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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Die Rindviehzucht.
1. Die Sommerstallfütterung.

Die Sommerstallfütterung läßt sich auf zweifache Weise durchführen,
entweder mit Grün- oder mit Trockenfütterung. Die Grünfütterung hat den Vortheil,
daß sie einen günstigeren Einfluß auf die Beschaffenheit der Milch und der Butter
nimmt. Das Grünfutter ist gegenüber dem Heu in gleicher Weise verdaulich,
wenn das letztere zu gleicher Zeit mit dem Grünfutter geschnitten und ohne alle
Verluste an zarten Pflanzentheilen geerntet worden ist 1). Bei der Grünfütterung
entfallen das Risiko und die Werbungskosten der Heuernte. Dagegen hat die Grün-
fütterung den Nachtheil, daß die Ernährung nicht so gleichmäßig wie bei dem Heu
durchgeführt werden kann, indem bei dem Uebergange zu einem anderen Grünfutter-
mittel und bei dem Aelterwerden desselben Grünfutters Ungleichheiten unvermeidlich
sind. Die Trockenfütterung bietet dagegen anscheinend den Vortheil der größeren Gleich-
mäßigkeit, der jedoch dadurch, daß sich das Heu beim Aelterwerden in seiner Qualität
ändert und der Gehalt an Rohprotein mindert, wesentlich beeinträchtigt wird, abgesehen
davon, daß in unseren klimatischen Verhältnissen die Heuwerbung 2) stets mit Ver-
lusten gegenüber der Grünfuttergewinnung verbunden ist.

Weiske 3) hat den Beweis geliefert, daß in der That das Grünfutter durch alleiniges
Trocknen desselben keinerlei Veränderungen bezüglich seiner Verdaulichkeit erleidet, voraus-
gesetzt, daß bei dem Trocknen mit der nöthigen Vorsicht vorgegangen wurde. In Procenten
der Futterbestandtheile wurde von zwei 13/4jährigen Hammeln im Mittel verdaut:

[Tabelle]

Die Hauptsache bei der Grünfütterung bleibt die Beschaffung der ausreichenden
Quantität, damit zu keiner Zeit ein Mangel eintritt, und die möglichste Ausdehnung
der Grünfütterungsperiode. In kleewüchsigen Gegenden sind diese Bedingungen leicht
zu erfüllen. In unsicheren Gegenden müssen die Grünfütterung die verschieden-
artigsten Futterpflanzen sichern helfen. In trockenen Gegenden, wie z. B. in Ungarn
mit wenig kleefähigem Boden, wird die Grünfütterung in folgender Weise durchgeführt:
1. Ende April, Anfang Mai: Futterroggen; 2. 10--14 Tage später: Grünweizen;
3. erster Luzerne- oder Kleegrasschnitt; 4. Grüngerste, Mischling; 5. Anfang Juni:
zweiter Luzerneschnitt; 6. Ende Juni bis Mitte October: Grünmais und Luzerne.

Bei der Grünfütterung ist der Stall möglichst reinzuhalten, daher die Streu-
menge gegenüber der Stallfütterung zu vermehren. Zur Aufbewahrung von Grün-
futter-Vorräthen für 2--3 Tage sind luftige Lattengerüste aufzustellen, um das Grün-
futter frisch erhalten zu können. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Uebergang von
der Winter-Trockenfütterung zur Grünfütterung. Dieser Uebergang soll sehr allmählig

1) Dr. E. Wolff, Die Ernährung der landwirthschaftlichen Nutzthiere, Berlin 1876, S. 95.
2) Siehe Band I. S. 255 und 260.
3) Beiträge zur Frage über Weidewirthschaft und Stallfütterung, Breslau 1871, S. 43.
Die Rindviehzucht.
1. Die Sommerſtallfütterung.

Die Sommerſtallfütterung läßt ſich auf zweifache Weiſe durchführen,
entweder mit Grün- oder mit Trockenfütterung. Die Grünfütterung hat den Vortheil,
daß ſie einen günſtigeren Einfluß auf die Beſchaffenheit der Milch und der Butter
nimmt. Das Grünfutter iſt gegenüber dem Heu in gleicher Weiſe verdaulich,
wenn das letztere zu gleicher Zeit mit dem Grünfutter geſchnitten und ohne alle
Verluſte an zarten Pflanzentheilen geerntet worden iſt 1). Bei der Grünfütterung
entfallen das Riſiko und die Werbungskoſten der Heuernte. Dagegen hat die Grün-
fütterung den Nachtheil, daß die Ernährung nicht ſo gleichmäßig wie bei dem Heu
durchgeführt werden kann, indem bei dem Uebergange zu einem anderen Grünfutter-
mittel und bei dem Aelterwerden deſſelben Grünfutters Ungleichheiten unvermeidlich
ſind. Die Trockenfütterung bietet dagegen anſcheinend den Vortheil der größeren Gleich-
mäßigkeit, der jedoch dadurch, daß ſich das Heu beim Aelterwerden in ſeiner Qualität
ändert und der Gehalt an Rohproteïn mindert, weſentlich beeinträchtigt wird, abgeſehen
davon, daß in unſeren klimatiſchen Verhältniſſen die Heuwerbung 2) ſtets mit Ver-
luſten gegenüber der Grünfuttergewinnung verbunden iſt.

