Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815.
noch Gretchen Fliederbusch, nun aber bin ich die junge Frau des Pachters Grauschimmel. Graf. Frau? Bar. Schon Frau? (bei Seite) O weh! Graf. Den alten Pachter hast du ge- heirathet? Baronin. Nehmen Sie es nur nicht ungnädig. Gräfin. Ich glaube fürwahr, mein Herr Gemahl ist auf gutem Wege es ungnä- dig zu nehmen. Graf. Was geht es mich an? aber wundern darf man sich doch über eine Ro- senknospe, die im Schnee vergraben liegt. Gräfin. (mit spottender Empfindlichkeit) Ei, lieber Mann, du wirst ja gar zum Dichter. Baronin. Ich war ein blutarmes Mäd- chen, eine Waise. - Mein Vormund sagte, ich würde eine alte Jungfer werden - ich sagte: vor dem Unglück würde mich der liebe Gott bewahren - er sagte: ich sollte fromm
noch Gretchen Fliederbusch, nun aber bin ich die junge Frau des Pachters Grauschimmel. Graf. Frau? Bar. Schon Frau? (bei Seite) O weh! Graf. Den alten Pachter hast du ge- heirathet? Baronin. Nehmen Sie es nur nicht ungnaͤdig. Graͤfin. Ich glaube fuͤrwahr, mein Herr Gemahl ist auf gutem Wege es ungnaͤ- dig zu nehmen. Graf. Was geht es mich an? aber wundern darf man sich doch uͤber eine Ro- senknospe, die im Schnee vergraben liegt. Graͤfin. (mit spottender Empfindlichkeit) Ei, lieber Mann, du wirst ja gar zum Dichter. Baronin. Ich war ein blutarmes Maͤd- chen, eine Waise. – Mein Vormund sagte, ich wuͤrde eine alte Jungfer werden – ich sagte: vor dem Ungluͤck wuͤrde mich der liebe Gott bewahren – er sagte: ich sollte fromm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#BAR"> <p><pb facs="#f0067" n="61"/> noch Gretchen Fliederbusch, nun aber bin ich<lb/> die junge Frau des Pachters Grauschimmel.</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Frau?</p> </sp> <sp who="#BA"> <speaker>Bar.</speaker> <p> Schon Frau? <stage>(bei Seite)</stage> O weh!</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Den alten Pachter hast du ge-<lb/> heirathet?</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Nehmen Sie es nur nicht<lb/> ungnaͤdig.</p> </sp> <sp who="#GRAFI"> <speaker>Graͤfin.</speaker> <p> Ich glaube fuͤrwahr, mein<lb/> Herr Gemahl ist auf gutem Wege es ungnaͤ-<lb/> dig zu nehmen.</p> </sp> <sp who="#GRAF"> <speaker>Graf.</speaker> <p> Was geht es mich an? aber<lb/> wundern darf man sich doch uͤber eine Ro-<lb/> senknospe, die im Schnee vergraben liegt.</p> </sp> <sp who="#GRAFI"> <speaker>Graͤfin.</speaker> <p><stage>(mit spottender Empfindlichkeit)</stage> Ei,<lb/> lieber Mann, du wirst ja gar zum Dichter.</p> </sp> <sp who="#BAR"> <speaker>Baronin.</speaker> <p> Ich war ein blutarmes Maͤd-<lb/> chen, eine Waise. – Mein Vormund sagte,<lb/> ich wuͤrde eine alte Jungfer werden – ich<lb/> sagte: vor dem Ungluͤck wuͤrde mich der liebe<lb/> Gott bewahren – er sagte: ich sollte fromm </p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
noch Gretchen Fliederbusch, nun aber bin ich
die junge Frau des Pachters Grauschimmel.
Graf. Frau?
Bar. Schon Frau? (bei Seite) O weh!
Graf. Den alten Pachter hast du ge-
heirathet?
Baronin. Nehmen Sie es nur nicht
ungnaͤdig.
Graͤfin. Ich glaube fuͤrwahr, mein
Herr Gemahl ist auf gutem Wege es ungnaͤ-
dig zu nehmen.
Graf. Was geht es mich an? aber
wundern darf man sich doch uͤber eine Ro-
senknospe, die im Schnee vergraben liegt.
Graͤfin. (mit spottender Empfindlichkeit) Ei,
lieber Mann, du wirst ja gar zum Dichter.
Baronin. Ich war ein blutarmes Maͤd-
chen, eine Waise. – Mein Vormund sagte,
ich wuͤrde eine alte Jungfer werden – ich
sagte: vor dem Ungluͤck wuͤrde mich der liebe
Gott bewahren – er sagte: ich sollte fromm
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Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815/67>, abgerufen am 21.07.2024. |