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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Düngung.
angesehen werden, während der nebenher verlaufende Verwesungsproceß in einer lang-
samen Oxydation besteht. Damit die durch die Keime und den Sauerstoff der Luft
eingeleitete Zersetzung regelmäßig fortschreite, ist vor allem ein gewisser Feuchtigkeits-
grad und eine gewisse Wärmemenge erforderlich. Bei einem Mangel an Feuchtig-
keit, welcher sich durch die Entwickelung einer Schimmelvegetation bemerkbar macht,
geht die Fäulniß zu rasch vor sich, als daß alle im Wasser löslichen Zersetzungs-
producte von der ungenügenden Wassermenge aufgenommen werden könnten. Die-
selben gehen daher bei ihrer Flüchtigkeit für den Dünger verloren. Ein Uebermaß
an Wasser verzögert dagegen die Zersetzung. Die gewöhnliche Lufttemperatur ist
hinreichend, um den Zerfall der Stoffe zu unterhalten, da die Fäulniß und Ver-
wesung ohnehin mit einer lebhaften Wärmeentwickelung verbunden ist. Im Winter
erleidet jedoch der Zersetzungsprozeß durch zu starke Abkühlung eine theilweise Unter-
brechung. Dieselbe kann durch das Aufsetzen des Düngers in möglichst große
Haufen, um die frei werdende Wärme zusammenzuhalten, hintangehalten werden.

Die einzelnen Stadien der Zersetzung sind zur Zeit nicht näher studirt. Was
darüber bekannt, ist im Nachstehenden zusammengestellt. Die Veränderungen im
Dünger durch das Liegenlassen an der Luft beziehen sich sowohl auf die stickstoff-
haltigen und stickstofffreien organischen Bestandtheile, als auch auf die unorganische
Substanz.

Von den stickstoffhaltigen Bestandtheilen sind am leichtesten jene des Urins und
zwar am frühesten die Harnfarbstoffe, der Harnstoff und dann die Hippursäure zur
Umsetzung geeignet. Langsamer erfolgt der Zerfall der stickstoffhaltigen Körper der
festen Excremente und am schwierigsten der Zerfall der stickstoffhaltigen Substanz des
Strohes. Ueberhaupt steht die Schnelligkeit des Fäulnißverlaufes im Verhältniß zum
Stickstoffgehalte des Düngers. Reichliche, besonders holzige Streu, wie Sägespäne,
verlangsamen daher die Zersetzung. Als Endproducte des Zerfalles der stickstoff-
haltigen organischen Substanz ergeben sich neben Wasser als Fäulnißproducte,
Schwefelwasserstoff, Ammoniak und dessen Salze, besonders doppelt kohlensaures
Ammoniak und als Verwesungsproducte Kohlensäure, Salpetersäure, Schwefelsäure.
Ein kleiner Theil des Stickstoffs entweicht nach den Untersuchungen von J. Reiset 1)
selbst als ungebundener, freier Stickstoff.

Aus den stickstofffreien, organischen Bestandtheilen der Düngersubstanz, wie der
Cellulose, der Stärke, dem Fett etc. bilden sich unter der Einwirkung derselben Fäulniß
erregenden Factoren neben flüchtigen Kohlenwasserstoffen die verschiedensten Humus-
körper, welche die schwarze Farbe des verrotteten Stallmistes bedingen, während durch
den Verwesungsproceß Wasser und Kohlensäure frei wird.

Diese Veränderungen der organischen Düngersubstanz bedingen wieder die Lösung
der Mineralstoffe unter gleichzeitiger Bildung von Humussäuren, Kohlensäuren und
Ammoniaksalzen.

Der Stallmist wird daher nach Vorstehendem durch das Entweichen von Wasser,

1) Comptes rendus. T. 42. S. 43--59.

