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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Allgemeine Thierzuchtlehre.
Milch, Colostrum (Erstlings- oder Biestmilch). Späterhin verschwinden die Colo-
strumkügelchen, indem nur mehr vollständig zerfallene Zellen, die aus Käsestoff und
Fett bestehenden Milchkügelchen, neben der abgesonderten Flüssigkeit als Milch aus-
[Abbildung] Fig. 18.
[Abbildung] Fig. 19.
[Abbildung]

Fig. 18. Aus 4 Drüsenbläschen bestehendes Drüsenkörnchen der Milchdrüse einer Kuh nach Für-
stenberg, 200/1. -- d Gemeinschaftlicher Ausführungsgang.

Fig. 19. Colostrumkörperchen, 320/1. -- 1 mit nicht zerstörter Membran, Durchmesser 0.036 Mm.;
2 Membran in der Zerstörung begriffen, Durchmesser 0.044; 3 die Membran zerstört und die Fett-
tröpfchen hervortretend, Durchmesser 0.054 Mm.; 4 Milchkügelchen, Durchmesser des größten 0.016 Mm.

geschieden werden. Die Milch ist somit ein durch fettige Degeneration flüssig
gewordenes Organ. Die Beziehungen zwischen dem Futter und der Milchabsonderung
werden weiterhin zu besprechen sein, nur so viel sei hier erwähnt, daß je reicher die
Milchproduction um so weniger stickstoffhaltige und stickstofffreie Futterbestandtheile
zum Körperansatze übrig bleiben.

2. Das Bewegungsleben des Thieres.

Die Bewegungen, welche im thierischen Körper ausgeführt werden, sind entweder
wie die Molecularbewegungen und die Flimmerbewegungen gewisser Epithelialgebilde
unwillkürliche oder wie die meisten Muskelbewegungen von dem Willen des Thieres
abhängige. Bei den Muskelbewegungen findet in Folge eines Nervenreizes entweder
eine Zusammenziehung oder Ausdehnung der Muskelfasern statt, welche in ihrer
Wirksamkeit durch die Hebelwirkung der Knochen wesentlich unterstützt wird.

Die ursprüngliche Ansicht über die Beziehung der Muskelthätigkeit zu einem
erhöhteren Eiweißumsatze hat sich als nicht richtig herausgestellt; vielmehr hat die Ver-
mehrung der Bewegung einen erhöhten Einfluß auf die Zerstörung des Fettes, be-
ziehungsweise der Kohlehydrate. Durch dieselbe wird eine größere Sauerstoffaufnahme
und Kohlensäureabgabe, somit eine gesteigerte Respirationsthätigkeit und daher auch
eine vermehrte Wärmebildung und Wasserverdunstung hervorgerufen. Die Ver-
brennung des Fettes ist jedoch keineswegs die Ursache, sondern nur die Folge der
Kraftäußerung. Diese wird durch den Zerfall der Eiweißkörper als chemische Kraft
oder Spannkraft frei und kann dann beliebig zu äußeren Arbeitsleistungen verwendet

Allgemeine Thierzuchtlehre.
Milch, Coloſtrum (Erſtlings- oder Bieſtmilch). Späterhin verſchwinden die Colo-
ſtrumkügelchen, indem nur mehr vollſtändig zerfallene Zellen, die aus Käſeſtoff und
Fett beſtehenden Milchkügelchen, neben der abgeſonderten Flüſſigkeit als Milch aus-
[Abbildung] Fig. 18.
[Abbildung] Fig. 19.
[Abbildung]

Fig. 18. Aus 4 Drüſenbläschen beſtehendes Drüſenkörnchen der Milchdrüſe einer Kuh nach Für-
ſtenberg, 200/1. — d Gemeinſchaftlicher Ausführungsgang.

Fig. 19. Coloſtrumkörperchen, 320/1. — 1 mit nicht zerſtörter Membran, Durchmeſſer 0.036 Mm.;
2 Membran in der Zerſtörung begriffen, Durchmeſſer 0.044; 3 die Membran zerſtört und die Fett-
tröpfchen hervortretend, Durchmeſſer 0.054 Mm.; 4 Milchkügelchen, Durchmeſſer des größten 0.016 Mm.

geſchieden werden. Die Milch iſt ſomit ein durch fettige Degeneration flüſſig
gewordenes Organ. Die Beziehungen zwiſchen dem Futter und der Milchabſonderung
werden weiterhin zu beſprechen ſein, nur ſo viel ſei hier erwähnt, daß je reicher die
Milchproduction um ſo weniger ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Futterbeſtandtheile
zum Körperanſatze übrig bleiben.

