir den
Hals, des Schwerpunktes wegen, nicht mit dem Rückgrad in fort-
laufende Richtung stellen können, obschon dann die ganzen Reibe-
flächen der Wirbel gegen einander liegen und so den Druck am
unmittelbarsten fortpflanzen würden. Wir müssen den Hals
erheben
, und zwar nach Massgabe der vorbeschriebenen Verhält-

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[104/0126] III. Abschnitt. Zweites Kapitel. nächstfolgende wirkt, Fläche auf Fläche liegt, so wird die grösste Mittheilung und Fortpflanzung des Druckes stattfinden, und die Wirkung sich wie bei einem Stabe von fortlaufend gleicher Dich- tigkeit gestalten. Stehen indess zwei Glieder dieser Kette so gegen einander, dass ihre Längenachsen einen Winkel gegen einander bilden, mithin ihre Reibungsflächen sich nur zum Theil berühren, so wird die Mittheilung der Wirkung um so mehr geschwächt, je kleiner dieser Winkel, respective die Berührungs- fläche wird, und mit dem Fallen unter einen rechten Winkel ganz aufhören, indem der Druck dann nur tangirt. Bei einer ganzen Reihe von Gliedern, welche so zu einander gestellt sind, dass ihre Längenachsen einen Winkel nach derselben Richtung bilden, wird ein Druck, der das erste Glied trifft, bei jedem folgenden Gliede stets durch einen geringeren Abschnitt führen, bis er zuletzt kein Glied mehr berührt, und so seine Wirkung ganz aufhört. Hierauf gründet sich das sogenannte „Steckenbleiben des Anzugs“ im Halse des Pferdes bei allen Halsstellungen, bei denen zu viel Hals- wirbel, in derselben Richtung gestellt, einen Bogen bilden, mag sich nun dieser Bogen vorwärts-abwärts oder rückwärts-aufwärts öffnen. Aehnlich ist die Wirkung nach der Art, wie der Druck von Haus aus auf die Halswirbelsäule geführt wird. Trifft der Druck nicht die volle Fläche des ersten Gliedes, sondern nur die obere hintere Kante (wie es bei einer Erhebung des Halses durch den Pferdekopf statt haben wird, bei welcher die Stirn in eine hori- zontale Lage gebracht war), so wird er, den Hals rückwärts überbiegend, sich nicht weit fortsetzen können, selbst wenn Wirbelfläche an Wirbelfläche für die Fortpflanzung am güns- tigsten steht. Trifft der Druck die untere Kante, wie es bei einer Stellung des Kopfes der Fall sein wird, bei der die Ge- sichtslinie unten hinter der Senkrechten steht, so wird eine Ab- wärtsbiegung statt haben, der Druck aber gleichfalls nur partiell fortgepflanzt werden. Auf unsern Fall angewendet, haben wir gesehen, dass wir den Hals, des Schwerpunktes wegen, nicht mit dem Rückgrad in fort- laufende Richtung stellen können, obschon dann die ganzen Reibe- flächen der Wirbel gegen einander liegen und so den Druck am unmittelbarsten fortpflanzen würden. Wir müssen den Hals erheben, und zwar nach Massgabe der vorbeschriebenen Verhält-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/126>, abgerufen am 27.04.2024.