Die Düngung.
angeſehen werden, während der nebenher verlaufende Verweſungsproceß in einer lang-
ſamen Oxydation beſteht. Damit die durch die Keime und den Sauerſtoff der Luft
eingeleitete Zerſetzung regelmäßig fortſchreite, iſt vor allem ein gewiſſer Feuchtigkeits-
grad und eine gewiſſe Wärmemenge erforderlich. Bei einem Mangel an Feuchtig-
keit, welcher ſich durch die Entwickelung einer Schimmelvegetation bemerkbar macht,
geht die Fäulniß zu raſch vor ſich, als daß alle im Waſſer löslichen Zerſetzungs-
producte von der ungenügenden Waſſermenge aufgenommen werden könnten. Die-
ſelben gehen daher bei ihrer Flüchtigkeit für den Dünger verloren. Ein Uebermaß
an Waſſer verzögert dagegen die Zerſetzung. Die gewöhnliche Lufttemperatur iſt
hinreichend, um den Zerfall der Stoffe zu unterhalten, da die Fäulniß und Ver-
weſung ohnehin mit einer lebhaften Wärmeentwickelung verbunden iſt. Im Winter
erleidet jedoch der Zerſetzungsprozeß durch zu ſtarke Abkühlung eine theilweiſe Unter-
brechung. Dieſelbe kann durch das Aufſetzen des Düngers in möglichſt große
Haufen, um die frei werdende Wärme zuſammenzuhalten, hintangehalten werden.

Die einzelnen Stadien der Zerſetzung ſind zur Zeit nicht näher ſtudirt. Was
darüber bekannt, iſt im Nachſtehenden zuſammengeſtellt. Die Veränderungen im
Dünger durch das Liegenlaſſen an der Luft beziehen ſich ſowohl auf die ſtickſtoff-
haltigen und ſtickſtofffreien organiſchen Beſtandtheile, als auch auf die unorganiſche
Subſtanz.

Von den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen ſind am leichteſten jene des Urins und
zwar am früheſten die Harnfarbſtoffe, der Harnſtoff und dann die Hippurſäure zur
Umſetzung geeignet. Langſamer erfolgt der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Körper der
feſten Excremente und am ſchwierigſten der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz des
Strohes. Ueberhaupt ſteht die Schnelligkeit des Fäulnißverlaufes im Verhältniß zum
Stickſtoffgehalte des Düngers. Reichliche, beſonders holzige Streu, wie Sägeſpäne,
verlangſamen daher die Zerſetzung. Als Endproducte des Zerfalles der ſtickſtoff-
haltigen organiſchen Subſtanz ergeben ſich neben Waſſer als Fäulnißproducte,
Schwefelwaſſerſtoff, Ammoniak und deſſen Salze, beſonders doppelt kohlenſaures
Ammoniak und als Verweſungsproducte Kohlenſäure, Salpeterſäure, Schwefelſäure.
Ein kleiner Theil des Stickſtoffs entweicht nach den Unterſuchungen von J. Reiſet 1)
ſelbſt als ungebundener, freier Stickſtoff.

Aus den ſtickſtofffreien, organiſchen Beſtandtheilen der Düngerſubſtanz, wie der
Celluloſe, der Stärke, dem Fett ꝛc. bilden ſich unter der Einwirkung derſelben Fäulniß
erregenden Factoren neben flüchtigen Kohlenwaſſerſtoffen die verſchiedenſten Humus-
körper, welche die ſchwarze Farbe des verrotteten Stallmiſtes bedingen, während durch
den Verweſungsproceß Waſſer und Kohlenſäure frei wird.

Dieſe Veränderungen der organiſchen Düngerſubſtanz bedingen wieder die Löſung
der Mineralſtoffe unter gleichzeitiger Bildung von Humusſäuren, Kohlenſäuren und
Ammoniakſalzen.