Weiske 3) hat den Beweis geliefert, daß in der That das Grünfutter durch alleiniges
Trocknen deſſelben keinerlei Veränderungen bezüglich ſeiner Verdaulichkeit erleidet, voraus-
geſetzt, daß bei dem Trocknen mit der nöthigen Vorſicht vorgegangen wurde. In Procenten
der Futterbeſtandtheile wurde von zwei 1¾jährigen Hammeln im Mittel verdaut:

[Tabelle]

Die Hauptſache bei der Grünfütterung bleibt die Beſchaffung der ausreichenden
Quantität, damit zu keiner Zeit ein Mangel eintritt, und die möglichſte Ausdehnung
der Grünfütterungsperiode. In kleewüchſigen Gegenden ſind dieſe Bedingungen leicht
zu erfüllen. In unſicheren Gegenden müſſen die Grünfütterung die verſchieden-
artigſten Futterpflanzen ſichern helfen. In trockenen Gegenden, wie z. B. in Ungarn
mit wenig kleefähigem Boden, wird die Grünfütterung in folgender Weiſe durchgeführt:
1. Ende April, Anfang Mai: Futterroggen; 2. 10—14 Tage ſpäter: Grünweizen;
3. erſter Luzerne- oder Kleegrasſchnitt; 4. Grüngerſte, Miſchling; 5. Anfang Juni:
zweiter Luzerneſchnitt; 6. Ende Juni bis Mitte October: Grünmais und Luzerne.

Bei der Grünfütterung iſt der Stall möglichſt reinzuhalten, daher die Streu-
menge gegenüber der Stallfütterung zu vermehren. Zur Aufbewahrung von Grün-
futter-Vorräthen für 2—3 Tage ſind luftige Lattengerüſte aufzuſtellen, um das Grün-
futter friſch erhalten zu können. Beſondere Aufmerkſamkeit verdient der Uebergang von
der Winter-Trockenfütterung zur Grünfütterung. Dieſer Uebergang ſoll ſehr allmählig

1) Dr. E. Wolff, Die Ernährung der landwirthſchaftlichen Nutzthiere, Berlin 1876, S. 95.
2) Siehe Band I. S. 255 und 260.
3) Beiträge zur Frage über Weidewirthſchaft und Stallfütterung, Breslau 1871, S. 43.
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[125/0141] Die Rindviehzucht. 1. Die Sommerſtallfütterung. Die Sommerſtallfütterung läßt ſich auf zweifache Weiſe durchführen, entweder mit Grün- oder mit Trockenfütterung. Die Grünfütterung hat den Vortheil, daß ſie einen günſtigeren Einfluß auf die Beſchaffenheit der Milch und der Butter nimmt. Das Grünfutter iſt gegenüber dem Heu in gleicher Weiſe verdaulich, wenn das letztere zu gleicher Zeit mit dem Grünfutter geſchnitten und ohne alle Verluſte an zarten Pflanzentheilen geerntet worden iſt 1). Bei der Grünfütterung entfallen das Riſiko und die Werbungskoſten der Heuernte. Dagegen hat die Grün- fütterung den Nachtheil, daß die Ernährung nicht ſo gleichmäßig wie bei dem Heu durchgeführt werden kann, indem bei dem Uebergange zu einem anderen Grünfutter- mittel und bei dem Aelterwerden deſſelben Grünfutters Ungleichheiten unvermeidlich ſind. Die Trockenfütterung bietet dagegen anſcheinend den Vortheil der größeren Gleich- mäßigkeit, der jedoch dadurch, daß ſich das Heu beim Aelterwerden in ſeiner Qualität ändert und der Gehalt an Rohproteïn mindert, weſentlich beeinträchtigt wird, abgeſehen davon, daß in unſeren klimatiſchen Verhältniſſen die Heuwerbung 2) ſtets mit Ver- luſten gegenüber der Grünfuttergewinnung verbunden iſt. Weiske 3) hat den Beweis geliefert, daß in der That das Grünfutter durch alleiniges Trocknen deſſelben keinerlei Veränderungen bezüglich ſeiner Verdaulichkeit erleidet, voraus- geſetzt, daß bei dem Trocknen mit der nöthigen Vorſicht vorgegangen wurde. In Procenten der Futterbeſtandtheile wurde von zwei 1¾jährigen Hammeln im Mittel verdaut: Die Hauptſache bei der Grünfütterung bleibt die Beſchaffung der ausreichenden Quantität, damit zu keiner Zeit ein Mangel eintritt, und die möglichſte Ausdehnung der Grünfütterungsperiode. In kleewüchſigen Gegenden ſind dieſe Bedingungen leicht zu erfüllen. In unſicheren Gegenden müſſen die Grünfütterung die verſchieden- artigſten Futterpflanzen ſichern helfen. In trockenen Gegenden, wie z. B. in Ungarn mit wenig kleefähigem Boden, wird die Grünfütterung in folgender Weiſe durchgeführt: 1. Ende April, Anfang Mai: Futterroggen; 2. 10—14 Tage ſpäter: Grünweizen; 3. erſter Luzerne- oder Kleegrasſchnitt; 4. Grüngerſte, Miſchling; 5. Anfang Juni: zweiter Luzerneſchnitt; 6. Ende Juni bis Mitte October: Grünmais und Luzerne. Bei der Grünfütterung iſt der Stall möglichſt reinzuhalten, daher die Streu- menge gegenüber der Stallfütterung zu vermehren. Zur Aufbewahrung von Grün- futter-Vorräthen für 2—3 Tage ſind luftige Lattengerüſte aufzuſtellen, um das Grün- futter friſch erhalten zu können. Beſondere Aufmerkſamkeit verdient der Uebergang von der Winter-Trockenfütterung zur Grünfütterung. Dieſer Uebergang ſoll ſehr allmählig 1) Dr. E. Wolff, Die Ernährung der landwirthſchaftlichen Nutzthiere, Berlin 1876, S. 95. 2) Siehe Band I. S. 255 und 260. 3) Beiträge zur Frage über Weidewirthſchaft und Stallfütterung, Breslau 1871, S. 43.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/141>, abgerufen am 27.11.2024.