2. Das Bewegungsleben des Thieres.

Die Bewegungen, welche im thieriſchen Körper ausgeführt werden, ſind entweder
wie die Molecularbewegungen und die Flimmerbewegungen gewiſſer Epithelialgebilde
unwillkürliche oder wie die meiſten Muskelbewegungen von dem Willen des Thieres
abhängige. Bei den Muskelbewegungen findet in Folge eines Nervenreizes entweder
eine Zuſammenziehung oder Ausdehnung der Muskelfaſern ſtatt, welche in ihrer
Wirkſamkeit durch die Hebelwirkung der Knochen weſentlich unterſtützt wird.

Die urſprüngliche Anſicht über die Beziehung der Muskelthätigkeit zu einem
erhöhteren Eiweißumſatze hat ſich als nicht richtig herausgeſtellt; vielmehr hat die Ver-
mehrung der Bewegung einen erhöhten Einfluß auf die Zerſtörung des Fettes, be-
ziehungsweiſe der Kohlehydrate. Durch dieſelbe wird eine größere Sauerſtoffaufnahme
und Kohlenſäureabgabe, ſomit eine geſteigerte Reſpirationsthätigkeit und daher auch
eine vermehrte Wärmebildung und Waſſerverdunſtung hervorgerufen. Die Ver-
brennung des Fettes iſt jedoch keineswegs die Urſache, ſondern nur die Folge der
Kraftäußerung. Dieſe wird durch den Zerfall der Eiweißkörper als chemiſche Kraft
oder Spannkraft frei und kann dann beliebig zu äußeren Arbeitsleiſtungen verwendet

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[26/0042] Allgemeine Thierzuchtlehre. Milch, Coloſtrum (Erſtlings- oder Bieſtmilch). Späterhin verſchwinden die Colo- ſtrumkügelchen, indem nur mehr vollſtändig zerfallene Zellen, die aus Käſeſtoff und Fett beſtehenden Milchkügelchen, neben der abgeſonderten Flüſſigkeit als Milch aus- [Abbildung Fig. 18.] [Abbildung Fig. 19.] [Abbildung Fig. 18. Aus 4 Drüſenbläschen beſtehendes Drüſenkörnchen der Milchdrüſe einer Kuh nach Für- ſtenberg, 200/1. — d Gemeinſchaftlicher Ausführungsgang. Fig. 19. Coloſtrumkörperchen, 320/1. — 1 mit nicht zerſtörter Membran, Durchmeſſer 0.036 Mm.; 2 Membran in der Zerſtörung begriffen, Durchmeſſer 0.044; 3 die Membran zerſtört und die Fett- tröpfchen hervortretend, Durchmeſſer 0.054 Mm.; 4 Milchkügelchen, Durchmeſſer des größten 0.016 Mm.] geſchieden werden. Die Milch iſt ſomit ein durch fettige Degeneration flüſſig gewordenes Organ. Die Beziehungen zwiſchen dem Futter und der Milchabſonderung werden weiterhin zu beſprechen ſein, nur ſo viel ſei hier erwähnt, daß je reicher die Milchproduction um ſo weniger ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie Futterbeſtandtheile zum Körperanſatze übrig bleiben. 2. Das Bewegungsleben des Thieres. Die Bewegungen, welche im thieriſchen Körper ausgeführt werden, ſind entweder wie die Molecularbewegungen und die Flimmerbewegungen gewiſſer Epithelialgebilde unwillkürliche oder wie die meiſten Muskelbewegungen von dem Willen des Thieres abhängige. Bei den Muskelbewegungen findet in Folge eines Nervenreizes entweder eine Zuſammenziehung oder Ausdehnung der Muskelfaſern ſtatt, welche in ihrer Wirkſamkeit durch die Hebelwirkung der Knochen weſentlich unterſtützt wird. Die urſprüngliche Anſicht über die Beziehung der Muskelthätigkeit zu einem erhöhteren Eiweißumſatze hat ſich als nicht richtig herausgeſtellt; vielmehr hat die Ver- mehrung der Bewegung einen erhöhten Einfluß auf die Zerſtörung des Fettes, be- ziehungsweiſe der Kohlehydrate. Durch dieſelbe wird eine größere Sauerſtoffaufnahme und Kohlenſäureabgabe, ſomit eine geſteigerte Reſpirationsthätigkeit und daher auch eine vermehrte Wärmebildung und Waſſerverdunſtung hervorgerufen. Die Ver- brennung des Fettes iſt jedoch keineswegs die Urſache, ſondern nur die Folge der Kraftäußerung. Dieſe wird durch den Zerfall der Eiweißkörper als chemiſche Kraft oder Spannkraft frei und kann dann beliebig zu äußeren Arbeitsleiſtungen verwendet

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/42>, abgerufen am 28.03.2024.