Der Stallmiſt wird daher nach Vorſtehendem durch das Entweichen von Waſſer,

1) Comptes rendus. T. 42. S. 43—59.
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[169/0187] Die Düngung. angeſehen werden, während der nebenher verlaufende Verweſungsproceß in einer lang- ſamen Oxydation beſteht. Damit die durch die Keime und den Sauerſtoff der Luft eingeleitete Zerſetzung regelmäßig fortſchreite, iſt vor allem ein gewiſſer Feuchtigkeits- grad und eine gewiſſe Wärmemenge erforderlich. Bei einem Mangel an Feuchtig- keit, welcher ſich durch die Entwickelung einer Schimmelvegetation bemerkbar macht, geht die Fäulniß zu raſch vor ſich, als daß alle im Waſſer löslichen Zerſetzungs- producte von der ungenügenden Waſſermenge aufgenommen werden könnten. Die- ſelben gehen daher bei ihrer Flüchtigkeit für den Dünger verloren. Ein Uebermaß an Waſſer verzögert dagegen die Zerſetzung. Die gewöhnliche Lufttemperatur iſt hinreichend, um den Zerfall der Stoffe zu unterhalten, da die Fäulniß und Ver- weſung ohnehin mit einer lebhaften Wärmeentwickelung verbunden iſt. Im Winter erleidet jedoch der Zerſetzungsprozeß durch zu ſtarke Abkühlung eine theilweiſe Unter- brechung. Dieſelbe kann durch das Aufſetzen des Düngers in möglichſt große Haufen, um die frei werdende Wärme zuſammenzuhalten, hintangehalten werden. Die einzelnen Stadien der Zerſetzung ſind zur Zeit nicht näher ſtudirt. Was darüber bekannt, iſt im Nachſtehenden zuſammengeſtellt. Die Veränderungen im Dünger durch das Liegenlaſſen an der Luft beziehen ſich ſowohl auf die ſtickſtoff- haltigen und ſtickſtofffreien organiſchen Beſtandtheile, als auch auf die unorganiſche Subſtanz. Von den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen ſind am leichteſten jene des Urins und zwar am früheſten die Harnfarbſtoffe, der Harnſtoff und dann die Hippurſäure zur Umſetzung geeignet. Langſamer erfolgt der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Körper der feſten Excremente und am ſchwierigſten der Zerfall der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz des Strohes. Ueberhaupt ſteht die Schnelligkeit des Fäulnißverlaufes im Verhältniß zum Stickſtoffgehalte des Düngers. Reichliche, beſonders holzige Streu, wie Sägeſpäne, verlangſamen daher die Zerſetzung. Als Endproducte des Zerfalles der ſtickſtoff- haltigen organiſchen Subſtanz ergeben ſich neben Waſſer als Fäulnißproducte, Schwefelwaſſerſtoff, Ammoniak und deſſen Salze, beſonders doppelt kohlenſaures Ammoniak und als Verweſungsproducte Kohlenſäure, Salpeterſäure, Schwefelſäure. Ein kleiner Theil des Stickſtoffs entweicht nach den Unterſuchungen von J. Reiſet 1) ſelbſt als ungebundener, freier Stickſtoff. Aus den ſtickſtofffreien, organiſchen Beſtandtheilen der Düngerſubſtanz, wie der Celluloſe, der Stärke, dem Fett ꝛc. bilden ſich unter der Einwirkung derſelben Fäulniß erregenden Factoren neben flüchtigen Kohlenwaſſerſtoffen die verſchiedenſten Humus- körper, welche die ſchwarze Farbe des verrotteten Stallmiſtes bedingen, während durch den Verweſungsproceß Waſſer und Kohlenſäure frei wird. Dieſe Veränderungen der organiſchen Düngerſubſtanz bedingen wieder die Löſung der Mineralſtoffe unter gleichzeitiger Bildung von Humusſäuren, Kohlenſäuren und Ammoniakſalzen. Der Stallmiſt wird daher nach Vorſtehendem durch das Entweichen von Waſſer, 1) Comptes rendus. T. 42. S. 43—59.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/187>, abgerufen am 22.11.2024.